Kommentar von Hermann Kutzer, ehem. Börsenkorrespondent für das Handelsblatt und “N-TV”
Kutzers Zwischenruf:
Anleger mit “Zeitmut” können Positionen aufstocken
Nein, kein Mensch kann wissen, wie es weitergeht. Trotzdem wollen viele von Ihnen, geschätzte Anleger, nicht einfach abwarten und zusehen, was die Börsen in den nächsten Wochen machen. Die Aktiven sind durchaus nicht nur die Ängstlichen, die schnell noch aussteigen möchten. Im Gegenteil, kann man jetzt wieder zugreifen? Ein Dax bei 15.000 Punkten hat seine Reize, höre ich seit Ende vergangener Woche von privaten Aktienfans. Für mich ist das nur eine „Big Figure“ ohne besonderen Wert an sich. Nimmt man die als Ausgangspunkt der Prognosen für das kommende Jahr, so kann man mit einer attraktiven Performance rechnen.
Meine Einstellung als „momentan skeptischer Bulle“ hat sich allerdings (noch) nicht geändert. Doch verändert die sich, wenn man den Zeithorizont, auf den ich immer wieder dränge, offenlässt. Heute geht es mir also um solche Leser, deren Wertpapierpositionen nicht nur kurz- bis mittelfristigen oder andererseits ganz langfristigen Charakter haben sollen. Wem es egal ist, ob die immer noch optimistischen Vorhersagen (trotz Corona) im neuen Jahr Realität werden oder erst später, der kann – der sollte – mit einer Fortsetzung der auf Sachwerte konzentrierten Anlagestrategie glücklich werden. Die nahende Zinswende in den USA und dann bei uns kann nicht zur Rückkehr in den Anleihemarkt locken. Nein, Aktien, Immobilien und Gold bleiben die angesagten Anlageklassen.
Wer so gelassen bleibt, kann seine Aktienpositionen jetzt schon schrittweise weiter aufstocken. Dafür braucht es „Zeitmut“ (= meine neueste Wortschöpfung). Denn wer mutig ist – das sollte man als Aktienfan grundsätzlich sein – und dazu auch Zeit investiert, lässt sich durch enttäuschende, schwache Börsenphasen nicht abschrecken. Abgesehen von kurzfristigen Spekulationen oder dem populär gewordenen Trading gehört eine ordentliche Portion Geduld zur längerfristigen Aktienanlage (= über mehrere Jahre).
Unsere Banken machen den Anlegern schon für 2022 Mut. Ob Helaba, DZ Bank oder Deutsche Bank – die konkreten Dax-Prognosen reichen von 16.000 bis 18.000 Punkten. Würde Ihnen diese Performance nicht reichen, liebe Leser? Dazu im Sinne der Diversifikation internationale Unternehmen, die von der ökologischen Transformation besonders profitieren werden und Aktien asiatischer Schwellenländer. Zur Veredlung bietet sich physisches Gold an, aber nicht als Renditebringer, sondern wegen seines Absicherungscharakters.
Doch sei nochmals betont: Nur Anleger mit „Zeitmut“ sollten die aktuellen Sorgen verdrängen, um schwächere Kurse für neue Käufe zu nutzen. Denn die weitere Entwicklung der Pandemie, der Inflation und des Wirtschaftswachstums bleiben bis auf weiteres unberechenbar. Und im Jahr 2022 ist alles möglich.