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Marktüberraschungen

Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC

Scheinbar sind rundherum alle überrascht, dass sich die westlichen Ökonomien so resilient gegenüber dem, doch recht abrupten, Zinsschock zeigen bzw. gezeigt haben, wobei sich ihr Autor als Marktbeobachter gar nicht ausnehmen möchte. Die große Frage, die natürlich bleibt, ist: War´s das schon oder  kommt es mit aller Macht zurück? Und wenn, dann aus welcher Ecke? Es sieht derzeit nicht schlecht aus. Die Inflationsdaten weisen jenseits und diesseits des großen Teiches in die richtige Richtung, nämlich nach unten. Auch wenn das allgemeine Ziel von ungefähr zwei Prozent Inflationsrate noch ein wenig auf sich warten lässt.

In der letzten Woche hat die EZB ihre Leitzinsen beibehalten, was auf Grund der nach wie vor doch noch hohen Kerninflation in der Eurozone eine richtige Entscheidung war. Wie von den meisten Volkswirten erwartet, veränderte die US-Notenbank Fed gestern die Leitzinsen nicht. Zwar deutete Jerome Powell bei der Pressekonferenz an, dass der Zinshöhepunkt erreicht sei und Zinssenkungen in diesem Jahr, auch weil die Inflation sinke, wahrscheinlich seien. Allerdings hält Powell einen ersten Zinsschritt im März für unwahrscheinlich. Da noch kurz vor der Sitzung des geldpolitischen Rates eine Wahrscheinlichkeit von 55 Prozent für eine Zinssenkung im März eingepreist wurde, reagierte der Markt verschnupft. Der US-Dollar stieg auf 1,0806 US-Dollar je Euro, die Renditen zwei- und zehnjähriger US-Staatsanleihen sanken mit Blick auf die Zinssenkungen im Jahresverlauf um rund 0,1 Prozentpunkte auf 4,23 beziehungsweise 3,93 Prozent. Am deutlichsten fielen Aktien: Der S&P 500 sank um 1,6 Prozent auf 4.846 Punkte. Allerdings dürfen wir dafür nicht nur bei der Fed die Schuld suchen. Es gab leider auch sehr gemischte Berichte aus den Zentralen der US-Hochtechnologie, leider auch von unseren betroffenen Depotwerten. Wir werden auf diese Berichte noch eingehen.

Allerdings gibt es nach wie vor die sogenannten „schwarzen Schwäne“, die langsam aber auf Grund der Häufigkeit ihres Auftretens ihre Schrecken verlieren. Die Märkte gewöhnen sich an alles. So auch an die Pleite der Signa-Holding, wo es bei den betroffenen Banken zu Abschreibungen in Millionenhöhe kommt. Das hätte vor einigen Jahren noch ein Bankenbeben ausgelöst. Oder schauen wir nach China. Dort hat ein Gericht in Hongkong am Montag dieser Woche die Auflösung der China Evergrande Group, einen in Schieflage geratenen Immobilienriesen, angeordnet. In einem Insolvenzverfahren soll nun sichergestellt werden, dass der mit insgesamt über 300 Milliarden Dollar (277 Milliarden Euro) verschuldetem Konzern seine Gläubiger bezahlen kann. Für die Volksrepublik war der Bausektor seit der Jahrtausendwende einer der wichtigsten Konjunkturtreiber. Der Immobilienbereich macht Experten zufolge mehr als 20 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung aus. 2023 legte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach offiziellen Zahlen um 5,2 Prozent zu. In diesem Jahr könnte das Wachstum laut der Weltbank deshalb wohl allerdings deutlich niedriger ausfallen.

Da wir in Deutschland doch noch keine grundlegende Umstellung auf die E-Mobilität erwarten, interessiert uns als Verbraucher und Anleger der Öl-Preis. Der Preis für Öl der Nordseesorte Brent markierte am Montag bei 84,80 US-Dollar je Barrel den höchsten Stand seit dem 7. November. Auch US-Öl der Sorte WTI stieg auf ein Zwei-Monats-Hoch von 79,30 US-Dollar je Barrel, auch wenn er sich jetzt schon wieder etwas normalisiert hat. Die Gründe sind nachvollziehbar. Zunehmende Sorgen über die angespannte Lage im nahen Osten. In der Vorwoche wurde erstmals auch ein russischer Tanker im Roten Meer attackiert. Bis dato wurden täglich noch 3,4 Millionen Barrel russischen Öls durch das Rote Meer nach Asien exportiert – ungefähr drei Prozent des globalen Angebots. Seit Jahresbeginn verzeichnen wir unerwartet stark verminderte US-Rohöllagerbestände. Diese sanken wahrscheinlich auch aufgrund der weiterhin robusten Konjunktur, die zu einer höheren Energienachfrage geführt hat. Neue geldpolitische Stimuli in China, durch die die Konjunktur wieder anspringen könnte, erhöhte die Öl- Nachfrage. Bereits 2023 war die Nachfrage aus China um 1,6 Millionen Barrel pro Tag gestiegen. Dazu kommen die anhaltenden Produktionskürzungen der OPEC+, die das Angebot weiter einschränken.

Aber wir haben auch positive Meldungen für unseren Depotwert LVMH und den gesamten Sektor zu verzeichnen. Die Aktien der europäischen Luxusgüterhersteller sind in den letzten 14 Tagen um fast acht Prozent gestiegen und haben damit den breiten Markt um sechs Prozentpunkte übertroffen. Dies ist trotz aller Probleme dort zum Teil auf eine dynamische Erholung der Geschäfte in China zurückzuführen. Das liegt nicht nur daran, dass die Chinesen nach der Corona-Pandemie nun wieder häufiger ins Ausland reisen – in der Vergangenheit kauften sie vor allem im Urlaub gern Luxusartikel: Hinzu kommt auch, dass die Luxusunternehmen ihre Online-Präsenz in China ausgebaut haben. Infolgedessen kletterte der Umsatz mit Luxusartikeln in Festlandchina um rund zwölf Prozent auf über 50 Milliarden Euro im Jahr 2023. Das sind zwar rund 15 Prozent weniger als 2021, doch das Wachstum dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Bis 2030 soll der Anteil Chinas am Weltmarkt für Luxusgüter von derzeit rund 16 auf über 20 Prozent steigen – was für die Aktien der europäischen Luxusgüterhersteller anhaltenden Rückenwind bedeuten würde.