Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Informationen für sich genommen sind Rohmaterial, müssen erst be- und dann verarbeitet werden. Das gilt gerade für die Finanzmärkte, auf die täglich eine wahre Flut von Nachrichten einströmt, die unverzüglich von Ökonomen und Analysten interpretiert werden, so dass am Ende Anlageentscheidungen herauskommen können – oder auch nicht.
Eine Besonderheit: Für einflussreiche Informationen, deren Veröffentlichungstermine bekannt sind, gibt es schon vorher eine Meinungsbildung unter den Marktteilnehmern, die in die Kursbildung einfließt. Dann werden ausstehende Informationen vorab „eingepreist“. Wenn sich später bei Veröffentlichung herausstellt, dass die Märkte richtig spekuliert hatten, hat die Info keine (oder kaum eine) Wirkung mehr.
Aktuell ist die Nachrichtenlage durchaus „gemischt“, wie sich heute wieder gezeigt hat. Denn der Ifo-Geschäftsklimaindex, der allmonatlich besonders breite Aufmerksamkeit findet, ist differenziert ausgefallen: Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist im Oktober auf den niedrigsten Stand seit Mai 2020 gefallen. Allerdings gab das Ifo-Geschäftsklima zum Vormonat nur leicht um 0,1 Punkte auf 84,3 Zähler nach. Ökonomen hatten eine deutlich stärkere Eintrübung auf im Schnitt 83,5 Punkte erwartet. Bereits im Vormonat war Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer gesunken.
Nicht ganz eindeutig auch eine andere Erhebung: Trotz widriger Umstände sehen sich deutsche Konzerne einer Studie zufolge krisenfester aufgestellt als noch zu Beginn der Pandemie. Zudem steigt die Bereitschaft, sich mit Investitionen vor Krisen zu schützen, wie aus dem heute veröffentlichten „Future Readiness Index“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG hervorgeht. Spürbar bergab ging es jedoch mit der Zuversicht in den Konzernen. Fast ein Drittel der Befragten bezeichnete das allgemeine Stimmungsbild als pessimistisch oder sehr pessimistisch – fast doppelt so viele im Vergleich zur ersten Befragung im Jahr 2018. Den Autoren zufolge rührt der Trend vor allem aus dem russischen Angriff auf die Ukraine und dessen wirtschaftlichen Folgen.
Und so klangen die spontanen Reaktionen der Analysten auf den Ifo-Bericht: „Deutschlands wichtigster Frühindikator hat erste Signale gesendet, dass sich die Lage zumindest nicht verschlechtert. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass es bald auch besser wird.“
„Dass das Ifo-Geschäftsklima im Oktober faktisch nicht weiter gefallen ist, ist keine Entwarnung. Denn im Vormonat war das Geschäftsklima förmlich eingebrochen. Das Geschäftsklima befindet sich weiter auf Niveaus, bei denen die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit geschrumpft war.“
„Die gute Nachricht ist: Die Stimmung der deutschen Unternehmen hat sich im Oktober nur unwesentlich eingetrübt. Das darf man getrost auch auf die von der Bundesregierung beschlossenen Energiepreisbremsen zurückführen. Diese werden im kommenden Frühjahr wirksam und tragen so zur Stabilisierung der Geschäftserwartungen bei. Für die nahe Zukunft braut sich aber zunehmend Ungemach zusammen: Immer häufiger berichten die Unternehmen von Nachfragerückgängen, die die Ertragslage dämpfen werden, während gleichzeitig die Kostenbelastung weiter ansteigen wird.”
„Alles in allem war die Veröffentlichung besser als erwartet, aber immer noch nicht genug, um uns davon zu überzeugen, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Quartal der Rezession entkommen wird. Was die Inflation betrifft, so rechnet jedes zweite Unternehmen in den kommenden drei Monaten mit Preiserhöhungen. Das unterstreicht unsere Einschätzung, dass die Inflation in nächster Zeit hoch bleiben wird.”
Was kann man jetzt tun? Ich plädiere seit langem für die Entwicklung möglichst vieler Privatanleger zu „Selbstentscheidern“ – ob mit oder ohne professionelle Beratung. Wenn besonders gewichtige Belastungsfaktoren die Börsen bewegen und für starke Kursschwankungen sorgen („Volatilität“), fallen Anlageentscheidungen naturgemäß besonders schwer. Deshalb sei dem „normalen“ und noch nicht besonders erfahrenen Anleger vorgeschlagen, sich für eine der drei folgenden Alternativen zu entscheiden: Bis auf Weiteres keine Investments vorzunehmen, sondern erst einmal zuzuschauen. Oder nur einen kleinen Teil des verfügbaren Kapitals anzulegen – vorsichtshalber, aber um dennoch dabei zu sein. Oder das Kapital gaaanz langfristig in Aktien / Aktienfonds zu investieren (falls noch nicht geschehen), etwa in einem Sparplan für die private Vorsorge.