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Deutschland ist im Sparen Champions League, aber als Wirtschaftsstandort Kreisliga – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Keines der alten Industrieländer hat eine so geringe Schuldenquote wie Deutschland und gleichzeitig wird wohl in keinem dieser Länder so intensiv über die Staatsverschuldung diskutiert wie hierzulande. Während alle größeren westlichen Industrieländer inklusive Japans von 2010 bis 2023 ihre Schuldenquote in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausgeweitet haben, ist Deutschland das einzige Land, wo sie zurückging: von 82 auf 66 Prozent.

Die hochgelobte USA hat in der gleichen Zeit die Staatsverschuldung von 95 auf 123 gesteigert. Glaubt eigentlich irgendjemand in der Bundesregierung ernsthaft daran, diese Haushaltsdisziplin würde sich irgendwann noch auszahlen? Das Ergebnis sehen wir ja heute schon. Von all den Ländern ist Deutschland das Schlusslicht und das einzige, das in oder nahe einer Rezession feststeckt. Selbst die bekannten Ordnungshüter unter den deutschen Ökonomen fordern mittlerweile eine Reform der Schuldenbremse.

Schulden sind nicht per se gut oder schlecht
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin nicht der Meinung, dass unspezifische Staatsaufgaben auf Pump etwas Gutes sind. Die Formel ist sehr einfach. Werden Schulden aufgenommen, um einen konsumtiven Staatshaushalt zu finanzieren, führt das allenfalls zu einem konjunkturellen Strohfeuer und im schlimmsten Fall am Ende zu mehr Inflation. Die Schuldenberge allerdings bleiben.

Wird das Geld aber investiv ausgegeben, kann es eine Volkswirtschaft und ein Land umso stärker machen. Die Diskussion in Deutschland wird einfach falsch geführt und unser Finanzminister Christian Lindner, der sich für mich als ewigen FDP-Wähler als vollkommen fantasie- und farblos entpuppt, bedient jetzt das Narrativ, für das einst unsere „schwarze Null“ Wolfgang Schäuble stand.

Leider haut auch CDU-Chef Friedrich Merz in die gleiche Kerbe. Der spricht auf seiner Website von den Wettbewerbs- und Standortvorteilen der USA durch den Inflation Reduction Act und anderen Maßnahmen auf der anderen Seite des großen Teiches. Dabei verschweigt er aber geflissentlich, dass sich die USA derzeit mit acht Prozent neu verschulden, um diese Transformation der Wirtschaft zu finanzieren.

Und es ist eine vollkommene Illusion, zu meinen, man könne einen so gewaltigen Kraftakt bewältigen, ohne dafür die Neuverschuldung zunächst einmal hochzufahren. Sollten die Ausgaben, die notwendig für die Erneuerung des Landes sind, alle irgendwo eingespart werden, wird jede Regierung daran gnadenlos scheitern und bei der nächsten Wahl durch Populisten ersetzt. Sparmaßnahmen sind in einer Demokratie immer nur bis zu einem gewissen Maße durchsetzbar.

Doch weil das Sparen und die Haushaltsdisziplin bei Volkes Seele so gut ankommt, bedienen Lindner und März dieses Bedürfnis, anstatt den Leuten die Wahrheit zu sagen. Die FDP, in der Justizminister Marco Buschmann und Verkehrsminister Volker Wissing einen durchaus guten Job machen, wird diese Sparpolitik wahrscheinlich endgültig unter die Fünf-Prozent-Marke drücken. Robert Habeck und sein Ministerium machen viele handwerkliche Fehler, das kann man nicht bestreiten. Aber Habeck macht wenigstens etwas. Und er ist auch bereit, Fehler zu korrigieren. Lindner reduziert sich aufs Sparen.

Modernisierung aus dem Staatshaushalt nehmen
Wohltuend in die Debatte trifft momentan eine Initiative des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Dieses wies zuletzt daraufhin, dass Deutschland mit 20 Prozent seiner Staatsausgaben viel zu wenig in seine Zukunft investiere. Dazu gehören beispielsweise alle Ausgaben für Forschung, Infrastruktur und Bildung.

Um die Ausgaben zu erhöhen, fordert das ZEW, die Schuldenobergrenze zu erhöhen.  Verbunden wird das mit der Bedingung, dass die zusätzlichen Mittel in Zukunftsinvestitionen fließen müssen. Das ist eine gute Idee vor allem unter dem Gesichtspunkt der Machbarkeit.

Um die Schuldenbremse abzuschaffen, müsste man die Verfassung ändern. Dafür bräuchte man eine Zweidrittelmehrheit. Da hängt die Latte zu hoch. Die CDU will an die Macht und wird dieser Regierung keinen Haushalt genehmigen, der dieser eine gute Arbeit ermöglicht. So weit geht die Liebe für das Land leider nicht. An eine Erhöhung der Neuverschuldung unter besonderen Bedingungen sind aber nicht so hohe Hürden geknüpft.

Mit mehr Wachstum wären mehr Schulden tragbar
Würde unser Land diesen Weg bestreiten – das kreative Potenzial haben wir allemal – dann könnte Deutschland auch in Sachen Standort in ein paar Jahren wieder Champions League und nicht mehr Kreisliga spielen. Und dass etwas Mehr an Schulden ist dann durch mehr Wachstum leichter zu schultern, als eine kleine Verschuldung bei Nullwachstum. Und einen Teil der Verschuldung erledigt ohnehin die Inflation.

Das konnten wir alle 2022 beobachten, als die Schuldenstände der Staaten trotz weiterer Neuverschuldung erstmal nennenswert fielen. Noch stärker als die Schulden stieg die Inflation in dem Jahr. Und das BIP wird eben immer in den Preisen von heute gemessen. Beträgt die Inflation zehn Prozent, ist allein dadurch auch das BIP zehn Prozent höher.

Wie auch immer die Debatte ausgeht, für Anleger ist es viel weniger wichtig als für die Bürger des Landes. Sie können international investieren. Deshalb steigt unter anderem auch der Dax von Rekord zu Rekord. Denn 80 Prozent ihrer Umsätze erzielen die in ihm gelisteten Unternehmen im Ausland.