Eine Übernahme muss vorbereitet werden, die Aktionäre müssen dem Deal zustimmen, zumal wenn es sich um ein kriselndes Unternehmen wie unser Depotwert Walgreens handelt.
Der Apotheken- und Drogeriemarkt in den USA steht vor einem Machtwechsel: Walgreens Boots Alliance wird bald in privater Hand landen. Während der Boots-Aufsichtsratsvorsitzende Stefano Pessina seinen Anteil massiv aufstocken will, zieht sich Großinvestor Axa fast vollständig zurück. Doch kann die milliardenschwere Übernahme den angeschlagenen Konzern retten?
Hinter den Kulissen tobt ein Machtpoker um die Zukunft von Walgreens. Private-Equity-Firma Sycamore Partners plant eine Übernahme im Wert von 10 Milliarden Dollar mit weitreichenden Folgen: Boots-Chef Stefano Pessina würde seinen Anteil von bisher 17 Prozent auf fast 50 Prozent erhöhen, während Sycamore die Mehrheitskontrolle übernehmen soll. Die Pläne, erstmals im März 2025 bekannt geworden, befinden sich noch in der finalen Abstimmung.
Die Übernahmepläne kommen zu einem kritischen Zeitpunkt: Walgreens kämpft seit Monaten mit rückläufigen Umsätzen, steigenden Schulden und der Schließung von Filialen im britischen Boots-Geschäft. Der Druck durch Online-Apotheken und digitale Konkurrenten setzt dem einstigen Branchenprimus weiter zu. Zwar will Sycamore die Kernmarken Walgreens und Boots erhalten – doch welche strategische Wende genau geplant ist, bleibt unklar.
Während Pessina und Sycamore zuschlagen, flüchten andere: Der Versicherungsriese Axa hat seine Walgreens-Position im vierten Quartal um satte 98,4 Prozent reduziert – von ursprünglich 1,7 Millionen auf nur noch 26.871 Aktien. Eine dramatische Abkehr, die die Skepsis vieler institutioneller Anleger widerspiegelt.
Aber wer ist Sycamore? Sycamore Partners ist eine amerikanische Private-Equity-Gesellschaft mit Sitz in New York, die sich auf Investitionen im Einzelhandel und Konsumgüterbereich spezialisiert hat. Das Unternehmen verfügt über ein gebundenes Kapital von insgesamt rund 10 Milliarden US-Dollar.
Sycamore wolle 11,45 Dollar pro Walgreens-Aktie in bar zahlen, teilte Walgreens am Donnerstag in New York mit. Zusätzlich winken unter bestimmten Voraussetzungen bis zu drei Dollar zusätzlich. Das Vorhaben kommt insgesamt auf einen Wert von 23,7 Milliarden Dollar. Walgreens Boots Alliance soll nach der Übernahme von der Börse genommen werden, um sich als privates Unternehmen vollständig seiner neuen Ausrichtung widmen zu können, wurde Konzernchef Tim Wentworth zitiert. Damit verschwindet unser NDAC–Clubfondswert von den Börsenplätzen. Die Anteilseigner, die das nicht annehmen, werden wohl im Rahmen eines Squeeze out Verfahrens (zwangsweiser Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft) aus dem Unternehmen gedrängt. Dagegen könnten diese klagen und in einem langwierigen Prozess die Ressourcen wesentlich beeinflussen. Deshalb wird Sycamore versuchen, die Minderheitsaktionäre mit einem erweiterten Angebot in bar abzufinden.
Allzu viele dürften es nicht mehr sein, denn die Aktionäre von Wallgreens haben am 11. Juli 2025 der Übernahme des Unternehmens durch Sycamore Partners mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Auf einer Hauptversammlung sprachen sich rund 96 Prozent der abgegebenen Stimmen für die Transaktion aus. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass wohl noch einige verbliebene Aktionäre ihre Aktien dem neuen Eigentümer angedient haben. Ein möglicher Prozess gegen ein Squeeze out birgt auch für die klagende Partei ein hohes Risiko, speziell in den USA.
Wie eingangs schon erwähnt, dauert so eine Übernahme seine Zeit um in geordneten Bahnen zu erlaufen. Deshalb wird der Abschluss der Transaktion für das dritte oder vierte Quartal erwartet. Natürlich vorbehaltlich der üblichen Abschlussbedingen und behördlichen Genehmigungen.
Walgreens Boots Alliance betreibt rund 12.500 Apotheken- und Einzelhandelsstandorte in den USA, Europa und Lateinamerika und beschäftigt in acht Ländern etwa 312.000 Mitarbeiter. Mit einem Jahresumsatz von 154,6 Milliarden Dollar gehören zu den Verbrauchermarken des Unternehmens Walgreens, Boots, Duane Reade, No7 Beauty Company und Benavides.
Das Walgreens Boots unter dem neuen Dach den Namen weiterführen wird, dürfte wohl im Interesse der neuen Eigentümer sein, denn es handelt sich bei dem Unternehmen auch um einen eingeführten Markennamen. Die Gründung erfolgte Anfang des letzten Jahrhunderts, genauer gesagt 1901.
Wenn es dem Finanzinvestor Sycamore gelingen sollte, durch Umstrukturierungen die Kette wieder profitabel zu machen, ist es durchaus möglich, dass Walgreens wieder an die Börse zurückkehren wird. Allerdings wird dann das durch den Börsengang eingenommene Kapital zum größten Teil, wie in solche Fällen üblich, erst einmal bei Sycamore verbleiben. Der Finanzinvestor trägt schließlich vorerst das Risiko allein und muss neben dem Kaufpreis und der Zinslasten auch seine bestimmt sehr hohen Restrukturierungskosten wieder einspielen. Und natürlich sollte auch ein Profit dabei herausspringen.
Aber vielleicht kommt es schon früher zu einem Börsengang. Sycamore möchte nach Abschluss wohl das Kerngeschäft von Walgreens behalten. Dieses beinhaltet das US-Retailgeschäft. Andere Teile des Konzerns könnten dagegen weiterverkauft bzw. schon früher an die Börse gebracht werden.
