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Kritische Anmerkung zur Euphorie an den Börsen

Kritische Anmerkung zur Euphorie an den Börsen

Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub

Hurra, wir sind gerettet, Covid19 ist besiegt! Es gibt einen Impfstoff gegen das verdammte Virus… So ungefähr ist die Euphorie einzuschätzen, die die Märkte angesichts der Neuigkeiten aus den Biontec Labors und dem Pharmaproduzenten Pfizer entwickelten. Plötzlich schossen die Werte von Touristikunternehmen, Fluglinien, Reedereien etc. in die Höhe, als ob jetzt die ganze Welt wieder rosarote Träume verwirklichen kann. 

Der DAX30 schaffte wieder den Sprung über 13.000 Punkte und die anderen internationalen Börsen sind in ähnlicher Feierlaune. 

Wer wirklich feiern kann ist die Firma Biontech, die im November die beschleunigte Zulassung beantragen will und der Pharmariese Pfizer, der bereits volle Auftragsbücher vorweisen kann. Wir möchten an dieser Stelle unseren Glückwunsch an die beiden Köpfe hinter Biontech senden, die Mediziner Uğur Şahin und Özlem Türeci. Eigentlich auf Krebsforschung spezialisiert, reagierten Şahin und Türeci sofort als die Pandemie ausbrach. Das Ehepaar verlagerte den Fokus ihrer Forschung, seit dem Frühjahr konzentriert sich Biontech auf die Bekämpfung von Covid19.

Das Mittel mit dem komplizierten Namen “BNT162b2” war von Biontech im Projekt “Lightspeed” (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt worden. Dabei konnte das Unternehmen mit seinen rund 1.000 Mitarbeitern auf die Forschungsergebnisse ihrer Krebsforschung zurückgreifen.

Die für eine Zulassung entscheidende Phase-3-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz soll dann eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht werden. Mit der laut Pressemitteilung mehr als 90 Prozent Wirksamkeit liegt der Grad höher als bei herkömmlichen Influenza-Impfungen.      

Ein Vorteil des RNA-Impfstoffes ist, dass er wesentlich schneller als konventionelle Sera produziert werden kann. Beide Unternehmen planen die Produktion von 50 Millionen noch für 2020 und 1,3 Milliarden Dosen für das kommende Jahr. Deutschland wird 100 Millionen Dosen bestellen, so der Gesundheitsminister. Zu bedenken ist dabei, dass die EU die Verträge ausgehandelt hat. In der EU haben allerdings 27 Mitgliedsländer Zugriff auf erste Lieferungen. Sie sollen nach Bevölkerungsstärke verteilt werden. Deutschland weist einen Bevölkerungsanteil von rund 19 Prozent der EU auf.

Der Logik der einfachen Mathematik folgend, hat die Welt in diesem Jahr die Möglichkeit 25 Millionen und im nächsten Jahr 650 Millionen Menschen zu impfen.

Die Impfskepsis ist nicht nur in Deutschland groß. Verständlicherweise, wenn man bedenkt, dass die Entwicklung von Impfstoffen üblicherweise zwischen 7 und 15 Jahren in Anspruch nimmt. Eine lange Zeitspanne, die deshalb erforderlich ist, um Gesundheitsschäden im Zusammenhang mit einer Impfung auszuschließen, die vielleicht erst nach vielen Monaten oder Jahren erkennbar werden. Es handelt sich dabei nicht nur um eine einfache vielfach erprobte Grippeschutzimpfung. 

Bedenken sollten wir allerdings auch, dass der Impfstoff wohl nicht überall eingesetzt werden kann. Ihr Autor denkt an solche Länder wie bspw. die Ukraine, die Türkei, Brasilien und viele andere, die gar nicht die finanziellen Mittel haben für eine Durchimpfung ihrer Bevölkerung. Hier würde das Virus weiter wüten und die reelle Gefahr besteht in einer Mutation des Virus, dass dann die Wirksamkeit von BNT162b2 teilweise oder ganz aushebelt. 

Und da es keine Impfpflicht für das neue Serum geben wird, jedenfalls nach aktuellen Verlautbarungen der Bundesregierung, ist ein Erfolg im nicht geimpften Teil der deutschen Bevölkerung nicht zu erwarten und schlimmstenfalls eine neue Welle mit einer dann vielleicht völlig anders gearteten Virusmutation wäre die Folge.

Und wenn wir optimistisch davon ausgehen, dass pro Monat eine Million Deutsche geimpft werden könnten, würde es über vier Jahre dauern, bis der nötige Anteil von mindestens zwei Drittel Geimpfter erreicht ist, um eine Grundimmunisierung gegen Covid-19 zu erreichen (vorausgesetzt es kommt zu keiner Mutation!). Und das bedeutet, solange bleiben die Einschränkungen von Wirtschaft und Freiheitsrechten in unterschiedlicher Intensität (je nach Infektionszahlen). 

Die Märkte jedenfalls sind angesprungen und verharren auf einem (noch) hohen Niveau. Alle guten Meldungen sind raus (Corona Impfstoff, Ergebnis US-Wahl). Somit stellt sich die Frage, welche Meldung nun noch die Märkte antreiben kann. Vielleicht ein guter Deal zwischen Brüssel und London. Nach dem Ausscheiden vom Trump aus dem Amt dürften Premier Johnson und die Brexitiers ziemlich allein dastehen mit dem geplanten Handelsabkommen zwischen den USA und Großbritannien. Und auf einen Deal mit Biden sollte Johnson nicht setzen, Bidens Vorfahren sind katholische Iren und der künftige Präsident war in der Vergangenheit stets pro vereinigtes Europa.

Und dann könnten auch noch die Notenbanken ins Spiel kommen. EZB–Chefin Christine Lagarde hat bereits angedeutet, den Instrumentenkasten wieder zu öffnen: verstärkte Anleihekäufe, noch günstigere Langfristkredite für Banken und auch eine weitere Absenkung der (Minus-) Zinsen im Dezember sind möglich.

Verstehen Sie bitte die kritischen Bemerkungen zu dem Impfstoff nicht falsch. Wir können sehr stolz sein, dass es einem deutschen Unternehmen gelungen ist, den Durchbruch im Kampf gegen das die Pandemie auslösende Virus geschafft zu haben. Vielleicht heißt es ja im nächsten Jahr aus Stockholm: Der Nobelpreis für Medizin geht an Uğur Şahin und Özlem Türeci…