Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Die Freude an den Börsen über den Wahlsieg Donald Trumps könnte sich noch als Strohfeuer erweisen und die optimistischen Prognosen schließlich ad absurdum führen.
Bereits vor der Amtseinführung von Donald Trump sorgt er geopolitisch für Unruhe. So spricht er von einem Anschluss Kanadas und Grönlands, und auch den Panamakanal will er vereinnahmen. Der Golf von Mexiko soll zukünftig „Golf von Amerika“ heißen. Um dies zu erreichen, schloss er auf Nachfragen den Einsatz militärischer Mittel nicht aus. Natürlich weiß niemand, wie viel von dem, was Trump sagt, tatsächlich ernst gemeint oder was nur Bluff ist, um Deals zu erzwingen. Aber Mut macht das Ganze nicht.
Bisher haben die Aktienmärkte, vor allem in den USA, Trump als positiven Faktor betrachtet. Das könnte sich allerdings schnell ändern, sollte er die genannten Ziele tatsächlich ernsthaft verfolgen. Für Europa könnte es dann wirklich der Weckruf sein, von dem ich hier vor einigen Wochen geschrieben habe. Schon jetzt ist erkennbar, dass die europäischen Länder in ihrer Reaktion auf Trumps Äußerungen enger zusammenrücken.
Wenn sich Europa nicht erpressen lässt, droht ein Handelskrieg
Eine große Feuerprobe wird jetzt der Digital Services Act (DSA), der in Europa regelt, dass Internetplattformen wie Meta oder X (ehemals Twitter) gegen Fake News und Desinformation vorgehen müssen. Doch während sich Meta in den USA von dieser „Zensur“, wie es plötzlich heißt, verabschieden will und X, das mittlerweile Elon Musk gehört, diese in Europa teilweise schon jetzt nicht mehr einhält, steht die Frage im Raum, ob die Europäische Union (EU) den Mut hat, ihre eigenen Gesetze gegen die großen amerikanischen Internetkonzerne durchzusetzen. Die EU müsste bei Nichteinhalten Milliardenstrafen verhängen und würden diese nicht bezahlt, bliebe am Ende nur ein Verbot von Instagram, Facebook und X. Trump hat bereits mit harten Zöllen gedroht, sollte die EU den DSA gegen US-Unternehmen anwenden. Ob sich die EU erpressen lässt, ist die große Frage.
Es stehen nicht nur wirtschaftliche Interessen auf dem Spiel – Facebook und Instagram sind für viele Menschen mittlerweile ein Teil des Lebens geworden und europäische Alternativen gibt es nicht. Der Protest der Verbraucher wäre vorprogrammiert.
Es ist zu vermuten, dass für viele Menschen die reine Existenz sozialer Medien wichtiger ist als die Frage, ob dort falsche Inhalte verbreitet werden. Ein nicht unerheblicher Teil saugt diese Inhalte ohnehin mit Freude auf und glaubt sie bereitwillig, wenn sie zur Weltanschauung passen. Doch wie immer es auch ausgeht, eines ist sicher: Die Situation liefert Stoff für Unsicherheit, die auch an den Aktienmärkten für Turbulenzen sorgen könnten.
Man stelle sich vor, die Exportindustrie Europas würde sich deutlichen Zöllen ausgesetzt sehen, während die großen Internetkonzerne in Europa fast ihre gesamten Umsatzanteile verlören oder ihre Gewinne durch Milliardenstrafen aufgefressen werden. In Kriegen verlieren fast immer alle beteiligten Parteien. Es wäre das berühmte gegenseitige „Sandburg zertreten“. Und niemand soll sagen, man hätte es nicht wissen können. Trump hat seine Pläne sehr offen im Wahlkampf kommuniziert.
Die USA nehmen sich Grönland, und China Taiwan?
Was bedeuten Trumps geopolitische Ambitionen für Taiwan? Eines ist klar: Trump sieht den Hauptgegner vor allem in China. Mit seinen Ansprüchen auf Grönland und dessen Rohstoffe sowie auf mögliche Handelswege, die bei weiterer Eisschmelze entstehen würden, will er die Ausdehnung des chinesischen Einflusses verhindern.
Die Beanspruchung des Panamakanals gehört genauso dazu. Hierauf will er die Kräfte der USA konzentrieren und nicht auf der Verteidigung der Ukraine gegen Russlands Angriffskrieg.
Wenn Trump meint, er könne Grönland und andere Gebiete beanspruchen, könnte er im Gegenzug akzeptieren, dass China sich Taiwan einverleibt. Womöglich schwebt ihm eine in zwei Machtblöcke geteilte Welt vor. Das wäre allerdings ein schlechter Deal.
Denn was würde dies für die Chipindustrie und die Weiterentwicklung auf Feldern wie der künstlichen Intelligenz (KI) bedeuten? Schon heute warnen Vertreter der Chipindustrie, dass eine weitere Verschärfung des Chipkrieges zwischen den USA und China zu massiv steigenden Preisen und zu Kapazitätsengpässen führen könnte.
Fakt ist: Der Westen besitzt den Lithografen von ASML für die 2-Nano-Technologie, während China große Teile der Produktionskapazitäten hat, zumindest bei Standardhalbleitern. Sollte China Taiwan übernehmen, würde es auch die Kontrolle über den größten Teil der High-End-Chip-Produktion, etwa von Nvidia, gewinnen.
Langfristige Zinsen steigen immer weiter
Die Unsicherheit darüber, was unter Donald Trump noch kommen könnte, macht sich mittlerweile zwar noch nicht beim US-Dollar bemerkbar, sehr wohl aber bei den Renditen langfristiger US-Staatsanleihen. Diese steigen immer weiter und haben bereits 2023 zu erheblichen Börsenverlusten geführt.
Der Dollar profitiert zunächst von den in den USA attraktiven Renditen. Der Anstieg der Zinsen dürfte zum einen auf die Sorge zurückzuführen sein, dass ausländische Staaten wie China keine US-Staatsanleihen mehr kaufen könnten. Zum anderen wird unter Trump ein erneuter Anstieg der US-Verschuldung erwartet. Außerdem bleibt die Inflation hartnäckiger als gedacht, was die kürzlich geäußerte Hoffnung auf Zinssenkungen als übertrieben erscheinen lässt.