Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Die Gefahr besteht im Zusammentreffen von Krieg, Inflation, Pandemie und international gestörten Lieferketten. Fakt ist dabei eins, die Störungen werden nicht von heute auf morgen beseitigt werden können.
So sind z. B. die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland im März um 93,6 Punkte auf minus 39,6 gefallen – tiefer war der Absturz noch nie seit Einführung des Indexes im Dezember 1991. “Eine Rezession wird immer wahrscheinlicher. Der Ukrainekrieg und die Sanktionen gegen Russland verschlechtern den wirtschaftlichen Ausblick für Deutschland ganz erheblich. Die einbrechenden Konjunkturerwartungen gehen einher mit extrem steigenden Inflationserwartungen”, so ZEW-Präsident Achim Wambach.
Die Hauptursache für die Teuerungsraten sind die Energiepreise, wir haben darauf schon mehrfach hingewiesen. Die hohen Strompreise verteuern in der Folge die Kosten für Energierohstoffe, weshalb einige Produktionsstätten für Aluminium und Zink zurzeit mangels Rentabilität stillgelegt sind. Auch befinden sich die Lagerbestände an den Metallbörsen auf Mehrjahrestiefs. An der LME wurde am Freitag so wenig Aluminium gelagert wie zuletzt im Jahr 2007. Dennoch kamen die Aluminiumpreise im Verlauf der Woche knapp zehn Prozent von ihren Hochs zurück. Börsennotierte Produzenten mit einer robusten Kostendisziplin dürften von dem historisch betrachtet sehr hohem Kursniveau weiterhin profitieren, müssen sich allerdings auf weiterhin hohe Kursschwankungen und -risiken gefasst machen. Dazu kommen die Sanktionen gegen Russland, die ebenfalls mit eingepreist werden müssen, da Russland eben nicht nur Gas und Öl liefert, sondern auch Kohle, Erze, Metalle und seltene Erden.
Einige Unternehmen, z. B. der Automobilzulieferindustrie, haben im Zuge der Globalisierung Standorte in die damals friedliche Ukraine verlagert. Niedrige Arbeitskosten, hohes Qualifikationsniveau und kurze Transportwege nach Europa luden dazu ein. Nur jetzt sitzen sie fest, denn die ukrainischen Zulieferer können jetzt bspw. keine Kabelbäume mehr liefern. Durch den Krieg haben nun viele Firmen ihre Produktion vor Ort einstellen müssen. Und wo gearbeitet werden kann, stehen die Zulieferer vor dem nächsten Problem, denn der Transport ins Ausland gestaltet sich derzeit umso schwieriger. Das bedeutet für die Automobilindustrie sowie für die Zulieferindustrie, dass die Produktion gestoppt werden muss und die Beschäftigten zu Tausenden in Kurzarbeit geschickt werden.
Andere speziell energieintensive Betriebe stellen ihre Produktion ein oder um. Eine Rezession ist nicht nur wahrscheinlich, sondern gewiss. Jetzt muss alles getan werden, um das Abgleiten in eine wirtschaftliche Depression mit einer Stagflation zu verhindern.
Einen Schritt weiter sind die USA, deren Inflationsraten immer noch höher waren als die der EU. Obwohl der Begriff Zeitenwende aktuell geradezu inflationär im Gebrauch ist, die erste Zinserhöhung durch die Fed seit 2018 ist wirklich eine Zeitenwende an den Märkten. Sie hebt ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,25 bis 0,5 Prozent an. Es ist die erste Zinserhöhung seit Dezember 2018. Weitere Zinsschritte werden folgen. Insgesamt bereitet die Fed die Marktteilnehmer darauf vor, auf den sechs weiteren Tagungen in diesem Jahr die Zinsen um jeweils 0,25 Prozentpunkte anzuheben. Der US-Leitzins würde zum Jahresende dann in der Spanne von 1,75 bis 2 Prozent liegen. Im Dezember waren die Fed-Mitglieder im Schnitt noch von drei Zinserhöhungen ausgegangen. Darüber hinaus erwartet die US-Notenbank, dass sie „in kommenden Sitzungen“ verkünden wird, ihre Bilanzsumme, die bis auf rund neun Billionen Dollar angeschwollen ist, abzubauen. Details ließ die Fed aber offen. Die Geldpolitiker hätten jedoch „gute Fortschritte“ gemacht, sodass der Abbau schon beim kommenden Treffen im Mai verkündet werden könnte.
Es scheint ernst zu werden mit der Inflationsbekämpfung. Frau Lagarde und ihre Mitspieler im EZB-Rat werden sich langsam überlegen, welche Antwort die Märkte wohl auf ähnliche Beschlüsse der EZB geben werden. Aufgrund der maßvollen Erhöhung der Leitzinsen durch die Fed, wurde kein Börsenbeben, ausgelöst. Im Gegenteil, die Börsenindizes reagierten positiv. Die Märkte wissen jetzt, worauf sie sich einzustellen haben. Es war auch richtig, nicht gleich die ganz große Keule hervorzuholen. Einige Börsenexperten gingen ja von einem weitaus größeren Zinsschritt aus, bis zu einem Prozentpunkt wurde diskutiert.
Auch am chinesischen Markt tut sich was. Die jüngsten Ausverkäufe an Chinas Aktienmärkten haben nicht nur die Nerven der Anleger strapaziert, sondern auch Peking veranlasst, die Bedenken der Marktteilnehmer zu adressieren und ihre Erwartungen zu stabilisieren. Der in einer Sondersitzung tagende Ausschuss für Finanzstabilität und Entwicklung sprach sich am Mittwoch unter anderem dafür aus, die regulatorischen Vorschriften für Chinas zuletzt stark unter Druck geratene private Plattformunternehmen zukünftig transparenter und für die Märkte vorhersehbarer zu gestalten. Mit Bezug auf Chinas an US-Börsen notierte Unternehmen, denen ab 2024 ein Handelsausschluss droht, würden chinesische und US-Regulierungsbehörden an konkreten Kooperationsplänen arbeiten. Man unterstütze weiterhin alle Arten von im Ausland notierten Unternehmen. Die Märkte reagierten prompt. Der technologielastige Hongkonger HSCE-Index stieg um bis zu 13 Prozent. Das ist der höchste Tagesanstieg seit 2008. Chinesische Festlandaktien machten mehr als vier Prozent gut. Um das Anlegervertrauen in einen stetig wachsenden, qualitativ hochwertigen und investierbaren Aktienmarkt nachhaltig wiederherzustellen, dürften die Märkte neben Absichtserklärungen vor allem sichtbare Ergebnisse überzeugen. Die Wiederbelebung internationaler Börsengänge chinesischer Unternehmen dürfte einen weiteren Wachstumsschub auch für unsere Depotwerte auslösen.