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Extrem schlechte Stimmung gibt Anlass zu Optimismus-Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Stimmungsindikatoren sind eine gute Hilfe, das Tief eines Marktes auszuloten. Je mehr man verfolgt, desto klarer wird das Bild, das Auskunft über die Positionierung der Anleger gibt. Und das Prinzip ist klar. Je größer der Pessimismus, desto wahrscheinlicher wird es, dass der Markt eine Wende nach oben vollzieht, und umgekehrt je höher der Optimismus, desto größer die Gefahr einer Korrektur. Denn ist die Stimmung sehr gut, rechnet die überwiegende Mehrheit ja mit steigenden Kursen und hat das Geld bereits investiert. So fehlt zukünftige Kaufkraft für weiter steigende Kurse. Sitzen die Anleger hingegen auf Cash, weil sie mit fallenden Kursen rechnen, ist das Kaufkraftpotenzial hoch, wenn sich der Wind dreht.
 
Extremwerte im Sentiment sind eher selten
Nur selten erreichen die Stimmungsindikatoren Extremwerte, gemessen an ihrer Historie. Deshalb ist es gefährlich, auf solche Werte zu warten, weil man leicht die Rallye verpassen kann. Doch es gibt diese Momente, wo Extremwerte bereits erreicht sind und die Kurse selbst bei diesen starken Kaufsignalen noch weiter fallen. Das passiert immer dann, wenn die Ereignisse auch ein Umdenken der „hartgesottenen“ Anleger, wie Börsenlegende André Kostolany sie nannte, stattfindet. Denn wenn es heißt, dass Anleger ausverkauft haben, dann ist das nur die halbe Wahrheit. Verkauft haben die „Zittrigen“, um im Bild zu bleiben. Irgendjemand hat die Aktien im Ausverkauf ja auch gekauft. Das eben sind die starken Hände. Doch wenn diese die Lage neu beurteilen, scheint sich auch so mancher von ihnen von seinen Aktien zu trennen, was dann zu weiteren Verlusten führt. Manchmal sind es auch ganz einfach wirtschaftliche Zwänge oder Stopp-Loss-Marken, die erreicht werden, die weitere Verkäufe auslösen. Das war beim Platzen der Internetblase zu beobachten, nach dem Lehman-Crash und auch im Corona-Crash.
 
Schlechtes Umfeld sorgt für extremes Sentiment
Der Mix aus Krieg, Lockdowns in China und Zinserhöhungen inmitten einer Konjunkturabkühlung hat nun dafür gesorgt, dass wir uns abermals an diesem Punkt befinden. Seit Wochen deuten die Stimmungsindikatoren auf eine Erholung hin, doch geht es tatsächlich immer weiter abwärts. Wir befinden uns wieder an Extremwerten. Die Stimmung für die Technologiebörse Nasdaq nach Lesart von Mark Hulbert ist wieder bei minus 60 Prozent, was bedeutet, dass die entsprechenden Börsenbriefe netto zu 60 Prozent Short-Positionen empfehlen. Bei 60 Prozent minus ist an sich ein ultimatives Kaufsignal erreicht. Auch im ersten Sturz im März dieses Jahres schloss sich diesen Werten zumindest eine Erholung an.
 
Auch das Put/Call-Ratio hat nun wieder einen Wert erreicht, an dem der Markt in der Vergangenheit drehte.
 
Und auch bei der Betrachtung des Drawdowns befinden wir uns bei den Technologieaktien nun in einem Bereich, den man als historisch bezeichnen kann. Es ist auch oft ein Kennzeichen eines Abschlusses einer Abwärtsbewegung, wenn die Stars des vorangegangen Aufschwungs komplett entzaubert werden und ihre Outperformance von Jahren ausradiert wurde. Das erleben wir nun mit Cathy Wood und ihrem ARK Innovation ETF – außer Spesen nix gewesen.
Viele der Werte, auf die sie gesetzt hat, werden nie wieder ihre Höchststände erreichen, weil es nur heiße Luft war, die mit Milliarden Dollar bewertet wurde. Doch es gibt sehr wohl eine Menge Technologiewerte, die sicher in der Zukunft weit über Ihre alten Höchststände hinaussteigen, weil sie ein hoch profitables und stark wachsendes Geschäft haben.
 
Gewinner dieses Jahres werden langfristig Verlierer bleiben
Natürlich wäre es im Nachhinein gesehen in diesem Jahr viel besser gewesen, zum Beispiel auf Ölwerte zu setzen und alte Industrien. Nur diejenigen Anleger und Fonds, die dies taten, haben keine Verluste erlitten. Das allerdings ändert nichts an der Tatsache, dass man hier in Geschäfte investiert, insbesondere auf solche, die mit fossilen Brennstoffen ihr Geld verdienen, die endlich sind. Auch wenn Technologiewerte zuletzt abgestraft worden, die Zukunft ist und bleiben das selbstfahrende Auto, Genanalytik, künstliche Intelligenz, Wasserstoff etc. Und die Unternehmen, die in diesen Sektoren die führende Technologie besitzen, werden wieder die Gewinner von morgen sein. Als im Jahr 2000 die Internetblase platzte, bedeutete dies nicht, dass man sich in Bezug auf die Bedeutung des Internets und der Telekommunikation wie auch der Biotechnologie geirrt hatte. Die Börse hatte nur viel zu schnell zu viel vorweggenommen und viele Unternehmen hatten am Ende nicht die sich durchsetzende Technologie. Doch das Internet hat die Welt verändert. Der größte Einzelhändler ist heute ein Versandunternehmen namens Amazon. Zeitungen in physischer Form haben massiv an Bedeutung verloren und die Biotechnologie mit ihren modernen Impfstoffen hat dafür gesorgt, dass wir Corona nun weitestgehend hinter uns gelassen haben, zumindest in seiner großen Gefährlichkeit.