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Die EZB wird nachlegen müssen

Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub

Na geht doch, möchte man fast die EZB-Leitzinsentscheidung kommentieren. Der erste Schritt ist weit mutiger als vorher gedacht: Bei ihrer letzten Sitzung in Amsterdam vor sechs Wochen hatten sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde und der Rat der Europäischen Zentralbank noch festgelegt, die Zinsen am 21. Juli nur moderat um 0,25 Prozent anzuheben. Nun legen sie einen doppelt so großen Zinsschritt aufs Parkett und heben die drei entscheidenden Zinssätze um jeweils 0,5 Prozent und verbannen damit die Negativzinsen aus den Konten. 

Die Parität zwischen Dollar und Euro ist aufgehoben, wir erhalten jetzt für einen Dollar aktuell beim Schreiben dieser Zeilen 0,98 Euro, denn die Fed ist bekanntlich schon viel weiter bei den Schritten zum Einfangen der Inflation. Da wird die EZB noch einmal nachlegen und die Zinsen erneut anheben müssen. Ob der nächste Zinsschritt 0,25 Prozent betragen wird oder doch wieder 0,5 Prozent (mehr traut man der EZB nicht zu), wird das EZB-Gremium erst unmittelbar vor der Sitzung am 8. September entscheiden.

Irgendwie passend zur aktuell laufenden Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht über eine nicht vom Mandat der EZB gedeckte Staatsfinanzierung passt auch das neue Anleihekaufprogramm TPI. Transmission Protection Instrument (TPI) soll verhindern, dass stark verschuldete Euroländer durch die Zinssteigerungen in Finanzierungsnöte geraten. Mithilfe dieses Instruments soll ein zu weites Auseinanderdriften der Zinsen für Staatsanleihen zwischen den einzelnen Ländern im Euroraum vermieden werden. Die EZB kann TPI aktivieren, um einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Übertragung der Geldpolitik im gesamten Euroraum darstellte.

Und noch mal zum Durchdenken, konkret ist die EZB damit in der Lage, Wertpapiere am Sekundärmarkt zu kaufen, die von Ländern begeben wurden, in denen sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtert haben, obwohl das durch die länderspezifischen Fundamentaldaten nicht gerechtfertigt ist. Der Umfang der TPI-Käufe ist dabei nicht im Vorfeld beschränkt, was Erinnerungen an die berühmt gewordene Aussage des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi „Whatever it takes“ weckt. Nur haben damals Worte eines EZB-Präsidenten noch geholfen, um den Euro zu stabilisieren. Das dürfte für Lagarde nach ihrer verfehlten Zinspolitik sehr schwierig, besser gesagt, unmöglich werden.

 

Bei der Auswahl der Papiere kann die EZB aus dem Vollen schöpfen. Im Rahmen von TPI ist es ihr gestattet, Wertpapiere des öffentlichen Sektors mit einer Restlaufzeit von einem bis zehn Jahren anzukaufen. Aufhorchen lässt auch der Zusatz, dass gegebenenfalls der Ankauf von Wertpapieren des privaten Sektors in Betracht gezogen werden könne. 

Wie schön, und da ist er wieder der altbekannte Vorwurf, der jetzt vorm höchsten deutschen Gericht verhandelt wird. „Die EZB wird immer mehr zu einer politischen Notenbank, die die von den Einzelstaaten verursachten Krisen lösen soll“, sagt Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank. „Ihre frühere Aufgabe als Korrektiv des über die Stränge schlagenden Staates hat sie verloren.“ Wie wahr, wie wahr… Allerdings steht es noch in den Sternen, ob TPI die Märkte beruhigen wird. 

Apropos Mario Draghi, der ist als Ministerpräsident von Italien zurückgetreten. Er machte dort einen wirklich guten Job. Allerdings gefiel das den dortigen Populisten nicht, was das italienische Wahlvolk zu im Ausgang ungewissen Neuwahlen im September führt. Viele Marktexperten erwarten, dass TPI danach wohl zum ersten Mal aktiviert wird. 

Die Inflation wird weiter getrieben von den Folgen des Ukrainekrieges, der Lieferkettenprobleme und der immer noch grassierenden Pandemie. Dazu kommt jetzt noch die “importierte Inflation”, die aus Amerika jetzt verstärkt zu uns herüberschwappt: Weil die US-Zentralbank Fed längst regiert hat, sind die Zinsen dort schon wieder ansehnlich hoch mit 2,25 bis 2,50 Prozent nach der Leitzinserhöhung von 75 Basispunkten in der abgelaufenen Woche. Deshalb ist der Dollar stark – und verteuert nun Warenimporte aus den USA und aus der Welt, wo der Dollar als Weltleitwährung akzeptiert ist. Und diese Teuerungsfaktoren werden bestimmt noch eine Weile anhalten. Aber egal, so geht Inflationsbekämpfung, wenn man nicht wie im Euro-Raum auf politische Befindlichkeiten Rücksichten nehmen muss.  

Mit jeder Woche, die bisher derart inflationsbefeuert ins Land geht, gewöhnen sich die Menschen hierzulande an die Phase steigender Preise. Was dazu führt, dass sich der Preisauftrieb selbst verstärkt. Die Lohn-Preis-Spirale kommt allmählich in Gang, wenn Arbeitnehmer allerorten wegen der gestiegenen Preise höhere Löhne fordern und sie auch bekommen, weil die Arbeitgeber nicht noch mehr Fachkräfte verlieren wollen. Allerdings passiert das zu dem Preis, dass die Unternehmen die höheren Lohnkosten letztlich auf die Endverbraucherpreise abwälzen, wodurch diese sich noch weiter nach oben schrauben. Genau diesen Aufwärtsdrall muss die EZB nun mit höheren Zinsen stoppen, sonst wird es mit jedem Tag schwerer.

Dabei ist es jetzt völlig uninteressant, ob nun die Gasturbine für die Nordstream 1-Pipeline noch rechtzeitig geliefert wird, schlussendlich werden wir uns auf die stetig sinkenden bzw. schwankenden Liefermengen aus Russland einstellen müssen. Das sind Folgen des Ukrainekrieges und einer völlig fehlgeleiteten, weil fast schon monogam anmuteten Energiepolitik in den 16 Jahren unter Merkel und ihrer durch die Bank wirklich schwachen Wirtschaftsminister.