
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Die Frage können sich Anleger durchaus stellen, wenn sie die Märkte und die damit verbundenen Indizes so betrachten. Erstmals seit vielen Jahren verbessern sich die Aussichten für Aktien außerhalb der USA. Das hat mehrere Gründe: Konjunkturprogramme in Deutschland, Unternehmensreformen in Japan und Südkorea, die Abwertung des US-Dollar, Anzeichen für eine Stabilisierung in China und ein wesentlich besseres politisches Umfeld in Europa.
Nicht die US-Aktien sind gut ins Jahr 2025 gestartet: Der MSCI Europe, der MSCI EAFE (Aktienindex, der die Aktienperformance der Industrieländer außerhalb der USA und Kanada misst) und der MSCI ACWI ex USA (Index bildet Large- und Mid-Cap-Unternehmen in Industrieländern (ohne die USA) und Schwellenländern. Der Index deckt rund 85 Prozent des globalen Aktienmarktpotenzials außerhalb der USA ab und haben solide Gewinne erzielt, während der S&P 500 eingebrochen ist.
Ok, natürlich sind das nur Momentaufnahmen. Ein Satz, ein Tweed oder eine Entscheidung aus dem Weißen Haus kann alles wieder ändern (bis zum nächsten Kracher, möchte ihr Autor ergänzen!).
Aber wir haben doch einiges getan in Europa besonders in Deutschland, so frei nach dem Motto „Koste es, was es wolle.“ Nach der Veröffentlichung eines Berichts des Volkswirts und früheren italienischen Premierministers sowie EZB-Chefs Mario Draghi zur Wettbewerbsfähigkeit Europas konzentrieren sich die Mitgliedsländer der Europäischen Union auf die Wiederbelebung ihrer Wirtschaft und auf die steigenden Handelsspannungen mit Partnerländern wie den USA und China.
Im März hatte Deutschland – bekanntlich die größte Volkswirtschaft Europas und berühmt für seine Sparsamkeit – eine der größten haushaltspolitischen Wenden seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 bekanntgegeben. Außerdem scheint sich auch das aufsichtsrechtliche Umfeld zu verändern: Investitionen werden gefördert und man zeigt sich offen für Veränderungen, auch in bisher wie in Stein gemeißelten Positionen. Europäische Geschäftsbanken, die mittlerweile rentabler geworden sind und hohe Kapitalreserven angehäuft haben, dürften ebenso von den Staatsausgaben profitieren wie deutsche Unternehmen aus den Bereichen Verteidigung, Baustoffe und Infrastruktur. Eine ganze Reihe attraktiver Unternehmen wie europäische Versicherungen, Telekommunikationsanbieter und Versorger gelten als robuste Dividendenzahler, die die US-Zölle kaum spüren werden. Einigen könnte eine weitere Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar zugutekommen.
Das neue Bundeskabinett hat am Mittwoch letzter Woche ein milliardenschweres Steuerpaket zur Entlastung der Wirtschaft abgesegnet. Unternehmen sollen 2025 bis 2029 um fast 46 Milliarden entlastet werden. Das Problem dabei ist nur, das Bund, Länder und Kommunen mit geringeren Steuereinnahmen in dieser Höhe kalkulieren müssen. Der zu erwartende Widerstand im Bundesrat wird dennoch nicht so hoch sein, weil Länder und Kommunen davon sehr wohl profitieren werden.
Besonders erwähnenswert sind die neuen Superabschreibungen auf Investitionen von je 30 Prozent auf drei Jahre. Ab 2028 beginnend ist noch eine Absenkung der Körperschaftssteuer um je ein Prozent für die nächsten fünf Jahre vorgesehen, am Ende werden es nur noch international durchaus konkurrenzfähige zehn Prozent sein. Ob nun unbedingt die 75-prozentige Förderung der E-Autos für Unternehmen sein musste, lassen wir einmal dahingestellt.
Die Nato hat angesichts der Bedrohung durch Russland das größte Aufrüstungsprogramm seit Jahrzehnten beschlossen. Es sieht vor, die Fähigkeiten zur Abschreckung und Verteidigung in den kommenden Jahren extrem auszubauen. Dies verlautete nach einer Sitzung der Verteidigungsminister der Bündnisstaaten in Brüssel. Das wird die Rüstungsaktionäre freuen.
Vor dem Treffen hatte bereits Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärt, dass die Bundeswehr für die neuen Nato-Planungsziele bis zu 60.000 aktive Soldaten zusätzlich benötige. Und genau das wird das Problem werden. Woher nehmen wir die? Es ist ja nicht mehr so, wie der Wehrdienst früher abgelaufen ist. Heute müssen Soldaten die immer kompliziertere Wehrtechnik beherrschen. Wenn die Bundeswehr auf dem freien Arbeitsmarkt ihre Fachkräfte für viel Geld anwerben muss, dann ist die freie Wirtschaft gefordert, ebenfalls eine Schippe draufzulegen. Im Gegensatz zur BW verfügen die Unternehmen aber nicht über ein heimliches Sondervermögen. Zum anderen, ist es mit einer Wehrpflicht nicht getan, denn das erwähnte und geplante eine Jahr wird für die Beherrschung der modernen Technik nicht ausreichen. Wir werden sehen, wie der Kampf um das knappe „Humankapital“ ausgeht.
Alles andere wäre eine Sondermeldung wert gewesen, aber die Europäische Zentralbank senkt zum achten Mal seit Juni 2024 die Leitzinsen im Euroraum. Der für Banken und Sparer wichtige Einlagenzins wird um 0,25 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent verringert, wie die Notenbank in Frankfurt mitteilte. Es war erwartet worden, die Inflationsrate ist im Rahmen des Zwei-Prozent-Ziels und der Konjunkturmotor läuft nicht so rund wie er sollte. Die Zinssenkung ist für die Kreditnehmer gut, die als Privat- oder Unternehmenskunden einen Kredit benötigen. Und am meisten dürfte sich der deutsche Staat freuen. Jetzt werden die als Sondervermögen getarnten Staatsschulden noch etwas billiger. Manches deutet darauf hin, dass die nun beschlossene Zinssenkung die vorerst letzte im Euroraum war. Selbst Befürworter einer lockeren Geldpolitik wie Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras erwarten nach der Juni-Zinssenkung eine Pause, wie er kürzlich sagte.
Na, ja ist auch irgendwie verständlich, es ist Sommerpause angesagt, auch bei den Zentralbankern. Und der Euro ist stark genug, um sich einen kostengünstigen Urlaub in Nicht-Euro-Ländern zu gönnen.