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Kutzers Zwischenruf: Sinkende Preise sprechen für steigende Kurse

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Ich bin enttäuscht. Zugegeben. Denn unser Aktienhandel hat nicht spontan in die Hände geklatscht, obwohl die jüngsten Preisindikatoren für Industrierohstoffe als erste positive Überraschung der vergangenen zwei Jahre nicht weiter gestiegen sind!

Die Bilder von der zunehmenden Diskussion über die Gefahr einer nuklearen Eskalation des Kriegs und seiner räumlich-zeitlichen Ausdehnung (Polen?) haben die ohnedies schon großen Sorgen (nicht nur der Europäer) noch weiter überschattet. Wie kann da die Wirtschaft wieder auf die Beine kommen? Vor allem, wie soll sich da der Handel entspannen und eine Normalisierung der überhitzten Preise beginnen? Dieser Krieg hat viele schlimmen Folgen – nicht zuletzt die Inflation.

Und jetzt der Hoffnungsschimmer: Im Oktober sind die Erzeugerpreise erstmals seit Mai 2020 wieder gesunken, und zwar um 4,2 Prozent gegenüber September. Das gab das Statistische Bundesamt bekannt. Verantwortlich waren dafür vor allem die sinkenden Energiepreise, die im Vergleich zum September um 10,4 Prozent zurückgingen.

„Der überraschend starke Rückgang der Erzeugerpreise könnte ein Vorbote sein, dass wir den Höhepunkt der Inflation überschritten haben“, sagt der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum. Die Inflation könne „sich schneller verabschieden als von vielen gedacht“. Die Inflationsrate hatte im September bei 10 Prozent und damit so hoch wie noch nie im vereinigten Deutschland gelegen.

Seit Kurzem neigen immer mehr Volkswirte und Analysten zu einer (noch vorsichtig) optimistischeren Haltung, wie auch jüngste Umfragen gezeigt haben. Es ist die Hoffnung gewachsen, dass die deutsche Teuerungsrate jetzt oder in Kürze den Gipfel überschreitet. Ich sehe das ganz ähnlich, zumal durch die ausgeprägte Schwäche der Ölpreise ein Faktor wirksam wird, der genau die gegenteilige Rolle zum Gas spielt. Bleibt abzuwarten, wie stark und wie rasch preissenkende Einflüsse von Rohöl auf die Verbraucherpreisentwicklung durchschlagen. Ich halte es für gut möglich, dass die Wende in der Preisentwicklung den Anfang eines Turnarounds an den Aktienmärkten darstellen kann.

Des Investors Intelligenz – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Ich beobachte schon seit langem Stimmungsindikatoren, weil sie nach meiner Erfahrung noch die beste Möglichkeit sind, Märkte zu timen, wenngleich dies immer schwierig ist. Seit den neunziger Jahren ist die Anzahl an Stimmungsindikatoren kontinuierlich gestiegen. Das liegt zum einen daran, dass das Informationsangebot in Bezug auf die Finanzmärkte allgemein gestiegen ist, zum anderen aber auch daran, dass diese Form der Analyse im Laufe der Jahre immer mehr Anhänger gefunden hat. Immer mehr Börsendienste oder Banken machen entsprechende Auswertungen oder Umfragen.

Das älteste Stimmungsbarometer gibt es seit über 50 Jahren
Einer der ersten Stimmungsindikatoren, der mir begegnete, war der Advisor’s Sentiment Report von Investors Intelligence. Seit 1963 zählt dieser Börsendienst die US-amerikanischen Börsenbriefe aus und ordnet sie ein in bullisch, neutral und bärisch. Früh war zu erkennen, dass der Indikator antizyklisch zu interpretieren ist, also wenn extremer Pessimismus herrscht, man als Investor beherzt zugreifen sollte und bei extremem Optimismus eher mal Positionen abbaut. Wobei letzteres deutlich schwieriger ist, denn oft steigen Kurse trotz sehr hohem Optimismus noch deutlich weiter, bevor eine wirkliche Korrektur kommt. Da Aktien mehr steigen als fallen ist das bezüglich der Wahrscheinlichkeit auch nur logisch. Sieht man sich die Historie des Indikators an, dann kann man eigentlich nur feststellen, dass man an sich nur nach diesem Prinzip – bei großem Pessimismus kaufen – handeln und ohne viel Aufwand extrem erfolgreich sein müsste. Allerdings fällt es vielen Investoren sehr schwer, den Signalen zu folgen, denn die Werte, die starken Pessimismus signalisieren, treten dann auf, wenn die Nachrichten, die auf uns einstürzen, verheerend sind. Und so kommt bei jedem Rückschlag immer wieder der Gedanke, dass diese Nachrichten womöglich Relevanz haben und die Kurse berechtigterweise fallen. Oft ist das auch so. Nur zeigen uns Stimmungsindikatoren, wann die Angst womöglich auch schon komplett in den Kursen enthalten ist.

Ältester Stimmungsindikator auch einer der wertvollsten
Womöglich ist der älteste Stimmungsindikator auch einer der besten. Meiner Beobachtung nach ist dies auf jeden Fall so. Der Blick auf den nachfolgenden Chart zeigt es eigentlich sehr deutlich, für jeden, der die Börsengeschichte kennt.

Für diejenigen, die vielleicht noch nicht so lange am Markt agieren, aber kurz mal ein Blick auf die Tiefpunkte dieses Charts. 1987 gab es einen legendären Börsenkrach im Oktober und auch hier sehen wir, ging der Pessimismus ziemlich nach oben, beziehungsweise die Stimmung ziemlich nach unten. Anschließend folgte ein regelrechter Bullenmarkt. 1994 gab es den letzten Crash an den Rentenmärkten und auch die Aktien blieben nicht verschont. Wer den Mut hatte, einzusteigen, der wurde belohnt. 2000 platzte die Internetblase und über zwei Jahre ging es mit den Kursen abwärts. Ende 2002 einzusteigen, war richtig, auch wenn die Kurse noch etwas weiter fielen. Das gleiche gilt für die Finanzkrise. Hier stieg man 2008 nach diesem Indikator ein, auch das war noch nicht das absolute Tief, aber rückblickend gesehen eine tolle Kaufgelegenheit. Dann hatten wir die Verwerfungen in China 2015/2016 um den Jahreswechsel herum und auch hier ein gutes Kaufsignal. Genauso 2018 mit erheblichen Verlusten bis zum letzten Handelstag, 2019 liefen die Kurse dann wieder nach oben. Und dann Corona. Auch in dieser Krise lieferte das Advisor‘s Sentiment ein perfektes Kaufsignal.

Erholung sollte sich fortsetzen
Und nun zur aktuellen Situation. Es gab bereits ein Kaufsignal in diesem Jahr, dass man nicht als Fehlsignal betrachten kann, weil es dann eine technische Erholung gab, aber aufgrund der restriktiven Geldpolitik war es noch kein neuer Bullenmarkt. Den will auch ich jetzt nicht voraussagen, aber eine Fortsetzung der Erholung vor allem der Technologiewerte sollte bis zum Jahresende drin sein. Dafür spricht eben der noch immer starke Pessimismus, gepaart mit der Hoffnung, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat und die Zinserhöhungen ebenfalls absehbar zu Ende gehen. Und die Saisonalität spielt statistisch betrachtet den Bullen ebenfalls in die Hände und das besonders in Jahren, wo es Midterm-Wahlen gibt. Wie es nach dem Jahreswechsel weiter geht, wird man mit der entsprechenden Positionierung neu bestimmen müssen. Aber der kurzfristige Ausblick scheint positiv.

Kutzers Zwischenruf: Es geht aufwärts!

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Endlich können die Börsen-Bullen aufatmen, denn die jüngsten Hoffnungssignale werden durch weitere Indikatoren bestätigt. Damit fällt es selbst skeptischen Beobachtern leichter, auch dem Verlauf des G20-Gipfels ein Plus-Zeichen zuzuordnen. Hatten die Börsianer in den vergangenen Wochen also (wieder einmal) ein gutes Näschen?  Jedenfalls lese ich jetzt über aktuellen Marktbetrachtungen Headlines wie „Konjunkturerwartungen verbessert“ und „Renditeerwartungen haben sich deutlich verbessert – meist wird dabei als Zeithorizont „mittel- bis längerfristig“ genannt.

Starke Umfraqeergebnisse für Deutschland hat heute das ZEW geliefert. Danach steigen die ZEW-Konjunkturerwartungen in der aktuellen Erhebung um 22,5 Punkte auf minus 36,7 Punkte. Die Einschätzung der konjunkturellen Lage für Deutschland verbessert sich ebenfalls, bleibt aber weiterhin negativ. Die Mannheimer Forscher sehen in den Novemberzahlen einen Zusammenhang mit der Hoffnung auf einen Rückgang der Inflationsraten. Die geldpolitische Bremse müsste in diesem Fall weniger stark und/oder weniger lang angezogen werden als befürchtet.

Ähnliche Töne schlagen die Strategen der Schweizer UBS-AM an: „Wir sind der Ansicht, dass Inflation, Wachstum und geopolitische Faktoren, die 2022 für Unruhe an den Märkten gesorgt haben, das Belohnungspotenzial für mittel- und langfristige Investoren, die bereit sind diese Risiken zu tragen, erhöht haben.“ Die nächsten Schritte der Zentralbanken werden darüber entscheiden, wie hoch die Inflation tatsächlich in den nächsten Jahren sein wird, oder aber ob es gelingt, sie wieder bei einem Wert von 2 bis 3 Prozent einzupendeln. Jetzt ist das Sentiment gefragt, wenn die richtige Geschwindigkeit gewählt wird, die Zinsen weiter anzuheben.“ Das Investmentumfeld ist jetzt deutlich besser als vor 12 bis 15 Monaten. Die Renditeerwartungen für die künftigen Jahre sind gestiegen.

Bessere Bewertungen sorgen bei gleichbleibender Einschätzung der künftigen Wirtschaftsaktivität automatisch für höhere Erwartungswerte. „Auch für Deutschland haben die Wirtschaftsweisen jüngst eine bessere Prognose abgegeben, als die momentane Situation auf den Märkten vermuten lässt, heißt es weiter. Der Aktiensektor sei in einer guten Bewertungsphase, gerade in den Bereichen Healthcare und Consumer Staples, aber hier zähle aktive Selektion. Zudem sehen die Experten von UBS-AM für 2023 die Rückkehr von Fixed Income – also für Anleihen.

 

Kutzers Zwischenruf: Jahresprognosen (II): Dax steigt auf 15.000 Punkte

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

 

Wie erwartet mehren sich jetzt die mit konkreten Zahlen unterlegten Vorhersagen für den Verlauf von Wirtschaft und Finanzmärkten im kommenden Jahr. Die Prognosesaison hat begonnen. Auch 2023 dürfte kein einfacher Jahrgang werden. Jedenfalls bemühen sich Volkswirte und Analysten um differenzierende Ausblicke. Trotz aller Sorgen wird den Anlegern auch Mut gemacht. Das DG Bank Research hat heute seine Jahresprognose vorgelegt. Die wichtigsten Punkte:

• Rezession in Europa und den USA

• Inflation in Deutschland mit 7,6 Prozent weiter historisch

• Anleihen zunehmend attraktiv

• Dax erreicht 15.000 Punkte

Die Analysten blicken verhalten auf das kommende Jahr. Sie erwarten für die Eurozone und die Vereinigten Staaten eine spürbare Rezession, die sich erst ab der zweiten Jahreshälfte entspannen wird. Die Inflation bleibt in Europa weit über dem EZB-Ziel von 2 Prozent, weshalb die Notenbank ihre Zinswende vorerst mit großen Schritten weiterführen dürfte. Das verleiht den Anleiherenditen Auftrieb und beendet den Anlagenotstand der vergangenen Jahre. Aktien bleiben attraktiv, weil insbesondere Großunternehmen kräftige Gewinne einfahren und mit den historischen Teuerungsraten umgehen können. Für den Dax sagt die DZ Bank 15.000 Punkte voraus.

In Deutschland lässt das Ende der billigen Energie die Wirtschaft stark einbrechen, die sich dadurch „nachhaltig verändern“ dürfte. „Eine Gasmangellage droht im Winter aber nicht“, sagt Chefvolkswirt Michael Holstein. Die Ökonomen gehen jedoch davon aus, dass der aktuelle Preisrückgang beim Erdgas nur von kurzer Dauer ist. Für das kommende Jahr wird mit einem Preis zwischen 150 und 200 Euro je Megawattstunde gerechnet. Teures Flüssiggas muss auf dem wettbewerbsintensiven Weltmarkt eingekauft werden. 2021 kostete die Megawattstunde im Durchschnitt nur 48 Euro.

Auch wenn die Gas- und Strompreisbremse der Bundesregierung Industrie und Verbrauchern helfen wird, vergleicht das DZ Bank Research die kommende Rezession in Bezug auf Schwere und Dauer mit den energiepreisbedingten Krisen der 1970er und 80er Jahre. „Wir rechnen für 2023 ab dem zweiten Quartal mit einer langsam beginnenden Erholung. Der Kaufkraftverlust lässt den Konsum sinken, was viele Unternehmen spüren werden“, so Holstein. „Die hohen Energiepreise werden Deutschland und Europa lange belasten.“ Die unsichere Wirtschaftslage und steigende Zinsen frieren zudem den Immobilienmarkt in Deutschland ein.

Trotz hoher Inflation wird ein Comeback der Anleihen erwartet. Sichere Anleihen von Staaten und Unternehmen mit Investment Grade bieten wieder zunehmend Renditen oberhalb von 4 Prozent. Mit Blick auf die Zinswende und ausgehend davon, dass sich der Energiemarkt zumindest mittelfristig entspannt, dürfte die Inflation ab dem übernächsten Jahr wieder in Richtung 2 Prozent zeigen. Der jährliche Kupon von neu emittierten Bonds stabilisiert das Portfolio dann wieder und könnte sogar für positive Realrenditen sorgen.

Die großen Aktiengesellschaften in den internationalen Blue Chip-Indizes navigieren überwiegend erfolgreich durch das Krisenumfeld. Der Aktienmarkt bleibt zwar abhängig von den Notenbank-Aktivitäten, da die steigenden Anleiherenditen Opportunitätskosten für Wertpapiere darstellen. Die Zinswende bedeutet aber nicht, dass Aktien keine Gewinnchancen mehr bieten. Die Volatilität ist weiter hoch und die Ertragsstärke bleibt eine Schlüsseleigenschaft bei der Aktienauswahl. In einem schwierigen Umfeld mit hoher Inflation sind deshalb etablierte Großunternehmen aus Industrieländern die erste Wahl, erklären die Strategen, denn viele Blue Chips stellen nicht nur die Inflationsverursacher dar, sondern auch die Inflationsgewinner. Auch zyklischen Werten wird Aufholpotenzial zugetraut.

Entscheiden Sie selbst, geschätzte Anleger, ob Sie wieder zu hochklassigen Anleihen zurückkehren wollen. Wenn auch Sie (wie das DG Bank Research) ein Dax-Ziel von 15.000 per Ende 2023 für realistisch halten, sind Top-Aktien in meinen Augen die attraktivere Anlageklasse.

Von TINA zu TARA – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Ich habe hier in den vergangenen Jahren immer wieder betont, dass es zur Aktienanlage keine Alternative gibt und auch lange nicht mehr geben wird. Zwar ging ich bekanntermaßen von einer stärkeren Inflation aus, habe aber immer gesagt, dass die Notenbanken diese nicht massiv bekämpfen können werden, weil die Verschuldung viel zu hoch ist und die Welt von tiefen Zinsen abhängig ist. Zu dieser Aussage stehe ich auch immer noch.
 
Schnellster Zinsanstieg seit 100 Jahren bietet erstmals seit Jahren positiven Realzins
Schaut man aktuell auf die Inflationsrate in Deutschland von 10,7 Prozent oder auch in den USA von 8,2 Prozent, dann reicht selbst der schnellste Zinsanstieg am US-Anleihemarkt seit rund 100 Jahren immer noch nicht, um einen positven Realzins zu erzielen. Zehnjährige US-Staatsanleihen rentieren mit 4,25 Prozent. Zuletzt waren die Zinsen nur nach dem 1. Weltkrieg schneller gestiegen. Selbst die Verkündung des Marshall-Plans nach dem 2. Weltkrieg rief nicht ein so schnellen Anstieg der Zinsen hervor.
 
Mit der heutigen Inflationsrate ist die Berechnung natürlich richtig. Nur auch ich, der von grundsätzlich höheren Inflationsraten auch in der Zukunft ausgeht, rechne nicht damit, dass die Inflation auf dem heutigen Niveau bleibt. Es dürften im Durchschnitt eher rund vier Prozent sein, was immer noch eine Verdopplung gegenüber den vergangenen Jahrzehnten bedeutet, aber eben nur die Hälfte der aktuellen Zahlen. Kommt es so wie von mir prognostiziert, dann ergibt sich am amerikanischen Anleihemarkt aktuell die Möglichkeit, einen positiven Realzins einzuloggen. Wer für fünf Jahre im Bereich Unternehmensanleihen mit Investment Grade investiert, was die Bonitätsklassen von BBB bis AAA umfasst, der erhält derzeit zwischen gut fünf bis rund sieben Prozent Verzinsung für eine Laufzeit von fünf Jahren.
 
Auch nominale Renditen sind attraktiv
Dass die Inflation zurückkommt, ist derzeit sehr gut abschätzbar, weil einige Preise wie beispielsweise die der gebrauchten Autos schon nachgeben und Basiseffekte in Bezug auf die Energiepreise eintreten werden. Im Ergebnis kann man sich dann erstmals seit langem wieder eine positive Realverzinsung von immerhin rund zwei Prozent sichern, landen wir bei den durchschnittlich vier Prozent Inflation in diesem Zeitraum. Und nominal betrachtet sind rund sechs Prozent Rendite auch nicht schlecht. Auch wenn die Aktien wieder laufen werden, mit zweistelligen Zuwachsraten wird in den kommenden Jahren eher nicht zu rechnen sein. Realistisch ist eher die Größenordnung, die man aktuell mit Anleihen sogar sicher einloggen kann.
 
Wahrscheinlich nur kurzes Zeitfenster
Anleger, die Risiken reduzieren wollen, können daher jetzt die Chance nutzen und sich risikolos diese Renditen sichern, statt nur auf eine Erholung der Aktien zu setzen. Das Zeitfenster für diese Investitionen könnte aber sehr kurz sein. Setzt sich am Markt in den nächsten Wochen die Erkenntnis durch, dass die Inflation ihren Höhepunkt überschritten hat und die US-Notenbank bei fünf Prozent Leitzins oder wenig darüber die Zinserhöhungen beendet, dann dürfte dies am Anleihemarkt schon wieder weit vorweggenommen werden. Nicht umsonst ist bereits jetzt die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen geringer als die von zweijährigen. Die Zeit gilt es also zu nutzen.
 
Gegenwind für Aktien
Diese Situation sollte selbst jeden eingefleischten Aktienanleger interessieren, der Anleihen und sechsprozentige Renditen langweilig findet. Denn es hilft, die kommenden Kursbewegungen besser zu verstehen. Denn zumindest für eine gewisse Zeit ist die TINA (There Is No Alternative) nicht mehr seine Begleiterin. Derzeit muss er sich mit TARA (There is A Reasonable Alternative) beschäftigen. Denn auch wenn sie uns nicht lange beglücken sollte, kann sie schon noch eine Belastung für die Aktienmärkte darstellen, weil so mancher Anleger sich in diesem Zinsumfeld für sichere Renditen mit Anleihen und gegen das Kursrisiko von Aktien entscheiden wird.

 

 

Die Börse ist verwöhnt – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Die Berichtssaison läuft auf Hochtouren und gibt ein gemischtes Bild ab. Klar war von Anfang an, dass es mit den Gewinnsteigerungen vor dem Hintergrund der massiv gestiegenen Inflation und der konjunkturellen Unsicherheit ein Ende haben würde. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Unternehmen in den USA, aber auch in Europa nach dem kurzen Corona-Einbruch Rekordgewinne abgeliefert und damit frühere Ergebnisse teilweise weit übertroffen haben. Das hatte natürlich auch mit den staatlichen Ankurbelungsmaßnahmen und in einigen Branchen mit einer Sonderkonjunktur zu tun. Microsoft profitierte beispielsweise vom Trend zum Home-Office, Amazon von den geschlossenen Laden-Geschäften.
 
Normalisierung bedeutet nicht gleich Krise
Natürlich war klar, dass sich einiges normalisieren würde, aber dies bedeutet nicht den Weltuntergang. Schaut man sich die Ergebnisse der Tech-Riesen in den USA an, so bestätigt sich doch das, was ich hier in Kolumnen immer wieder mal erwähnt habe. Diese Unternehmen verdienen nach wie vor richtig Geld, haben hohe Gewinnmargen und ein funktionierendes Geschäftsmodell. Natürlich gibt es hier und da Umsatz- und auch Gewinnrückgänge. Ein spezieller Fall ist sicherlich Meta, und der ist es für mich immer. Dieses Unternehmen unterliegt viel mehr dem Zeitgeist als Unternehmen wie Microsoft, Alphabet oder Amazon, die fast Versorgerstatus in unserem Alltag erreicht haben. Auch sie müssen die Erwartungen in diesem wirtschaftlichen Umfeld herunterschrauben. Aber seien wir mal ganz ehrlich, das sind doch Luxusprobleme. Wir sind aus der Vergangenheit zu sehr verwöhnt.
 
Undankbare Investoren
Wer schon mal in einem großen Unternehmen gearbeitet hat, der weiß, dass in jeder Krise zunächst einmal das Reise- und das Mediabudget zusammengestrichen werden. Hier kann man am schnellsten Einsparungen erlösen. Bis sich die Entlassung von Mitarbeitern bezahlt macht, dauert es. Meistens sind zuvor hohe Abfindungen zu zahlen. Natürlich agieren die Unternehmen auch jetzt wieder so. Die Fluglinien können dies offenbar durch die immer noch hohe Reiselust der Privatleute ausgleichen, die geringeren Mediaausgaben spüren Unternehmen natürlich, die von diesen leben. Insofern ist es überhaupt nicht verwunderlich, das Alphabet einen Gewinnrückgang verzeichnet. Dass trifft auch Meta, diese aber noch härter, weil Facebook immer irrelevanter wird und sie wahnsinnig viel in das Metaverse investieren, von dem niemand weiß, ob wir uns dann wirklich demnächst in dieser digitalen Parallelwelt bewegen. Amazon und Apple gehen vorsichtiger ins Weihnachtsgeschäft. Vor dem Hintergrund der enorm gestiegen Energierechnungen und auch sonstiger Preise, die die Bürger zu schultern haben, ist eine Kaufzurückhaltung nur allzu verständlich. Das iPhone 12 tut es im Zweifel auch noch und es muss nicht sofort das 14er sein. Wundert sich denn hier wirklich jemand? Aber trotz Krisenstimmung sind wir bei diesen Unternehmen doch weit von der Verlustzone entfernt. Selbst Meta verdient noch Milliarden. Würden sich die Kurse dieser Unternehmen noch am Allzeithoch bewegen, würde ich die Enttäuschung an der Börse ja durchaus verstehen. Aber von diesen Ständen sind wir weit entfernt. Meta kostete auf dem Hoch über 380 US-Dollar und ist jetzt für rund 100 Dollar zu haben. Auch Alphabet notiert weit unter dem historischen Höchststand. Ich bleibe dabei, diese Geschäftsmodelle sind deutlich krisensicherer als die von Unternehmen, bei denen die Energiekosten ein wesentlicher Faktor sind oder die gestiegenen Zinsen, weil sie hoch verschuldet sind.
 
Langfristiger Blick ist wichtiger denn je
Anleger sollten sich dies vor Augen führen und sich von Quartalsergebnissen nicht ablenken lassen. Sicher werden die Zeiten in den nächsten Monaten noch rauer oder zumindest rau bleiben. Entscheidend für den Erfolg bei der Geldanlage bleibt der langfristige Blick und damit das langfristig funktionierende Geschäftsmodell. Und glaubt wirklich jemand ernsthaft, wir brauchen in zehn Jahren Alphabet mit Google, Google Maps, YouTube und seinen anderen Diensten nicht mehr, oder Bürosoftware macht nicht mehr Microsoft, und wir bestellen dann zukünftig alles beim Otto-Versand und nicht mehr bei Amazon? Oder wie sieht es mit Nvidia aus, die in Bezug auf das selbstfahrende Auto langfristige Lieferverträge zum Beispiel mit der deutschen Automobilindustrie haben? Unsicherer ist sicherlich die Zukunft von Meta, WhatsApp ist zwar auch so etwas wie ein Versorgungsunternehmen, ob aber der Instagram- und Facebook-Exhibitionismus ewig Trend bleiben, ist weniger sicher zu prognostizieren.

 

 

Kutzers Zwischenruf: Drei Krisenalternativen für Aktienfreunde

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Informationen für sich genommen sind Rohmaterial, müssen erst be- und dann verarbeitet werden. Das gilt gerade für die Finanzmärkte, auf die täglich eine wahre Flut von Nachrichten einströmt, die unverzüglich von Ökonomen und Analysten interpretiert werden, so dass am Ende Anlageentscheidungen herauskommen können – oder auch nicht.
Eine Besonderheit: Für einflussreiche Informationen, deren Veröffentlichungstermine bekannt sind, gibt es schon vorher eine Meinungsbildung unter den Marktteilnehmern, die in die Kursbildung einfließt. Dann werden ausstehende Informationen vorab „eingepreist“. Wenn sich später bei Veröffentlichung herausstellt, dass die Märkte richtig spekuliert hatten, hat die Info keine (oder kaum eine) Wirkung mehr.

Aktuell ist die Nachrichtenlage durchaus „gemischt“, wie sich heute wieder gezeigt hat. Denn der Ifo-Geschäftsklimaindex, der allmonatlich besonders breite Aufmerksamkeit findet, ist differenziert ausgefallen: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist im Oktober auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020 gefallen. Allerdings gab das Ifo-Geschäftsklima zum Vormonat nur leicht um 0,1 Punkte auf 84,3 Zähler nach. Ökonomen hatten eine deutlich stärkere Eintrübung auf im Schnitt 83,5 Punkte erwartet. Bereits im Vormonat war Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer gesunken.

Nicht ganz eindeutig auch eine andere Erhebung: Trotz widriger Umstände sehen sich deutsche Konzerne einer Studie zufolge krisenfester aufgestellt als noch zu Beginn der Pandemie. Zudem steigt die Bereitschaft, sich mit Investitionen vor Krisen zu schützen, wie aus dem heute veröffentlichten „Future Readiness Index“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hervorgeht. Spürbar bergab ging es jedoch mit der Zuversicht in den Konzernen. Fast ein Drittel der Befragten bezeichnete das allgemeine Stimmungsbild als pessimistisch oder sehr pessimistisch – fast doppelt so viele im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2018. Den Autoren zufolge rührt der Trend vor allem aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen.

Und so klangen die spontanen Reaktionen der Analysten auf den Ifo-Bericht: „Deutschlands wichtigster Frühindikator hat erste Signale gesendet, dass sich die Lage zumindest nicht verschlechtert. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass es bald auch besser wird.“
„Dass das Ifo-Geschäftsklima im Oktober faktisch nicht weiter gefallen ist, ist keine Entwarnung. Denn im Vormonat war das Geschäftsklima förmlich eingebrochen. Das Geschäftsklima befindet sich weiter auf Niveaus, bei denen die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit geschrumpft war.“

„Die gute Nachricht ist: Die Stimmung der deutschen Unternehmen hat sich im Oktober nur unwesentlich eingetrübt. Das darf man getrost auch auf die von der Bundesregierung beschlossenen Energiepreisbremsen zurückführen. Diese werden im kommenden Frühjahr wirksam und tragen so zur Stabilisierung der Geschäftserwartungen bei. Für die nahe Zukunft braut sich aber zunehmend Ungemach zusammen: Immer häufiger berichten die Unternehmen von Nachfragerückgängen, die die Ertragslage dämpfen werden, während gleichzeitig die Kostenbelastung weiter ansteigen wird.”

„Alles in allem war die Veröffentlichung besser als erwartet, aber immer noch nicht genug, um uns davon zu überzeugen, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Quartal der Rezession entkommen wird. Was die Inflation betrifft, so rechnet jedes zweite Unternehmen in den kommenden drei Monaten mit Preiserhöhungen. Das unterstreicht unsere Einschätzung, dass die Inflation in nächster Zeit hoch bleiben wird.”

Was kann man jetzt tun? Ich plädiere seit langem für die Entwicklung möglichst vieler Privatanleger zu „Selbstentscheidern“ – ob mit oder ohne professionelle Beratung. Wenn besonders gewichtige Belastungsfaktoren die Börsen bewegen und für starke Kursschwankungen sorgen („Volatilität“), fallen Anlageentscheidungen naturgemäß besonders schwer. Deshalb sei dem „normalen“ und noch nicht besonders erfahrenen Anleger vorgeschlagen, sich für eine der drei folgenden Alternativen zu entscheiden: Bis auf Weiteres keine Investments vorzunehmen, sondern erst einmal zuzuschauen. Oder nur einen kleinen Teil des verfügbaren Kapitals anzulegen – vorsichtshalber, aber um dennoch dabei zu sein. Oder das Kapital gaaanz langfristig in Aktien / Aktienfonds zu investieren (falls noch nicht geschehen), etwa in einem Sparplan für die private Vorsorge.

Kutzers Zwischenruf: Anleger sollten auf massive Aktienfundamente bauen

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Es sieht so aus, als würden sich immer mehr internationale Großanleger auf eine Trendwende an den Aktienmärkten einstellen (vielleicht gibt’s tatsächlich eine Jahresschluss-Rally). Zumindest kann man Hinweise auf das gern zitierte Licht am Ende des Tunnels erkennen. Stellt sich auch für den (mutigen) Privatanleger die Frage, ob er nicht jetzt schon seine Aktienbestände wieder aufbauen sollte. Das Ja fällt mir nach wie vor schwer. Denn die gewaltigen Belastungsfaktoren haben bisher nicht an Gewicht verloren und bleiben überwiegend unberechenbar – mich bedrückt vor allem die Entwicklung des Kriegs in der Ukraine mit seinen realen und noch möglichen Folgen.

Aber: Die wachsende Schar von Stockpickern und Tradern mag das anders sehen, zumal sie kurzfristiger als der Durchschnittsanleger ticken und damit eine höhere Risikobereitschaft mitbringen. 2022 hat uns allen böse (und teure) Überraschungen „beschert“. Und es ist nicht auszuschließen, dass 2023 einen ganz anderen Verlauf nehmen wird. Dennoch bleibe ich bei meiner Vorsicht, weil nicht absehbar ist, wann wir eine nachhaltige Trendwende erleben werden und wann sie einsetzen wird.

Bisher werden die kurzfristigen Kursschwankungen hauptsächlich von Amerika und der Wall Street initiiert, weil die Fed und ihre monetären Maßnahmen ganz im Vordergrund stehen. Dabei gibt es einen natürlichen Zusammenhang mit der Inflationsentwicklung – genug Nachrichtenstoff für kurzfristige Entwicklungen. Die Marktreaktionen werden zunehmend von Warnungen erfahrener Investmentstrategen begleitet. So schreibt der bekannte Vermögensverwalter Thomas Grüner in seiner jüngsten Marktanalyse: „Zunächst sollten sich Anleger nicht von der kurzfristigen Volatilität beeindrucken lassen. Diese Bewegungen zu interpretieren, ist immer ein relativ hoffnungsloses Unterfangen, für Aktien wie Anleihen gleichermaßen. Inflation wird trotzdem auf absehbare Zeit das heiße Thema bleiben, weshalb an dieser Stelle weiterhin Geduld gefragt ist.“

Ich plädiere ebenfalls (wie eh und je) für längerfristige Aktienanlagen. Und dann rücken die fundamentalen Wirtschafts- und Unternehmensdaten in den Mittelpunkt. Die schaffen – wenn auch nicht von heute auf morgen, aber vielleicht im Laufe des kommenden Jahres – mehr Klarheit über Konjunktur, Preisentwicklung, Unternehmensgewinne etc. Deshalb sollten auch ungeduldige Anleger momentan Unternehmen suchen, die sich auf sicheren, starken Fundamenten entwickeln und krisenfest bleiben. Begriffe wie Widerstandsfähigkeit, defensiv und Value stehen dafür. Es ist für alle Akteure an den Börsen und in den deren Umfeld eine spannende Frage, wann die hohe Abhängigkeit der Märkte von den Notenbanken zumindest schritt- und teilweise von den fundamentalen Tendenzen abgelöst wird.

Wenn es jetzt nicht dreht, betreten wir historisches Neuland -Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Seit 1985 befasse ich mich tagtäglich mit der Börse. Dass die fundamentale Entwicklung der Unternehmen nur auf längere Sicht die Kurse bestimmt, wurde mir schnell bewusst. Viel wichtiger ist die Liquidität, die dem Markt zur Verfügung steht, fand ich schnell heraus und so lernte ich es auch aus den Büchern von Börsenaltmeister André Kostolany. Damals war das sehr gut ablesbar an der Rendite der langlaufenden Staatsanleihen. Sank deren Zins, folgte der Aktienmarkt mit steigenden Kursen in einem Abstand von drei bis neun Monaten, stiegen sie, war es umgekehrt. Doch auch das lieferte nur Anhaltspunkte für die mittelfristige Tendenz und es ließ sich auch schwer erkennen, wie stark die Kurse auf die jeweilige Liquiditäts- bzw. Zinsentwicklung reagieren würden. Ich suchte daher nach einer Indikation für den kurzfristigen Trend und dessen möglicher Intensität.
 
Behavioral Finance ist der einzige Indikator für kurzfristiges Timing
Charttechnik war die naheliegende Lösung. Gerade in Deutschland war und ist diese sehr populär. Doch je länger ich die aus ihr abgeleiteten Prognosen verfolgte, desto weniger konnte ich erkennen, dass sich die Wahrscheinlichkeit richtig zu liegen, erhöhte, wenn man nach den entsprechenden Signalen handelte. Im Gegenteil, ich stellte fest, dass je stärker charttechnische Marken Beachtung fanden, eher das Gegenteil passierte. Musste man also entgegen der Mehrheit handeln? Bei meiner Suche traf ich auf die sogenannte Behavioral Finance, die versucht, anhand von Stimmungsindikatoren die Positionierung der Anleger zu ermitteln.
 
Antizyklisches Handeln an extremen Stimmungspunkten
Es zeigte sich, dass man sich nicht ins Mehrheitslager schlagen, sondern bei extrem pessimistischer oder extrem optimistischer Stimmung genau das Gegenteil tun muss. Denn klar, sind alle optimistisch, ist die Investitionsquote hoch und es gibt kaum mehr Kaufkraft, und umgekehrt, sitzen Anleger auf Bargeld, besteht erhebliches Kaufkraftpotenzial. Vor allem die unteren Wendepunkte zeigen Stimmungsindikatoren gut an. Häufig drehen die Märkte bereits weit bevor historische Tiefstmarken erreicht werden, vor allem dann, wenn Wirtschaft und Liquidität positive Signale senden. Sind die diesbezüglichen Voraussetzungen aber nicht gut, so wie derzeit, dann kommt es erst an Extrempunkten zumindest zu einer deutlichen Erholung, das aber ziemlich sicher. Für einen langen Aufschwung mit neuen Höchstkursen müssen allerdings auch die Signale von der Liquiditätsfront und aus der Wirtschaft unterstützend wirken.
 
Schlecht, schlechter, am schlechtesten
Seit 1995 beobachte ich nun einen breiten Strauß an Stimmungsindikatoren. Dazu gehören klassische Anlegerumfragen, Auswertung von Börsenbriefen, Put/Call-Ratios, Zu- und Abflüsse von Investmentfonds, etc. Betrachtet man nun die aktuelle Anlegerstimmung, dann ist festzuhalten, dass sie, manche Indikatoren betrachtet, so schlecht ist wie noch nie zuvor. Und durchweg bewegen sich alle Stimmungsindikatoren an ihren historischen Tiefstmarken. Sollte der Aktienmarkt jetzt noch deutlich weiter fallen, spräche das gegen jede Erfahrung in den vergangenen Jahrzehnten. Wahrscheinlicher ist eine baldige Wende. Ein Beispiel sind die systematischen Ansätze, also die computergesteuerten. Sie sind vollkommen ausverkauft.

 

 

Kutzers Zwischenruf: Behält die Börse doch wieder recht?

Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”

Wer weiß wirklich, was Sache ist? Angesichts der widersprüchlichen Meldungen und Kommentare sowie der in hohem Maße Unsicherheit ausstrahlenden Kursentwicklung schrecken viele Anleger vor neuen Börsenengagements zurück. Erst einmal.

Das Lager der Anlageberater ist gespalten. Die einen warnen vor weiterem Kursverfall am Aktienmarkt, während andere wieder Mut machen und mittelfristig (im Verlauf des kommenden Jahres) einen Aufwärtstrend von Wirtschaft und Börse in Aussicht stellen. Wer wird recht behalten?

Natürlich haben beide Seiten Argumente. Dennoch bleibt eine Festlegung zu Beginn des dritten Quartals hochgradig spekulativ, gibt es doch nach wie vor zu viele Unbekannte, die Bullen und Bären überzeugen können.

Ausschlaggebend ist und bleibt die monetäre Entwicklung in Verbindung mit der (verlorengegangenen) Geldwertstabilität. Inflation und Notenbankzinsen beherrschen börsentäglich die Diskussionen der Fachwelt. Der kaum fassbare Anstieg unserer Verbraucherpreise von 10 Prozent wurde jetzt bestätigt (Stand September). Das letzte Mal war die Inflation in Deutschland 1951 zweistellig. Die Bundesregierung rechnet mit einer Inflationsrate von 8,0 Prozent im laufenden Jahr und von 7,0 Prozent im kommenden Jahr. Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie.

Heute wurden auch die US-Inflationsdaten veröffentlicht: Im Vergleich zum Vorjahr stieg dort die Teuerung im September um 8,2 Prozent (Prognose: 8,1 Prozent), im Vergleich zum Vormonat um 0,4 Prozent (Prognose: 0,2 Prozent). Im August lag die Inflation bei 8,3 Prozent. Also nur ein minimaler Rückgang.

Alle Zahlen können analytisch zerpflückt werden. Und auch noch so erfahrene Börsenstrategen können angesichts der beispiellosen Fülle von gravierenden Krisen und Unsicherheitsfaktoren nur mit Vorbehalten nach vorn blicken. Nicht einmal die Währungshüter selbst sind sich ihrer Sache sicher.

Extreme Kursschwankungen (selbst im Tagesverlauf) spiegeln die Orientierungsprobleme wider. Insofern ist die Volatilität an sich nicht negativ zu bewerten. Auch wenn momentan vieles dagegenspricht – vielleicht sieht das Bild 2023/24 tatsächlich wieder freundlicher aus. Wer von Ihnen darauf setzen will, geschätzte Anleger, hat jetzt reichlich Gelegenheit, entsprechende Positionen aufzubauen.