Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Jetzt ist es beschlossen, das EU-Parlament stuft Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke aller Voraussicht nach als klimafreundlich ein. Konkret ging es bei dem Votum um einen ergänzenden Rechtsakt zur sogenannten Taxonomie der EU. Sie ist ein Klassifikationssystem, das private Investitionen in nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten lenken und so den Kampf gegen den Klimawandel unterstützen soll. Für Unternehmen ist dies bekanntlich relevant, weil es die Investitionsentscheidungen von Anlegern beeinflussen und damit zum Beispiel Auswirkungen auf Finanzierungskosten von Projekten haben könnte. Investoren sollen außerdem in die Lage versetzt werden, Investitionen in klimaschädliche Wirtschaftsbereiche zu vermeiden.
Wir erinnern uns, unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schlug die für Gesetzesvorschläge zuständige EU-Kommission Ende vergangenen Jahres zusätzlich vor, auch Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich einzustufen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Frankreich, das in der Atomkraft eine Schlüsseltechnologie für eine CO2-freie Wirtschaft sieht und die Technik gerne auch weiter in andere Länder exportieren möchte. Deutschland setzte sich im Gegenzug für ein grünes Label für Gas als Übergangstechnologie ein.
Die Umsetzung des Kommissionsvorschlags kann noch verhindert werden, wenn sich lt. EU-Regularien bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Dass eine entsprechende Mehrheit im Rat der EU zustande kommt, gilt allerdings wegen des Interesses von vielen Staaten an der Nutzung von Kernkraft als ausgeschlossen. Dazu kommt das aktuell aufgrund der Energiekrise, Investitionen in die Sicherheit und auch Neuinvestitionen für die AKW dringend notwendig sind. SPD und Grüne stehen nun noch mehr unter Druck, sich mit der Verlängerung der AKW-Laufzeiten in Deutschland zu beschäftigen. Und die Grünen werden eh Probleme bekommen, wie sie den Einsatz von schädlichem Fracking-Gas aus den USA ihrer Basis erklären sollen.
Für die ESG-Fonds werden die EU-Beschlüsse eine Ausweitung des Anlagehorizonts bringen und damit auch vielfältige Renditechancen. Denn machen wir uns nichts vor, von den 440 weltweit tätigen Kernreaktoren sind 287 AKW älter als 30 Jahre und entsprechen damit nicht den Sicherheitsanforderungen. Da wird also sehr viel privates Kapital gefordert sein, denn die Staaten stecken alle in enormen Verschuldungen. Und was zieht Kapital heutzutage an? Richtig die Einhaltung der ESG-Kriterien und Rendite. Et voilà, hervorragend gelöst…
Auch wenn einige Länder und vor allem Klimaschützer Klagen gegen diesen Beschluss vorbereiten, dürften irgendwann in einigen Jahren gerichtliche Urteile darüber gefällt werden. Bis dahin sind Atomkraft und Erdgas erst einmal grüne Energien.
Fakt ist, der Einsatz der erneuerbaren Energien als Ausgleich für Kernenergie und Kohle wird sich trotz aller gegenteiliger Behauptungen und Bemühungen von Regierungsseite wohl doch noch hinziehen. Investitionen in Milliardenhöhe sind notwendig, die hat die Ampel-Regierung schon geplant. Aber versuchen sie heute einmal eine Firma für Fotovoltaikanlagen für ihr Haus zu finden. Die Fachkräfte dazu fehlen, denn die ehemaligen Solartechniker haben sich längst anderen Branchen zugewandt. Und nur eine montierte und einsatzbereite Solaranlage bringt etwas für die Energiewende und nicht die vielen Absichtserklärungen der Politiker. Gleiches gilt auch für den Ausbau der Windenergie und andere klimafreundliche Energiearten.
Das Erdgas teuer ist, wissen wir spätestens seit dem angedrohten Stopp der Lieferungen aus Russland. Aber nicht überall. Die US-Erdgaspreise verzeichneten im Juni den stärksten monatlichen Einbruch seit Dezember 2018. Die Futures für die Lieferung im nächsten Monat verloren 33 Prozent. Grund hierfür ist die vorübergehende Stilllegung des Freeport Terminals in Texas, auf das etwa 15 Prozent der US-Flüssiggasexporte entfallen. Das nicht exportierte Erdgas steht nun den US-Verbrauchern zur Verfügung, Exporte aus Freeport beginnen eingeschränkt frühestens wieder in 90 Tagen.
Die internationalen Aktienbörsen haben das schlechteste Halbjahr seit Jahrzehnten hinter sich. Verdarb zunächst die Angst vor steigenden Zinsen die Stimmung, sorgt jetzt die wachsende Furcht vor einer Weltwirtschaftskrise für heftige Kursschwankungen. Befeuert wird die Krise noch durch die Inflation und eine schwache Währung. Der Euro ist auf dem Weg in die Parität zur amerikanischen Währung. 1 Euro entspricht aktuell 1,02 Dollar. Nun ist ein schwacher Euro für den Export gut. Fakt ist aber auch, dass die teuren Importe bspw. Flüssiggas eben in Dollar abgerechnet werden. Nicht umsonst kommen die Gashändler, wie z. B. der börsennotierte Uniper-Konzern in arge Schwierigkeiten, denn die Märkte diktieren den Preis für Gas und nicht die Verträge, die Uniper langfristig mit Stadtwerken und die wiederum mit Kunden abgeschlossen haben.
Und damit nicht genug, es werden weitere Milliarden abseits der regulierten Börsen vernichtet. Die Rede ist von Kryptowährungen, die eigentlich als eine sichere, weil nicht von Zentralbanken abhängige, Währung angepriesen wurde. Digitale Währungen verlieren seit Monaten massiv an Wert. Die älteste und wichtigste Kryptowährung Bitcoin hat seit Jahresbeginn mehr als die Hälfte ihres Werts eingebüßt und notiert auf dem tiefsten Stand seit Mitte November 2020, bei der zweitwichtigsten Cyberdevise Ethereum beträgt der Verlust seit dem Jahreswechsel sogar etwa zwei Drittel. Auch hier wirken die Kräfte des Marktes. Ukraine-Krieg, Rezession, Inflation etc. haben Milliarden unwiederbringlich vernichtet (Mitte Mai crashte das Kryptoprojekt Terra und löschte Anlegervermögen in Höhe von rund 50 Milliarden Dollar aus). Und eins dürfen wir auch nicht vergessen, neue Schürfrunden im Kryptoreich kosten Energie. Und mittlerweile dürften die Rechnungen auch bei den Schürfern angekommen sein.
Die Hoffnung auf eine Erholung der Aktienwerte nach der Krise bleibt immer erhalten, denn hier stehen Substanzwerte hinter den Papieren. Und wer rechtzeitig unsere Warnungen beherzigt hat und dividendenstarke Aktien in seinem Depot hält, der kann sich beruhigt zurücklehnen. Und allen anderen können wir versichern, die Krise geht vorbei und dann geht der Run auf Aktien wieder los.