Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Unser Depotwert Linde wird die Frankfurter Börse und den deutschen Leitindex DAX40 verlassen, so wurde es in den Finanzmedien veröffentlicht. Ganz offensichtlich hat das ebenfalls von Carl Linde gegründete Praxair-Unternehmen die Oberhand nach der Übernahme im Linde-Konzern übernommen, obwohl Linde und Praxair eine Übernahme unter Gleichen vereinbart hatten.
Was bedeutet das nun für den Börsenplatz in Frankfurt?
Der geplante Rückzug des amerikanisch-deutschen Industriegase-Konzerns Linde ist eine schlechte Nachricht für den gesamten Finanzplatz Frankfurt. Aktuelle Daten zeigen, dass die Bedeutung der Mainmetropole als internationales Finanzzentrum zunehmend schwindet.
Zwar gilt Frankfurt nach wie vor als einer der Gewinner des Brexits, aber gerade im Wertpapiergeschäft droht Paris an der deutschen Bankenhauptstadt vorbeizuziehen. Frankfurt erlebt seit Jahren einen Rückgang der Börsennotierungen. 2020 waren laut dem Datenportal Statista in Deutschland 438 Unternehmen am Aktienmarkt notiert. 20 Jahre zuvor hatte die Zahl noch bei 744 gelegen. Die Kosten für ein Doppellisting hätte der milliardenschwere Linde-Konzern durchaus stemmen können.
Aber schauen wir auf den Börsenplatz Frankfurt, dann müssen wir leider feststellen, dass es schwierig ist, sich global am deutschen Finanzplatz zu behaupten. Die Umsätze in Deutschland sind viel zu gering, um einen Weltkonzern in Frankfurt auf Dauer zu halten. Das liegt auch an dem immer noch fehlenden Finanzbewusstsein und der damit im Zusammenhang stehenden fehlenden Aktionärsbasis in Deutschland. Deshalb befinden sich die Dax-Unternehmen mehrheitlich in den Händen ausländischer Investoren. Ihr Autor erinnert sich noch an den Aufschrei, den damals die Deutsche Bank verursachte, als die „Blauen“ ihren Sitz nach London verlegen wollten. Allerdings war das vor dem Brexit und zu längst vergangenen Zeiten, als die Deutsche Bank noch das große Rad an den Weltmärkten drehte. Heute ist das Finanzinstitut froh, dass es wenigstens noch am Finanzplatz Deutschland eine Rolle spielt.
Insgesamt können wir feststellen, dass der Kapitalmarkt in Deutschland international eine immer kleinere Rolle spielt (nicht, das Deutschland jemals eine große Rolle gespielt hat!) und nicht konkurrenzfähig auf dem internationalen Börsenparkett ist. Traurig, aber wahr…!
Dass sich die chinesische Reederei Cosco nun doch anteilig am Hamburger Hafen einkaufen darf, sorgt für massive Kritik und verdeutlicht die komplizierte Beziehung zu dem Wirtschaftsriesen. Einerseits werden Abhängigkeiten befürchtet, andererseits sei China als Handelspartner nicht mehr wegzudenken, speziell im deutschen bilateralen Handel. Im Gegensatz zu Russland ist die Abhängigkeit von China ein viel größeres Problem. Denn wenn China als Partner wegbricht, zum Beispiel wenn das Riesenreich das kleine Taiwan annektieren will und in der Folge internationale Sanktionen verhängt werden, dann kann Deutschlands Wirtschaft einpacken.
So ist es wohl auch zu erklären, dass sich das staatliche Reederei-Unternehmen mit 24,9 Prozent am Hafenstandort Tollerort/Hamburg beteiligen darf. Eigentlich wollten die Chinesen 35 Prozent erwerben und damit die Sperrminorität erreichen, aber das ist wieder ein Ampelkompromiss. Sie haben mit den 24,9 Prozent zwar (noch) nicht viel zu sagen, aber der Fuß in der Tür hält diese offen. Wir dürfen gespannt sein, wie lange es dauert, bis China die Besitzverhältnisse in Hamburg zu seinen Gunsten verändert. Wie schon immer gesagt, das Reich der Mitte hat Zeit…
Zumindest kann Olaf Scholz seinen Antrittsbesuch in Peking ohne das störende Hafenproblem absolvieren. Die chinesische Führung wird mit dem Kanzler und seiner Wirtschaftsdelegation über den nicht gerade guten Stand der bilateralen Beziehungen sprechen und die deutsche Delegation wird versuchen, weitere Abschlüsse mit chinesischen Unternehmen anzubahnen bzw. zu besiegeln.
Die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt kämpft mit einer erneuten Mega-Zinserhöhung gegen die von Rekord zu Rekord eilende Inflation im Euro-Raum an. Die Währungshüter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen, den Leitzins um 0,75 Punkte auf nunmehr 2,0 Prozent anzuheben. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz wurde im selben Umfang auf 1,50 Prozent erhöht. Dies sind nach September die zweite XXL-Zinserhöhung in Folge und insgesamt bereits der dritte Straffungsschritt. Die Währungshüter müssen die galoppierende Inflation wieder einfangen, bevor sie sich in den Köpfen der Menschen in der Eurozone festsetzt. Das Kalkül dabei ist: Wenn die Inflationserwartungen aus dem Ruder laufen, wird es für die EZB noch schwieriger, die Teuerung wieder einzudämmen und in Richtung ihrer Zielmarke zu bewegen. Wir erinnern uns, die Zielmarke war einmal zwei Prozent. Das ist das Vielfache der im September festgestellten Teuerungsrate von 9,9 Prozent. Natürlich müssen wir die Entwicklung der Märkte in den nächsten Tagen abwarten. Das sie aktuell nach dem wohl schon in die Kurse eingepreisten Zinsentscheid etwas gen Norden und der Euro gen Süden gehen, ist nur eine Momentaufnahme.
Gut ist auf jeden Fall, dass die EZB weitere Jumboschritte bei den Leitzinsen plant, Experten gehen von vier Prozent als mögliches Ziel bei den Leitzinsen aus. Ein stark dämpfender Konjunktureffekt ist durch weitere Zinsschritte nicht zu erwarten, denn wir befinden uns in einer Rezessionsphase. Also ist der Weg frei zu einer verstärkten Inflationsbekämpfung.
Und während des Schreibens des Kommentars läuft gerade die Meldung über den Ticker, dass die Herbststeuerschätzung Bund, Länder und Kommunen trotz aller Probleme bis 2026 Mehreinnahmen von 126 Milliarden Euro generieren können. Das ist zwar nicht so viel angesichts der in Sondervermögen steckenden Staatsschulden, aber es besteht jetzt die Möglichkeit für das das eine oder andere Konjunkturprogramm zur schnellstmöglichen Überwindung der Rezession.