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Börsenwissen: Verlustverrechnung und Stichtag 15. Dezember

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des Niedersächsischen Anlegerclubs (NDAC)

Wir haben in den letzten Jahren gesehen, dass die Börsen nur noch eine Richtung kannten, nämlich gen Norden. Auf steigende Kurse bei ausgewählten Aktien (z. B. bei Technologiewerten oder Biotechnologie) zu setzen, war eine erfolgreiche Strategie, um ohne große Probleme Renditen aus Kursgewinnen zu generieren. Wenn zusätzlich noch Dividenden gezahlt wurden, umso besser und erfolgreicher ist die Anlagestrategie aufgegangen.

Aber nicht jede Anlagestrategie kann erfolgreich sein, denn sonst wären alle Anleger Gewinner und es gäbe keine Verlierer an den Börsen dieser Welt. Was schon aus technischen Gründen nicht funktioniert beim Anlegen.

Daher sollten erfahrene und neue Anleger ihre Strategie durchaus hinterfragen, wenn sie nur Verluste im Depot verursacht. Manchmal erwischen Anleger einfach den falschen Zeitpunkt beim Einstieg oder auch beim Ausstieg, sind falschen Informationen auf den Leim gegangen etc. Dann ärgert man sich zwar über die Verluste, aber Anleger sind auch Steuerzahler. Das bedeutet, sie müssen an ihren Gewinnen, die sie an den Börsen erzielen, das Finanzamt mit der Abgeltungssteuer von 25 Prozent beteiligen. Das geschieht automatisch durch die Bank, bei der das Depot geführt wird. Die Banken sind dazu verpflichtet, die Steuern abzuführen, wenn der Sparerfreibetrag (801 Euro für Ledige und 1602 für Verheiratete) ausgeschöpft ist.

Egal ob Zinsen, Dividenden oder Gewinne aus Wertpapierverkäufen, Privatanleger zahlen bekanntlich auf Kapitaleinkünfte keine Einkommenssteuer, sondern die fälligen 25 Prozent Abgeltungssteuer. Deshalb werden sie übrigens auch bei der Verlustverrechnung getrennt von anderen Einkünften steuerrechtlich betrachtet.

Da ist es nur recht und billig, wenn Vater Staat sich auch an den Verlusten der Anleger beteiligt. Verluste aus Kapitalgeschäften lassen sich mit Gewinnen aus Kapitalgeschäften verrechnen und senken somit die zu zahlende Steuer. Nun muss sich der anlegende Steuerzahler nicht selbst um die Angelegenheit kümmern, die Bank saldiert einzelne Geldanlageposten, ermittelt steuerpflichtige Kapitalerträge und führt die fälligen Steuern an das Finanzamt ab.

Die depotführende Bank hat zwei Töpfe für jeden Anleger eingeführt.
Im ersten Topf landen Verluste aus Aktienverkäufen, darunter auch Geschäfte mit börsennotierten Immobiliengesellschaften und sogenannten Vollrisikozertifikaten mit Andienungsrecht. Verluste aus Aktienverkäufen dürfen übrigens nur mit entsprechenden Gewinnen ausgeglichen werden. Wer jetzt denkt, dass Dividenden ja auch Gewinne sind und ein Ausgleich mit Verlustbringern erfolgen kann, befindet sich leider auf dem Holzweg. Das ist leider verboten.

Es gibt noch einen zweiten Topf, den die Banken führen. Dort werden alle übrigen Verluste aus Wertpapieranlagen und Termingeschäften verrechnet. Auch Stückzinsen, die Sparer beim Kauf von Anleihen bezahlt haben, haben Platz in diesem Topf. Diese Verluste können Anleger mit allen positiven Kapitalerträgen ausgleichen, also auch mit Zinsen und Dividenden, Fondserträgen etc.

Aber nicht jeder Anleger hat nur ein Depot bei einer Bank, sondern viele führen mehrere Depots bei jeweils anderen Banken. Die Kreditinstitute kennen aber nur die Depots, die der Anleger bei ihnen führt. Wollen Anleger aber depotübergreifend ihre erlittenen Verluste verrechnen, dann müssen sie selbst aktiv werden. Stichtag dafür ist der 15. Dezember laufenden Jahres. Bis zu diesem Termin müssen sie eine Verlustbescheinigung bei ihren Banken anfordern als Ergänzung zur Jahressteuerbescheinigung. Ein Antrag ist für jeden der beiden o. g. Verlusttopf einzeln möglich. In der Bescheinigung teilen die Depotbanken mit, welche Verluste sie bis Jahresende nicht ausgleichen konnten. Verbunden mit der Bescheinigung ist ein Ausbuchen der Verluste aus den internen Töpfen. Sie werden für den kommenden Zeitraum auf null gestellt. Vermieden wird damit eine nochmalige Verrechnung im Folgejahr, denn dann entfällt ein Verlustübertrag ins Folgejahr.

Wer seinen Steuerbescheid genau anschaut, wird feststellen, dass alle Steuerbescheide in den Fragen der Verlustverrechnung offen gehalten werden. Es scheint sich etwas zu tun auf dem Feld der Verluste. Dass sich Verluste aus Aktienverkäufen nur mit Gewinnen aus Aktienverkäufen verrechnen lassen, sehen die höchsten deutschen Finanzrichter am Bundesfinanzhof als verfassungswidrig an. Die sogenannte Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste, also die Trennung der beiden o. g. Töpfe, ist jetzt ein Fall für das Bundesverfassungsgericht unter dem Aktenzeichen BVerfG Az 2  BvL 3/21. Das heißt, steuerzahlende Anleger, die vom Verrechnungsverbot betroffen sind, können auf einen Einspruch verzichten. Bis zum Urteil der Roten Roben aus Karlsruhe führen die Banken die Töpfe für jedes Depot weiter. Das geht auch aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 19. Mai 2022 hervor. Zuviel gezahlte Steuern erstatten die Finanzämter unterjährig ebenfalls weiter.

Wer bis zum Jahresende Verluste aus Wertverkäufen erlitten hat, dessen Bank nimmt die Verluste automatisch ins neue Jahr mit. Die Möglichkeit einer Defizitverrechnung mit Gewinnen aus dem Vorjahr besteht auch weiterhin nicht. Daran wird höchstwahrscheinlich auch der Spruch aus Karlsruhe nichts ändern.