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Schnelle Rezession wäre wünschenswert – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Es kann wohl heute zweifelsfrei festgestellt werden, dass insbesondere in den USA fiskalisch sowohl als auch geldpolitisch in der Coronakrise mit der Bekämpfung dieser maßlos übertrieben wurde. Wie man auf die Idee kommen konnte, bei absehbar verringertem Angebot durch Produktionsunterbrechung, gestörte Lieferketten und weitestgehend geschlossener Serviceindustrie wie Reisen oder Restaurants den Bürgern durch Helikopter-Geld mehr Einkommen zukommen zu lassen als sie normalerweise gehabt hätten, lässt sich nur noch schwerlich erklären. Es war wohl die schiere Panik vor der größten Rezession aller Zeiten. Hier hat sich das deutsche System des Kurzarbeitergeldes am Ende doch wieder als überlegen erwiesen. So wurde Massenarbeitslosigkeit vermieden, ohne dass Eingriffe wie in den USA notwendig wurden. Die USA als immer noch größte Volkswirtschaft der Welt haben mit ihrer Politik jedenfalls ein Inflationsproblem geschaffen, dass nun genauso das Verbrauchervertrauen abstürzen lässt, wie dies in der Coronakrise der Fall war.

Das Pendel schlägt zu beiden Seiten immer gleich stark aus
Keine Frage, noch befindet sich die US-Wirtschaft in einer Boomphase, betrachtet man den Arbeitsmarkt. Das liegt aber nicht etwa daran, dass die Beschäftigtenzahl sich auf einem Höchststand befindet, sondern daran, dass viele ehemalige Beschäftigte wohl noch immer vom Helikopter-Geld zehren. Denn die Beschäftigtenzahl insgesamt liegt unter der von vor der Corona-Pandemie. Die Knappheit an Arbeitskräften sorgt nun für steigende Löhne und die sogenannten Zweitrunden-Effekte als Ausgleich für die Inflation werden ihr weiteres dazu beitragen. Doch Abschwächungstendenzen sind bereits in den Einkaufsmanagerindizes und in der zunehmenden Ankündigung von Massenentlassungen erkennbar.

Auch die Lieferkettenprobleme lösen sich zunehmend auf wie auch die Schiffs-Schlangen vor den Häfen in Los Angeles und Shanghai. Das ging schneller als zu erwarten war, denn die neuerlichen Lockdowns in China ließen schlimmeres befürchten. Es dürfte aber auch ein Anzeichen dafür sein, dass die Abschwächung der Nachfrage bereits eingesetzt hat. In den vergangenen Wochen wurden die Waren zu einem großen Teil auch nicht mehr geordert, um die Nachfrage zu befriedigen, sondern um die Läger aufzufüllen. Hier sitzt der Schock in den Unternehmen immer noch tief, aus der Erfahrung nicht mehr liefern oder wegen mangelnder Vorprodukte nicht mehr produzieren zu können. In Europa mussten die Wachstumserwartungen wegen des Ukraine-Krieges und der Energiekrise, die durch ihn ausgelöst wurde, ohnehin zurückgenommen werden. Und auch wenn China das Corona-Problem nun wieder unter Kontrolle hat, es bleibt die deutlich abgekühlte Baukonjunktur, die das Wachstum in China weit unter das Niveau der vergangenen Jahre drücken wird. Schließlich macht dieser Sektor ein Drittel der gesamten Konjunktur aus. Und auch die Talfahrt an den Aktien- und Anleihemärkten dürfte auf die Nachfrage drücken.

Nimmt man zum Beispiel in den USA die Verluste an den Aktienmärkten und Anleihemärkten zusammen, wurde mehr Vermögen vernichtet als in jedem Börsen-Crash zuvor. Haben die Bürger weniger Vermögen, nehmen Sie in der Regel auch weniger Kredite für den Konsum auf. Kurzum, für mich sieht es so aus, als dass die Weltwirtschaft schneller in eine Rezession und wegen der hohen Inflation damit in eine Stagflation abgleitet als dies bisher offiziell prognostiziert wird. Das Pendel dürfte in Bezug auf das Wachstum auf der Negativ-Seite genauso weit ausschlagen, wie zuvor auf der positiven.

Notenbanken gänzlich entzaubert
Immer wieder haben die Zentralbanken dieser Welt nach Indikationen gesucht, die Ihnen frühzeitig Aufschluss über die kommende Inflationsentwicklung geben. Die meist probierte war die Geldmengen-Steuerung. Doch auch sie hat versagt, weil im globalisierungsbedingt deflationären Umfeld die Geldmenge über Jahre deutlich schneller wuchs als die Wirtschaft nominal und die Inflation trotzdem nicht anspringen wollte. Auch der Blick auf Einkaufsmanagerindizes, auf die Arbeitsmarktzahlen, am Ende hat nichts wirklich auf Dauer funktioniert. Und so ist die US-Notenbank, und andere sind ihr gefolgt, einfach auf die Inflationssteuerung anhand der Inflationsdaten gewechselt. Damit laufen sie diesen dann aber eben auch einfach nur schlicht hinterher und müssen, wie seit rund einem Jahr zu beobachten, jeden Monat ihre Politik und ihren Ausblick anpassen. Diese Geldpolitik könnte auch ein Computer übernehmen. Wenn man aber mal genau hinschaut, dann sieht man, dass die Dinge gerade in jüngster Vergangenheit viel schneller passieren als Wirtschaftswissenschaftler und Notenbanken dies für möglich halten. Und so käme ein schnelles Abkippen in eine Rezession und in eine Stagflation für mich nicht überraschend. Sie wäre aus Sicht des Aktienmarktes sogar wünschenswert. Dann würde eine plötzlich schrumpfende Wirtschaft den Fokus der Notbanken auch wieder auf Rezessions- und nicht nur auf Inflationsbekämpfung legen. Damit die Börse aber nicht nur eine Erholungsrallye starten kann, sondern wir wieder in Richtung neuer Rekordkurse laufen, müssten vor allem die Staatsanleiheverkäufe aus der Bilanz der amerikanischen Notenbank gestoppt werden.

Das wäre sicherlich die wichtigste Maßnahme neben einem Ende der Zinserhöhungen oder unter Umständen dann auch wieder Zinssenkungen. Eine Rezession würde natürlich auch die Nachfrage stark abbremsen und somit Linderung an der Inflationsfront bringen. Blieben die Energiepreise auf dem aktuellen Niveau und stiegen nicht weiter an, würden entsprechend im Februar 2023, also ein Jahr nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges, die viel beschworenen Basiseffekte einsetzen. Das würde den entsprechenden Spielraum für die Notenbanken schaffen, plötzlich wieder von der Bremse zu gehen und auf das Gaspedal zu treten. Das wäre dann wieder das perfekte Umfeld für die Aktienmärkte. Viel schlimmer wäre es nämlich, würde die Wirtschaft weltweit zumindest so stark wachsen, dass die Notenbanken weiter restriktiv agieren. Dann fehlte gänzlich die Überschussliquidität, die für jede Hausse notwendig ist. Und dann müssten wir uns auf eine lange Durststrecke an den Aktienmärkten einstellen, die wahrscheinlich längste seit den 1970er Jahren. Und so muss man sagen, dass diesmal aus Sicht des Aktienmarktes eine schnelle Rezession das Beste wäre, was ihm passieren kann.