Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Die US-Notenbank hat den Leitzins wie erwartet zum vierten Mal in Folge außergewöhnlich kräftig angehoben. Sie erhöhte ihn am Mittwoch erneut um einen Dreiviertel-Prozentpunkt und somit auf die neue Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent. Damit liegen die Zinsen jetzt auf dem höchsten Niveau seit 2008.
Aber die Fed hat jetzt jedoch mehr Flexibilität bei ihrem weiteren Vorgehen signalisiert. So betonten die Notenbanker zwar, dass die Zinsen weiter steigen werden, um die Inflation „mit der Zeit zurück zu dem Zwei-Prozent-Ziel zu bringen“, heißt es in ihrem Statement. Zum ersten Mal räumte die Notenbank jedoch explizit ein, dass sie die „kumulativen Effekte“ ihrer Geldpolitik berücksichtigen wird, genauso wie die „Verzögerungen“, mit der die Zinspolitik in der US-Wirtschaft ankommen. Schön ausgedrückt, dass die Inflation erst einmal nicht einfach wieder gehen wird. Aber Analysten werten das als ein positives Signal für die Märkte. Viele Anleger hatten gehofft, dass die Fed nach dieser Zinserhöhung etwas behutsamer vorgehen wird, auch um die Stabilität an den Finanzmärkten nicht zu gefährden. Am Geldmarkt wurde in einer ersten Reaktion eine Leitzinserhöhung von nur noch 0,5 Prozentpunkten im Dezember eingepreist. Die Renditen der US-Staatsanleihen gaben nach, Aktienindizes und Rohstoffpreise legten zu, die US-Währung gab gegenüber dem Euro um einen Prozentpunkt nach.
In der anschließenden Pressekonferenz betonte Fed-Gouverneur Jerome Powell jedoch, dass die Fed sich nicht auf die Höhe der einzelnen Schritte, sondern auf den finalen Zinssatz fokussiere, an dem dieser Zinserhöhungszyklus sein Ende finden werde. Der Arbeitsmarkt sei weiterhin überhitzt, die US-Wirtschaft stark und die Inflation viel zu hoch – daher wäre es sehr verfrüht, über eine Pause oder ein Ende der Zinserhöhungen nachzudenken. Während der Pressekonferenz Powells wurde am Geldmarkt daraufhin erneut ein Leitzins von rund fünf Prozent im Frühjahr 2023 eingepreist, weshalb die oben beschriebenen Marktbewegungen mehr als wieder rückgängig gemacht wurden. Die Aktienbörsen drehten deutlich ins Minus, die Staatsanleiherenditen über verschiedene Laufzeiten stiegen, der Dollar ebenso.
Wir werden sehen, wie die EZB bei ihrer nächsten Sitzung auf die Vorgaben der Fed reagieren wird.
Es sieht so aus, als befinden sich die Deutschen in einem Stimmungstief, dass es unmöglich macht, Hoffnungszeichen wahrzunehmen. Wie ein psychisch kranker Patient, der auf der berühmten Couch liegt und unter Depressionen leidet, klammert die breite Öffentlichkeit positive Nachrichten einfach aus. Dabei sind sie inzwischen unübersehbar. Krise und Rezession sind zwar da, aber sie gehen zu Ende. Dafür gibt es echt handfeste Hinweise.
Erstens: Die Gaspreise sinken wieder. Hauptgrund sind volle Gasspeicher in Europa. Füllstände über 90 Prozent sind die Regel, Belgien hat 100 Prozent erreicht, da geht kein Tropfen Gas mehr hinein. Mit sinkenden Energiepreisen (Gaspreisbremse, Energiepreisbremse etc.) geht – zweitens – die Inflation zurück. Die Maßnahmen der Zentralbanken tragen hier Übriges zur Trendumkehr bei, wenn sie konsequent dabei bleiben würden. Drittens: Die Aktienmärkte haben jüngst von düster auf freundlich gedreht. An ihnen werden bekanntlich die Erwartungen für die Zukunft gehandelt und die sind offenbar im grünen Bereich. Bessere Stimmung bringt auch, viertens, dass nach allem, was man weiß, der weitere Verlauf in Sachen Corona eher überschaubare Folgen haben wird. In Europa sind Ärzte und Regierungen dazu übergegangen, die Infektion mit den alljährlichen Grippewellen im Winter abzuhandeln (nur Karl Lauterbach ist vermutlich der Letzte, der noch mit Lockdowns rechnet). Klar wird auch, dass sich, fünftens, die Lieferketten entspannen. Der eine hat neue Lieferanten gefunden, der andere hat wieder mehr ins Lager gelegt oder lässt wieder in Deutschland produzieren. Und schließlich sechstens: Der Arbeitsmarkt bleibt trotz Negativfaktoren in der letzten Zeit stabil. Die Bundesagentur für Arbeit zeigt sich sehr vorsichtig, eine krisenhafte Entwicklung erwartet sie aber nicht, weil bisher auch keine Insolvenzwelle in Sicht ist und auch keine vorübergehende Produktionseinstellungen á la Habeck.
Das sind doch sechs gute Gründe, um wieder optimistisch auf die Märkte zu blicken, auch wenn die Aktienmärkte jetzt verstärkt Konkurrenz durch Zinsanlagen bekommen.
Sollten sich in der nächsten Woche die Midterms, die Zwischenwahlen in den USA, zugunsten der regierenden Demokraten ausgehen, dann haben wir einen weiteren Grund, optimistisch zu sein. Der Wahlkampf wird noch erbittert bis zum letzten Tag geführt. Und wenn die Republikaner die Mehrheitsverhältnisse im Kongress zu ihren Gunsten umkehren, dann geht die Welt auch nicht unter. Wir haben schließlich schon einen Republikaner namens Donald Trump überstanden.
Der Bundeskanzler wird einen schnellen Antrittsbesuch in China absolviert haben, wenn sie diesen Newsletter lesen. Eine Wirtschaftsdelegation, die ihn begleitet, hofft auf lukrative Geschäfte im Reich der Mitte.
Und in Brasilien hat Ex-Präsident Lula da Silva die Wahlen gewonnen. Ein Grund mehr für Olaf Scholz, auch dort einmal „Guten Tag“ zu sagen, schließlich handelt es sich um die größte Volkswirtschaft in Lateinamerika.