Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Die chinesische Wirtschaft ist im ersten Quartal deutlich stärker gewachsen als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte von Januar bis März dieses Jahres um 5,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu, wie das Statistikamt in Peking mitteilte.
Die Konjunktur-Prognosen für Deutschland dagegen sind mau – und in jüngster Zeit noch pessimistischer geworden. Nun senkte auch der Internationale Währungsfonds seinen Ausblick für unser Land. Der IWF traut der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr nur noch 0,2 Prozent Wachstum zu. Es kann auch durchaus noch tiefer gehen, kommt darauf, mit welchen Ökonomen man spricht und welche politischen Fehlentscheidungen in Berlin oder Brüssel bzw. Straßburg noch getroffen werden.
Und jetzt reiste der deutsche Bundeskanzler nach China, um dort… ja, was eigentlich?
Gut drei Stunden saß Xi Jinping mit seinem Gast aus Deutschland beisammen, 45 Minuten unter vier Augen, ein Mittagessen in einer größeren Runde. Beim Thema Ukraine habe sich Xi offener gezeigt als früher, gesprächsbereiter. Das Wort Frieden nehme er jetzt mal in den Mund und man hielt fest, sich an die Charta der Vereinten Nationen zu halten. Wobei die Nachricht daran eigentlich ist, dass man das dieser Tage noch schriftlich betonen muss. So dürfen wir davon ausgehen, dass China keinen Frieden will, wir haben aber mal wieder darüber gesprochen.
Die westlichen Sanktionen haben der Volksrepublik große Spielräume in Russland eröffnet, speziell in Fernost, wo die chinesischen Händler mittlerweile zum vertrauten Straßenbild gehören. Und auch so hängt der kleine russische Bär am Tropf des großen chinesischen Drachen. Wer weiß, wie langfristig die chinesische Politik ausgerichtet ist, der wird sich nicht über die Spekulationen einiger einflussreicher chinesischer Kreise wundern, dass China ja sehr viel Territorium an die Russen in den Auseinandersetzungen vergangenen Jahrhunderten verloren hat und diese Ländereinen wieder zurückholen sollte. Nicht umsonst wird Wladiwostok im fernen Osten immer öfter mit dem chinesische Namen Haishenwai (deutsch: Seegurkenbucht) bezeichnet.
Aber erst einmal steht die Rückführung Taiwans auf der Agenda der Chinesen. Und auch hier wollen die chinesischen Politiker weiter die Lage studieren und aus dem russischen Ukrainefeldzug lernen, bzw. anders gesagt, sich auf die wirtschaftlichen Sanktionen des Westens vorbereiten und eine erfolgreiche Abwehrstrategie entwickeln. Schließlich möchte man 2049 das 100 jährige Bestehen der Volksrepublik im wieder vereinten China feiern.
Das China seine Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zurückgeführt hat, ließ man den deutschen Bundeskanzler spüren, als er versuchte die Probleme der deutschen E-Autoproduzenten und der Solarindustrie auf dem Verhandlungsweg wenigstens ansatzweise zu lösen. China subventioniert im Bereich der Autoproduktion oder der erneuerbaren Energien manche Firmen so sehr, dass diese zu viel produzieren – und ihre Waren zu Billigpreisen auf den europäischen Markt werfen.
In seinem Gespräch mit Li Qiang äußerte der Kanzler offen seine Bedenken über die chinesischen Überkapazitäten. Das missfiel dem Ministerpräsidenten offenbar so sehr, dass er beim gemeinsamen Auftritt in ein Referat verfiel, das so klang, als sei er nicht in der kommunistischen Partei groß geworden, sondern ein Schüler des österreichischen neoliberalen Ökonomen Friedrich August von Hayek. Er wolle doch mal auf die Theorie von Angebot und Nachfrage aufmerksam machen, sagte Li Qiang. Man solle die Angelegenheit doch bitte “aus der Sicht des Marktes sehen”. Manche Firmen gingen eben auch mal bankrott. Oder um es mit Habecks Worten zu sagen, sie hören einfach auf zu produzieren.
In Deutschland spricht niemand mehr groß über die verfehlte neue Chinastrategie der Bundesregierung. Wir haben sie unseren Lesern ausführlich vorgestellt. Aber China hat sie wohl sehr genau studiert und auch nicht vergessen, wie wir es damals voraus gesehen haben. Die Irritationen sind auch sehr offensichtlich. Jedenfalls wirkte es, als müsse sich Scholz schwer bemühen, den Chinesen zu versichern, man wolle sich keinesfalls von China entkoppeln. Es gehe darum, die Zusammenarbeit “in allen Dimensionen” weiterzuentwickeln, betonte der Kanzler. Das klang nicht danach, als nehme er die restriktive Strategie der eigenen Regierung sonderlich ernst. Im Gegenteil, Bundeskanzler Olaf Scholz bemühte sich, die Fehler seines grünen Koalitionspartners, speziell der Außenministerin, zu entschärfen.
In der Riege der Konzernchefs, die ja auch ihre Vertreter in der Wirtschaftsdelegation entsandt hatten, muss man lange suchen, um jemanden zu finden, der die Gefahren einer engeren wirtschaftlichen Verzahnung wenigstens ansatzweise ernst nimmt. Der Handel soll blühen, die EU bloß die Finger davonlassen, Zölle zu erheben, um sich gegen die Flut an Billigprodukten zu wehren. Das ist der Tenor. Wir hatten schon oben über die geplante und bevorstehende Annexion Taiwans geschrieben. Und auch mehrfach auf das Problem von Wirtschaftssanktionen seitens der USA hingewiesen, die dann auch deutsche Firmen mit Chinakontakten treffen werden. Sollen etwa die Folgen der Auseinandersetzung (Primär- und Sekundärsanktionen) auf den deutschen Steuerzahlen abgewälzt werden?! Fragt man sich schon mal als Anleger und natürlich auch als Bürger unseres Landes.
Damit die Reise nicht ganz umsonst war, hat sie doch noch ein Leckerli für die deutsche Landwirtschaft zu bieten. Das Reich der Mitte hat sich bereit erklärt, jahrelang bestehende Handelsbarrieren für Produkte der deutschen Landwirtschaft abzubauen. Zunächst geht es um Rindfleisch und Äpfel, weitere Waren sind im Gespräch.
Ob ein deutscher Bundeskanzler allerdings dafür drei Tage Zeit angesichts der vorher absehbaren Resultate und der aktuellen Krisen in der Welt in China weilen muss, darf man als Steuerzahler durchaus einmal kritisch hinterfragen.