Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Nein, mit Friedrich Dürrenmatts grandiosem Bühnenstück hatte der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan nichts zu tun. Die dritthöchste Repräsentantin der USA, nach Präsident und Vizepräsident, besuchte einen Staat, der nach offizieller chinesischer Doktrin kein Staat ist, sondern nur eine abtrünnige Provinz des chinesischen Festlandes. Und wenn wir schon einmal bei der Weltliteratur sind, ist die Frage frei interpretiert nach Goethes Faust: „Wie hältst du es mit Taiwan?“ Eine Frage von Krieg und Frieden. Wow, jetzt ist der alte Lew Tolstoi auch noch Bestandteil der Weltpolitik geworden.
Aber lassen wir die Literatur vorerst außen vor, dazu ist die Weltlage und damit auch die Lage an den Börsen viel zu gefährlich. Denken wir an die Lieferkettenprobleme infolge der No-Covid-Strategie im Reich der Mitte. Das Ganze wird sich noch verschärfen, wenn sich Europa, insbesondere Deutschland, zwischen China und den USA entscheiden muss. Wir können nur hoffen, dass die Bundesregierung wenigstens hier einen Plan in der Schublade hat, wenn der chinesische Präsident Xi dass Militärmanöver, ähnlich wie Russland beim Überfall auf die Ukraine, in eine militärische Auseinandersetzung mit Taiwan ausarten lässt. Zumindest fürchten die Inselchinesen eine See- und Luftblockade um Taiwan. Im Falle einer solchen Blockade ist auch der internationale Chiphandel empfindlich gestört, denn Taiwan ist der weltweit führende Chipproduzent (ca. 50 Prozent aller Chips kommen von dort!) für alle Industrieländer. Und das betrifft dann auch unseren Depotwert Taiwan Semiconductor, der ebenfalls hart getroffen wäre.
Aber noch härter würde Deutschlands Photovoltaikpläne getroffen. Schauen wir uns die Wertschöpfungskette an. Beim polykristallinen Silizium, einem wichtigen Rohstoff für Solarzellen, kommen 76 Prozent der verfügbaren Rohstoffe am Markt aus China. Bei den Solarzellen selbst sind es 78 Prozent. Und bei den Modulen, in denen sie verbaut werden, kontrollieren chinesische Firmen rund 70 Prozent des Weltmarktes. Die Abhängigkeit von China bei sogenannten Wafern, einem wichtigen Zwischenprodukt von Solarmodulen, liegt bei 96 Prozent. Auch im Export ist China, wie wir wissen, stark.
Wenn uns China keine Solarzellen mehr liefern würde, hätten wir zumindest noch Solaranlagen und vielleicht genügend Zeit, andere Produktionsmöglichkeiten zu entwickeln, wenn wir genügend Fachkräfte ausbilden könnten (Stichwort Fachkräftemangel!). Doch mit welchen Handelspartnern? Zur Erinnerung: Es gibt nur einen geringen Marktanteil, der nicht von China dominiert wird. Ohne China ist die Energiewende also ganz schnell gestoppt. Es muss noch nicht einmal eine schlechte Absicht dahinter stehen, denn nicht nur Deutschland plant die Trendwende bei der Energie – auch China selbst möchte umfassend auf Solarenergie bauen.
Während China die Solarenergie stark subventionierte, haben die damaligen Bundesregierungen sehenden Auges die deutsche Solarindustrie, die wohlgemerkt einmal international führend war, in den Ruin bzw. außer Landes getrieben. Ein weiterer schwerer Fehler der deutschen Wirtschaftspolitik á la Merkel, der uns heute von der Abhängigkeit vom russischen Erdgas in die Abhängigkeit der chinesischen Solarindustrie treibt.
Apropos Erdgas, unser Bundeskanzler war wieder auf Staatsbesuch, dieses Mal aber nur im Inland. Er war zu Gast bei unserem Depotwert Siemens Energy und „besuchte“ dort die Turbine, die Deutschland nach erfolgter Reparatur so gern wieder an Russland ausliefern möchte, um die Gaslieferungen wieder auf Normalzustand zu bringen. Allein die russische Seite will das Ding wegen angeblich nicht ordnungsgemäßer Papiere nicht annehmen. Das Ganze artet in eine Propagandaschlacht in den Medien aus. Dabei wäre es doch einfach, die von russischer Seite geforderten Papiere auch öffentlich im Internet mit den zur Verfügung stehenden deutschen Dokumenten in vergleichender Weise zu veröffentlichen. Damit nimmt man dem Kreml den Wind aus den Segeln. Es reicht eben heute nicht mehr aus, wenn nur der Wirtschaftsminister die Papiere einmal in der Hand hatte…
Und während alle hierzulande über Gas und Photovoltaik reden, haben die Opec-plus-Staaten sich auf eine minimale Anhebung der Ölproduktion verständigt: Wie das Bündnis beschlossen hat, wollen die 23 Opec-plus-Mitglieder ihre Förderung um insgesamt 100.000 Barrel pro Tag erhöhen. Das ist die geringste Anhebung der Förderquote, die die Opec plus je beschlossen hat oder wie Experten sagen, nicht mehr wie ein Rundungsfehler. Auch die Ölnationen wollen verständlicherweise vom Krieg profitieren.
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen… so oder so ähnlich habe ich den Spruch noch in Erinnerung. Das Reisende auch vorher schon was berichten können, sehen wir an den deutschen Flughäfen. Erst streikt das Bodenpersonal, dann haben die Piloten mit ihrer Streikurabstimmung ein Damoklesschwert über die vielen Erholungssuchenden Passagiere erhoben. Das betrifft zwar nicht direkt unseren Clubfonds, aber indirekt schon. Viele Urlauber sind auf den Flieger angewiesen, um ihre Kreuzfahrtschiffe zu erreichen und auch wieder den Rückflug nach Hause zu stemmen.
Und für alle, die in letzter Zeit verzweifelt auf ihre Aktienanlagen schauen und überlegen, alles zu verkaufen, habe ich noch einen Spruch von Altmeister André Kostolany: „Wenn es an der Börse runtergeht und du hast keine Aktien, dann hast du auch keine, wenn die Börse wieder steigt.“ Wie wahr, also bleiben wir besser dabei…