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Jetzt Tech-Aktien zu verkaufen, dürfte genau der falsche Zeitpunkt sein – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Jetzt Tech-Aktien zu verkaufen, dürfte genau der falsche Zeitpunkt sein

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Die Warnungen und Unkenrufe gab es schon lange. Vor allem erfahrene Börsianer wiesen immer wieder darauf hin, dass viele Technologieaktien maßlos überbewertet sind. Bei den nicht profitablen unter ihnen, wo Milliarden-Bewertungen allein für Ideen bezahlt wurden und werden, sind sich so ziemlich alle einig, bei den großen Tech-Werten scheiden sich die Geister. Die Geschwindigkeit, in der beispielsweise Apple von einer Marktkapitalisierung von einer Billion innerhalb weniger Jahre auf drei Billionen US-Dollar anstieg, lässt selbst Fans dieser Aktie ein wenig die Hosen schlackern. Unter Druck kamen sie zuletzt alle, vor allem aber die Aktien, die 2021 die beste Performance hingelegt haben. Denn das waren die, die noch gar keine Gewinne erzielen und von denen ganz sicher viele niemals ihre heutigen Bewertungen rechtfertigen werden. Hier gibt es dann durchaus Parallelen zum Technologie-Boom im Jahr 2000.

Stimmungsindikator gibt Kaufsignale

Sieht man sich die Kursgewinne der vergangenen Jahre an, dann sind die Verluste derzeit noch relativ gering. Sollte man daher am besten die Reißleine ziehen und was an Gewinnen übrig ist, mitnehmen? Ganz einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Denn günstig sind die Unternehmen trotz der jüngsten Kursverluste noch nicht. Sieht man sich allerdings die Stimmung für Technologiewerte an, dann haben wir hier bereits ein Niveau erreicht, dass wir zuletzt auf dem Höhepunkt der Pandemie im Frühjahr 2020 gesehen haben. Die täglich ausgewerteten Börsenbriefe für Technologie-Aktien empfehlen netto mittlerweile zu über 50 Prozent Shortpositionen. In der Vergangenheit war dies stets der richtige Zeitpunkt, um in diese Aktien einzusteigen. Unter Timing- Gesichtspunkten wäre ein Ausstieg derzeit daher wahrscheinlich falsch. Ein Einstieg könnte sich demgemäß lohnen.

Was wir schon seit Ende vergangenen Jahres erleben, ist eine Rückkehr der Vernunft. Die nicht profitablen Technologie-Aktien wie auch die zuvor im Hype um den Spielehändler Gamestop nach oben getriebenen Aktien mit hohen Shortpositionen haben ihre Korrektur bereits im vergangenen Herbst begonnen. Es war die Rückkehr der Vernunft, die wahrscheinlich 2022 anhalten wird. Insofern wird es darauf ankommen, bei Technologiewerten auf die richtigen zu setzen. Die großen Unternehmen mit ihren hohen Gewinnmargen, aber auch solche, die von der nach wie vor sehr hohen und unbefriedigten Nachfrage nach Halbleitern profitieren, könnten die Gewinner sein.

Zinsentwicklung ist für Technologiewerte am wichtigsten

Ein Grund für die Schwäche von Technologiewerten ist die Wende in der Geldpolitik. Diese Unternehmen werden oft nicht für ihre Gewinne im Hier und Jetzt, sondern für die vermeintlichen in der Zukunft bezahlt. Diese gilt es bei der Berechnung des inneren Wertes einer Aktie abzuzinsen. Steigen die Zinsen, vermindert sich allein dadurch der Wert des Unternehmens. Insofern muss der Besitzer von Technologie-Aktien die Zinsentwicklung noch stärker im Auge behalten als derjenige, der konservative Titel im Depot hat. Sollten die Inflationszahlen also nicht zurückkommen und die Notenbank die Geschwindigkeit ihrer Zinserhöhungen weiter beschleunigen, wird das Umfeld für Technologiewerte noch rauer.