Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Wie bereits mehrfach an dieser Stelle beschrieben, war die Stimmung Anfang des Jahres für Aktien sehr schlecht. Die in den Stimmungsindikatoren zum Ausdruck kommende Positionierung der Anleger war sehr defensiv oder sogar auf fallende Kurse ausgerichtet. Dieser Umstand war der Grund dafür, dass die Kurse dann doch stiegen trotz der Belastungsfaktoren wie einer weiter restriktiveren Geldpolitik und einer sich abkühlenden Konjunktur, die letztlich zu der schlechten Stimmung geführt hatten.
Dies geschah bis in den Juli hinein, so dass sich die Stimmungsindikatoren mit den steigenden Kursen teilweise in den Bereich der Euphorie vorarbeiteten. Es kam, wie es kommen musste. Mit der guten Stimmung und der im August einsetzenden saisonalen Schwäche begannen die Kurse zu fallen. Daraufhin kippte die Stimmung wieder. Die Abwärtsbewegung wurde durch die Krise im Nahen Osten noch beschleunigt. Die Kursverluste erreichten über zehn Prozent bei den wichtigsten Aktienindizes und die Stimmung kehrte wieder auf das Niveau zu Beginn des Jahres zurück.
Kurserholung folgte auf dem Fuße
Abermals war die Skepsis der Marktteilnehmer der Grund, dass die Kurse inmitten geopolitischer Unsicherheiten und zehnjähriger Zinsen in den USA von zeitweise fünf Prozent dann doch wieder nach oben drehten. Ein paar wenige gute Nachrichten wie ein schlechter als erwartet ausgefallener Arbeitsmarktbericht in den USA reichten dafür aus. Wenn ein Markt reif für eine solche Bewegung ist, dann kommt sie immer. Und immer lässt sich irgendein Strohhalm finden und greifen, mit dem man diese Bewegung begründen kann. Das alles zeigt einmal mehr, wie wertvoll die Beobachtung von Stimmungsindikatoren ist.
Ist die Hoffnung auf eine Jahresendrallye berechtigt?
Die Kurserholung war saftig, die meisten Indizes legten mehr als fünf Prozent in einer Woche zu. Das führte auch dazu, dass sich die Stimmung wieder drehte, wie eben üblich – der Mensch ist ein Herdentier, der Börsianer besonders. Das Ausmaß des Stimmungsumschwungs innerhalb von nur einer Woche war allerdings in einigen Stimmungsindikatoren so markant, wie man es nur selten sieht.
Normalerweise dauert es doch ein paar Wochen, bis die steigenden Kurse die Anleger von ihrer eigentlichen Meinung abbringen. Meine Interpretation dessen lautet, dass nun die große Hoffnung auf die Jahresendrallye ausgebrochen ist, weil parallel dazu die Erwartung gestiegen ist, dass der Höhepunkt bei den Leitzinsen wie auch bei den Renditen am Anleihemarkt erreicht ist.
Diese Hoffnung ist womöglich gar nicht unberechtigt, allerdings wird dabei immer vergessen, dass Geldpolitik mit Zeitverzögerung wirkt. Das bedeutet, die letzten Zinssteigerungen sind noch gar nicht in den Kursen eingearbeitet. Vergessen werden darf auch nicht, dass ein möglicher Shutdown in den USA ab 17. November bevorsteht. Der neue Sprecher des Repräsentantenhauses ist ein eingefleischter Trump-Anhänger. Vor allem aber ist die Stimmung eigentlich schon wieder zu gut, damit die Kurse noch viel weiter steigen. Ich bleibe daher in Bezug auf eine Jahresendrallye skeptisch.