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Der “big deal”

Der “big deal”

Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub

Spannend bis zuletzt haben es beide Seiten gemacht. Bis kurz vor Weihnachten verhandelten die EU und das Vereinigte Königreich über ein Abkommen für die Zeit nach dem Brexit. Und das Pokerspiel wurde noch durch das Covid19-Virus befeuert. Die mutierte Form kam Brüssel durchaus zupasse. Die Folge war, dass die Grenzen zum europäischen Festland geschlossen wurden. Man kann durchaus vermuten, dass Boris Johnson vor den vielen tausend LKW, die sich in den Häfen stauten, letztendlich eingeknickt ist. Denn das wäre die Folge gewesen, wenn es einen „no deal“ oder „harten Brexit“  gegeben hätte… Alles hätte sich gestaut auf beiden Seiten und das Chaos wäre perfekt gewesen.
Warum es so lange gedauert hat, immerhin ist der Brexit seit 2016 bereits in verschiedenen Stufen vollzogen worden, kann man nur vermuten. Fakt ist eins, Premier Johnson möchte die Vorlage des Abkommens noch in den letzten Tagen 2020 durchs Unterhaus bringen. Die Einigung auf einen Handelsvertrag, in dem die wirtschaftlichen Beziehungen ab Januar 2021 geregelt sind, ist immerhin 1.246 Seiten schwer. Das dürfte für die streiterprobten Abgeordneten des britischen Unterhauses schwer werden, den Vertrag zu lesen und die Schwachpunkte, die durchaus enthalten sind, herauszufiltern. Die taktische Marschroute war dabei klar, bis zum letzten Moment verhandeln und die „hard brexiteers“ in seiner Partei sowie auch die EU-feindliche Presse haben kaum Zeit, den Deal auseinanderzunehmen und herauszufinden, wie viel Kontrolle die EU immer noch über Großbritannien hat.
Und die EU hat auch bis zum letzten Moment mit gepokert. Denn auf der anderen Seite des Kanals werden wohl die Fischer nicht so viel Widerstand in den Parlamenten zusammen bekommen, um das Vertragswerk von vorne herein scheitern zu lassen. Die 27 Parlamente müssen zustimmen und zum Schluss wird das Vertragswerk im EU-Parlament zur Abstimmung gestellt. Allerdings lässt sich die EU mehr Zeit. Sie wird das Abkommen bis Ende Januar zur Entscheidung den Abgeordneten stellen. Und in der Zwischenzeit? Nun, es tritt einfach vorläufig in Kraft und nach der Ratifizierung endgültig. Prima Trick… Über Weihnachten schaute sich wahrscheinlich niemand die Vorlage genau an und zwischen den Jahren feiern alle die Zulassung der Impfstoffe und den Beginn der Impfungen.
Großbritannien verlässt den europäischen Binnenmarkt und die Zollunion und ist damit deutlich weiter vom Orbit Brüssels entfernt als beispielsweise Norwegen oder die Schweiz. Alle Wirtschaftsverbände auf beiden Seiten des Ärmelkanals hatten sich deutlich mehr erhofft. Die Zusammenarbeit ist jetzt auf ein Minimum beschränkt. Den Brexit kann man also eher als hart bezeichnen. Aber es ist kein Sturz über unüberwindbare Hürden mit chaotischen Folgen für Wirtschaft und Menschen.
Der Handel wird erst einmal schwieriger, auch wenn Zölle auf britische Waren dank dem Handelspakt nicht anfallen werden. Aber britische Exporteure in die EU müssen jetzt aufwendig nachweisen, dass ihre Produkte tatsächlich überwiegend im eigenen Land hergestellt wurden. Auch Nachweise für die Einhaltung der EU-Regeln zur Lebensmittelsicherheit und von Produktstandards müssen künftig erbracht werden. Für die Dienstleistungsbranche, sie macht immerhin rund 80 Prozent der britischen Bruttowertschöpfung aus, wird der Zugang zum europäischen Binnenmarkt ab 01.01.2021 erheblich schwerer.
Ein weiteres schwieriges Thema war die Frage nach gleichen Wettbewerbsbedingungen. Brüssel wollte verhindern, dass die Briten ihre Standards bei Arbeitnehmerrechten und dem Umweltschutz senken bzw. auf dem gleichen Niveau belassen und sich dadurch einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Ihr Autor denkt, dass das gerade nicht passieren wird. Es würde zu einer Erstarkung der Gewerkschaften führen, die seit Thatchers Zeiten nur noch ein Schattendasein führen. Und auch die britischen Grünen könnten dann bei den nächsten Wahlen verstärkt in das Unterhaus einziehen. Aber auch Brüssel könnte im Falle der Missachtung der Standards den Streitschlichtungsmechanismus vor dem Partnerschaftrat auslösen, er gleicht dem WTO-Verfahren, wobei letztlich Strafzölle verhängt werden. Die Höhe bestimmt dann wiederum Brüssel.
Wie schwach Johnsons Position insgesamt war, zeigt der Streit um ein Nebenthema, die Fischfangquoten. Der Premier hatte zunächst eine Quote von 60, später von 35 Prozent gefordert. Am Ende einigten sich Brüssel und London auf nur 25 Prozent.
Während Güter und Agrarprodukte durch das Handelsabkommen zollfrei gehandelt werden, gilt das nicht für Dienstleistungsunternehmen. Gerade Finanzdienstleistungen sind aber für die Briten zentral. Wir wissen wie stark dieser Sektor zum BIP beiträgt und jetzt müssen die Briten um ihren starken Londoner Finanzstandort bangen.
Auch die Hochschulen werden kleinere Brötchen backen. Brüssel erkennt die Hochschulabschlüsse zukünftig nicht mehr an, die auf der Insel erworben werden. Das bedeutet dann, dass die vielen ausländischen Studenten aus der EU wegfallen.  
Wir werden sicher noch einmal im Februar oder März auf das Thema zurückkommen, wenn alles in der Praxis umgesetzt werden muss. Das Problem wird sein, wenn es nicht funktioniert, durch hohe Subventionen aus dem vereinigten Königreich ein „Singapur an der Themse“ und ein „Saudi- Arabien der Windkraft“ und eine „Supermacht für Wissenschaft und Forschung“ zu machen. Dann könnte der Fall eintreten, das Großbritannien wieder in die EU zurückkehrt, nur dann ohne Britenrabatt und wahrscheinlich ohne Boris Johnson, dem nicht einmal das reguläre Ende seiner Amtszeit zugetraut wird.