
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Auch wenn es gleich wieder hieß, das war ein „Start mit Stottern“, ja sogar von einer „Staatskrise“ und „Neuwahlen“ war die Rede in manchen Medien. Man möchte sich als Beobachter nur die Haare raufen nach der Berichterstattung. Angesichts knapper Mehrheiten haben wir das schon in den Landtagen erlebt, nun also auch im Bundestag. Es wird sicher in der Zukunft noch öfter geschehen, dass die Regierung im Bund ihre Mehrheit verliert. Deshalb ist immer noch keine Staatskrise in Sicht. Friedrich Merz heißt der neue Kanzler und der Bundestag hat ganz pragmatisch entschieden, den zweiten Wahlgang vorzuziehen und noch am selben Tag abzuhalten. Das war richtig und so konnte die neue Regierung starten, nach sechs Monaten Lähmung in der Bundespolitik. Hier muss dringend etwas geschehen, die Zeitdauer ist entschieden zu lang, wir haben es nur nicht gemerkt, weil es keine solchen schweren Krisen in der Vergangenheit zu bewältigen gab. Schlüsse lassen sich aus dem Theater natürlich eine Menge ziehen, aber die vordringlichsten sind sicher, dass sich der neue deutsche Kanzler durchaus gewahr sein muss, dass der Schwanz jederzeit bereit ist, mit dem Hund zu wedeln. Und dass es völlig egal ist, was vor der Wahl versprochen wurde, weil danach ohnehin die Realität die Richtung vorgibt, der man folgen muss. Egal, wie schwer es fällt.
Nun soll die neue Regierung beweisen, was sie anders und vor allen Dingen besser machen wird. Obwohl jeder neuen Regierung eine hunderttägige Schonfrist eingeräumt wird, wollen CDU/CSU und SPD schon nach hundert Tagen liefern und erste Ergebnisse vorlegen. Das erwartet die Wirtschaft und die Bevölkerung. Lassen wir das schwarz/rote Kabinett Merz also arbeiten.
Gut, verlassen wir die Niederungen der deutschen Politik und begeben uns zum Zollstreit, den das Weiße Haus und sein Hausherr losgetreten haben. Die Verhandlungen mit China kommen langsam ins Laufen, aber auch die EU hat einen Handelskommissar, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt. Die EU ist nach Darstellung von Handelskommissar Maros Sefcovic unter keinem Druck, überstürzt mit den USA einen schlechten Deal im Zollstreit einzugehen. “Wir fühlen uns nicht schwach”, sagte Sefcovic. Es müsse keine Lösung akzeptiert werden, die für die EU-Seite nicht fair wäre. Die Europäische Union sollte mit anderen Ländern ihre Handelsbeziehungen vertiefen und verspüre ein großes Interesse in unterschiedlichen Wirtschaftsregionen.
Der Löwenanteil des internationalen Handels entfalle auf andere Staaten außerhalb der USA. So gebe es bereits mit Indien, Indonesien, Thailand und Malaysia Verhandlungen über Freihandelsabkommen. Diese laufen zum Teil aber schon seit vielen Jahren, ohne dass jetzt eine schnelle Einigung absehbar ist. Das Mercosur-Abkommen ist zwar unterschrieben, wartet aber noch auf die Ratifizierung durch die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. In den kommenden Wochen bis Anfang Juli will die EU mögliche Gegenmaßnahmen im Handelskrieg mit den USA vorbereiten. Die neuen US-Zölle von Präsident Donald Trump würden derzeit 70 Prozent der europäischen Exporte in die USA betreffen, sagte Sefcovic vor Abgeordneten im EU-Parlament. Es könnten 97 Prozent werden, sollten weitere Branchen ins Visier genommen werden. Die USA drohen unter anderem noch mit Sonderzöllen auf Pharmaprodukte und Halbleiter, und jetzt sogar auf Filme. Nun, da hat wohl jemand einen schlechten Horrorfilm gesehen. Aber die EU hat ihr Pulver noch längst nicht verschossen. Die Agentur Bloomberg meldete, die EU plane zusätzliche Zölle auf US-Waren im Wert von etwa 100 Milliarden Euro zu erheben, falls die laufenden Handelsgespräche scheiterten.
In die Lücke, die der US-Präsident mit seinem Vorgehen gegen langjährige Partner der USA reißt, will China vorstoßen. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking sagte, die Volksrepublik würde Besuche von EU-Ratspräsident Antonio Costa und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zur gegebenen Zeit begrüßen. Es werde noch in diesem Jahr hochrangige Gespräche mit der EU geben – zu den Themen Wirtschaft und Handel, grünen Technologien und der Digitalisierung. Na bitte, geht doch, möchte man dazu sagen.
Ok, das wird dem Mann im Weißen Haus nicht gefallen, er versteht nach eigenem Bekunden viel mehr von Zinsen, aber sei es drum. Die US-Notenbank Federal Reserve hält den Leitzins konstant. Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell beließen den geldpolitischen Schlüsselsatz in der Spanne von 4,25 bis 4,50 Prozent. Zu diesem Satz können sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen. Der Schritt wurde von Analysten erwartet. Der US-Präsident hatte die Fed in den vergangenen Wochen mehrfach aufgefordert, die Zinsen zu senken. Die Notenbank begründete ihr Vorgehen unter anderem damit, dass das Risiko einer höheren Inflation gestiegen sei – und dürfte damit auch auf die aggressive Zollpolitik anspielen.
Wie war das doch noch mal mit dem Handelsdefizit, das der Mann im Weißen Haus abbauen wollte? In Erwartung weiterer Zollankündigungen und somit drohender höherer Importpreise für Unternehmen stiegen die US-Importe im März mit 419 Milliarden US-Dollar auf ein Allzeithoch. Diese Hamsterkäufe sorgten für eine Ausweitung des US-Handelsbilanzdefizits auf rund 140 Milliarden US-Dollar – ebenfalls ein neues Rekordhoch. Ein wachsendes Defizit kann den US-Dollar schwächen, was Exportsektoren wie der Informationstechnologie zugutekommt, jedoch die Importpreise und die Inflation erhöht. Da könnte infolge dessen die US-Wirtschaft noch lange auf eine Zinssenkung warten.