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Der Clubfonds-Ticker
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Börsenwissen: Warum deutsche Aktien allein im Depot nicht der Renner sind Teil 1

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Vorweg gesagt, jeder Anleger hat sich schon deutsche Aktien in sein Depot gelegt und hält sie, wenn sie gut laufen bzw. es eine Hoffnung auf einen Aufschwung gibt. Es soll ja heute noch Telekom-Aktionäre der ersten Stunde geben, die immer noch hoffen, dass ihre Volksaktie einen Sprung über die schon einmal erreichten 100 Euro macht. Aber auch andere Aktien sind ebenso wegen der lang gehegten Hoffnung auf bessere Zeiten in den Depots der Anleger zu finden. 

Verstehen Sie ihren Autor bitte nicht falsch, deutsche Aktien haben durchaus ihre Qualitäten zur richtigen Zeit, nur sind die meistens sehr schnell wieder verschwunden. Siehe Biontech, wir erinnern uns daran, dass es einen Hype um den mRNA Impfstoff gab, der die Aktie zu Pandemie-Zeiten befeuerte. Nun warten Anleger auf die neuen guten Zeiten, wenn es Durchbrüche bei der Krebsbehandlung auf der Grundlage mit mRNA zu vermelden gibt. Wann das sein wird, wissen die Anleger natürlich nicht und wahrscheinlich auch die Forscher von Biontech nicht exakt.

Oder denken wir an die verschiedenen deutschen Autoaktien, die in der Vergangenheit  eine solide Basis  für ein Depot waren. Aber durch Fehlentscheidungen der Managementebene wurde die einst solide Basis doch sehr bröcklig.

Der Anteil deutscher Aktien an der globalen Marktkapitalisierung lag dem Analyseportal MacroMicro nach im August 2024 bei knapp 2,5 Prozent. Der Anteil des BIP an der weltweiten Wirtschaftsleistung beträgt rund 4,5 Prozent. Im Vergleich dazu ist es ziemlich viel Geld, das deutsche Anleger am Heimatmarkt investieren. Einer Studie des Beratungsunternehmens Barkow Consulting zufolge bestanden die Depots der Deutschen zwischen 2016 und 2021 zu 58 Prozent aus deutschen Aktien. Damit haben Anleger hierzulande rund 100 Milliarden Euro zusätzliche Rendite ungenutzt gelassen, denn die restlichen, international angelegten, 42 Prozent des Depots, hätten im ausgewählten Fünfjahreszeitraum eine Durchschnittsrendite von 9,6 Prozent erzielt. Deutsche Aktien hingegen kamen im Schnitt nur auf 3,3 Prozent.

Aber das ist nicht nur in Deutschland so, sondern international überall das gleiche Problem. Der sogenannte Home Bias lässt grüßen. Unter Home Bias verstehen wir die „Voreingenommenheit für die Heimat“; „Heimatmarktneigung“, English  Equity Home Bias Puzzle ist ein Anglizismus im Finanzwesen  und in der Verhaltensökonomik, bei dem Anleger zu der Präferenz neigen, Finanzprodukte oder Finanzinstrumente von Emittenten aus dem Inland zu bevorzugen.

Das Phänomen ist nicht nur ein deutsches Problem, sondern es tritt weltweit zutage. Anleger investieren häufig große Summen auf ihrem jeweiligen Heimatmarkt. Das ist naheliegend, besonders für Privatanleger. Meist ist die Informationslage mit Blick auf die heimischen Unternehmen besser, was ja wohl auch stimmt, wenn die Unterlagen zur Verfügung stehen und Anleger die Zeit dafür finden diese zu studieren. Der Home Bias spielt bspw. in Deutschland das Bundesland, ja sogar ggf. die Region oder die Stadt eine Rolle bei der jeweiligen Anlagenentscheidung.

Die Gründe für den Home Bias sind nachvollziehbar:

Als erstes sind die Transaktionskosten zu nennen. Eine Geldanlage im Ausland ist mit höheren Transaktionskosten verbunden. Ihre Vermeidung erhöht die Rendite der Anlage. Das gilt auch für die Doppelbesteuerung, Risiko bzw. zusätzlicher Aufwand durch ausländische Quellensteuern. Die können sich Anleger teilweise zurückholen, wir hatten darüber schon berichtet.

Zweites sind Informationsdefizite vorhanden. Während sich der Anleger über die Unternehmensdaten am Heimatmarkt relativ gut informieren kann und unter anderem deshalb glaubt, die Chancen und Risiken gut einschätzen zu können, fehlen ihm teilweise diese Informationen bei Anlagen auf ausländischen Märkten. Es gibt sie zwar, aber sie liegen in Englisch vor und nicht jeder Anleger stürzt sich mit großem Eifer auf diese Daten.

Und als drittes sind Wechselkursrisiken vorhanden. Da die Rendite des Anlegers neben der Rendite der Anlage selbst durch die Änderung des Wechselkurses bestimmt wird, erscheint eine Anlage im gleichen Währungsraum risikofreier. Das kann sich zwar positiv auswirken und für eine Zusatzrendite sorgen, aber es gibt auch negative Auswirkungen durch den Wechselkurs, wie wir wissen.

Und trotz der aufgeführten Probleme bringen Anlagen in internationale Aktien mehr Rendite, nämlich fast das Dreifache, wie wir bereits ausgeführt haben.

Es ist eben bequemer, einheimische Aktien ins Depot zu nehmen. Ohne sich explizit mit Zalando beschäftigt zu haben, wüssten wohl die meisten Deutschen, womit die Berliner ihr Geld verdienen.  Schwieriger wird es dann, wenn man sich das chinesische Pendant ins Depot holen will. Hier müssen interessierte Anleger Informationen über die PDD Holding zusammen suchen.  Das ist unter anderem der Mutterkonzern der chinesischen Shopping-App Temu.

Der Blick über die Märkte oder warum wir auf Indien unseren Fokus richten müssen Teil 2

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Eine wachsende Zahl von Unternehmen in Indien hält sich bei der Offenlegung von Finanzdaten, der Behandlung von Minderheitsaktionären und der kontinuierlichen Verbesserung der Unternehmensführung (Corporate Governance) an beste Verfahrensweisen. Mehr Transparenz ermöglicht es dem Markt, die Finanzlage von Unternehmen zu beurteilen und die Risikofaktoren abzuwägen. Dies ist auch für eine niedrigere Risikoprämie und besseren Bewertungen förderlich.

In Indien ist es üblich, dass sehr viele Unternehmen von Familien geführt und kontrolliert werden. Das größte ist dabei die seit 1870 sich am Markt befindliche Tata-Gruppe, deren Ursprünge im von Jamshedji Tata gegründeten Mischkonzern liegen. Jamshedji Tata gilt übrigens als Vater der indischen Industriealisierung.

Es gab schlagzeilenträchtige Fälle rund um familienkontrollierte Unternehmen und andere Formen von Rechtsstreitigkeiten, die diesen Mentalitätswandel unterstreichen: Forderungen nach mehr Befugnissen für unabhängige Vorstände und mehr Schutz für Minderheitsaktionäre trafen in den nationalen Finanzmedien auf ein breites Echo. Schließlich will Indien das ausländische Kapital für seine industrielle Entwicklung nutzen.

Wir hatten ja schon festgestellt, dass Indiens Märkte schon allein auf Grund der Bevölkerungszahl sehr umfangreich sind. Aber sie sind auch sehr liquide. Über 170 an indischen Börsen notierte Aktien weisen eine Marktkapitalisierung von mehr als fünf Milliarden Dollar auf (der vierthöchste Wert weltweit). Das tägliche Umsatzvolumen ist hoch. Mehr als 250 Aktien weisen einen durchschnittlichen Tagesumsatz von über 10 Millionen Dollar auf. Diese Größenordnung wird lediglich von den Aktienmärkten Japans, der USA und Chinas übertroffen.

Fakt ist auch, die indischen Aktienmärkte bekommen im Gegensatz zur deutschen Börse nicht gleich eine Grippe, wenn die Wallstreet einmal hustet. Die indischen Aktienmärkte weisen für gewöhnlich eine geringe Korrelation zu anderen großen Aktienmärkten auf. Indien weist nur eine mäßige Korrelation zu den Märkten der Industrieländer auf (0,59 gegenüber Europa, 0,54 ggü. den USA, 0,49 ggü. Japan). Seine Aktienmärkte stellen auch, verglichen mit vielen Bestandteilen des MSCI Emerging Markets (0,57 ggü. Korea, 0,44 ggü. China), eine ebenso geringe oder sogar noch niedrigere Korrelation unter Beweis.

Der indische Staat hält sich weitgehend aus dem Aktienmarkt heraus. Denn ein ebenfalls wichtiges Differenzierungsmerkmal Indiens ist, dass staatliche Unternehmen (State-Owned Enterprises, SOEs) nur 11 Prozent des Aktienmarktes ausmachen, während es bei chinesischen A-Aktien (gemessen am MSCI China A Onshore Index) etwa 46 Prozent sind. Generell gilt, dass staatliche Unternehmen gewöhnlich zu niedrigeren Bewertungsmultiplikatoren gehandelt werden als private Unternehmen, da sie möglicherweise soziale Ziele verfolgen, die den Interessen von Minderheitsaktionären zuwiderlaufen.

Und Indien gilt nicht Land der Aktienmuffel. Wichtig für Investoren ist, dass die Zuflüsse in systematische Investmentpläne (SIP = systematic investment plan) ungebrochen neue Höchststände markieren, denn diese Form des regelmäßigen Sparens wird immer beliebter. Dieser inländische Pool an Ersparnissen dürfte beständiger und weniger abhängig von Faktoren wie Währungsdynamiken, globalen Zinssätzen oder geopolitischen Entwicklungen sein.

Ein Großteil der jüngsten Dynamik an den indischen Aktienmärkten ist natürlich vorerst auf inländische Kapitalflüsse zurückzuführen, da Wohlstand und Marktzugang der gut indischen Sparer zunehmen. Das dürfte auch daran liegen, dass die junge und gut ausgebildete Bevölkerung in Indien auf dem Vormarsch ist und in Indien die Börse nicht als Glücksspiel gesehen wird wie teilweise in China. Dies heißt aber noch lange nicht, dass ausländische Anleger kein Interesse an Indien haben. In der Tat verzeichneten indische Anlagewerte im Jahr 2023 auch ein Rekordinteresse aus dem Ausland: Ausländische institutionelle Anleger (FI = foreign investors) investierten insgesamt 21 Milliarden Dollar in Aktien. Das führt natürlich auch zu neuem Denken bei den Index Anbietern. MSCI nahm im November 2023 neun indische Unternehmen in seinen MSCI Emerging Markets auf und erhöht damit die Gewichtung Indiens innerhalb dieser Benchmark von 15,9 auf 16,3 Prozent.

Auch bei Börsengängen kann Indien mit der Weltspitze mithalten. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 56 neue Notierungen hinzu. Eine robuste IPO-Pipeline zieht in der Regel ausländische Mittelflüsse nach sich, insbesondere wenn die neuen Notierungen in Wachstumssektoren wie Fintech, Lebensmittellieferdienste, Edtech (= educational technology, dt. Bildungstechnologie), Tourismus und Einzelhandel erfolgen.

Natürlich gibt es auch Probleme im indischen Aktienmarkt; das wollen wir nicht verschweigen. Wir kennen ihn zu wenig, weil er bisher nicht so sehr im Fokus stand. Zum großen Teil liegt es daran, dass wir unsere gesamte Aufmerksamkeit auf China gerichtet haben. Anleger sollten wirklich einen Blick auf den Subkontinent werfen und sich genau vor einem Investment über die Chancen aber auch über die erhöhten Risiken informieren. Indien ist immer noch ein aufstrebendes Schwellenland, aber eins mit alter Börsentradition.

Der Blick über die Märkte oder warum wir auf Indien unseren Fokus richten müssen Teil 1

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Asien besitzt sehr viel Politisches aber auch immer mehr wachsendes wirtschaftliches Potential. Die meisten Anleger denken bei Asien immer nur an die Wirtschaftsriesen Japan, China, gegebenenfalls noch an Taiwan wegen der Chipindustrie, was den Anlegern kurz- und mittelfristig viel Kopfzerbrechen bereiten könnte. Wir haben darüber bereits öfter berichtet. Deshalb sollten auch Kleinanleger über Investitionen in Indien nachdenken.

Die Sichtweise der Anleger in Bezug auf Indien hat sich geändert und die Aktienmärkte des Landes werden immer beliebter. Während einige dies für eine kurzlebige Modeerscheinung halten, sind mittlerweile viele Investoren jetzt schon der Meinung, dass wir einen Wendepunkt erreicht haben, an dem Indien aufgrund seiner Marktgröße einfach nicht mehr ignoriert werden kann. Tatsächlich können langfristige aber auch schon mittelfristige Faktoren ausfindig gemacht werden, welche die indischen Aktienmärkte besonders attraktiv erscheinen lassen.

Die Aktienanlage hat in Indien eine lang etablierte Tradition ganz im Gegensatz zum kommunistischen China. Die Bombay Stock Exchange (BSE) in Mumbai, die größte indische Börse, wurde 1875 gegründet und ist damit die älteste in Asien. Zusammen mit der National Stock Exchange of India (NSE) und anderen lokalen Börsen weist der gesamte indische Aktienmarkt mittlerweile eine Marktkapitalisierung von mehr als 4,3 Billionen Dollar auf (Stand: 31. Dezember 2023). Das macht ihn zum fünftgrößten Markt weltweit und zum zweitgrößten unter den Schwellenländern (nach China).

Die Marktkapitalisierung indischer Aktien entspricht 70 Prozent derjenigen Japans und 63 Prozent der Marktkapitalisierung der Börsen innerhalb der Euronext. Im Kontext der Schwellenländer macht das Gewicht des MSCI India in etwa 16,3 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung des MSCI Emerging Markets aus – ein Anteil, der in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen ist und noch weiter steigen wird.   

Zum anderen war Indiens Wirtschaftswachstum im letzten Jahrzehnt beachtlich. Das Land trug im Jahr 2023 schätzungsweise 17,6 Prozent zum globalen BIP-Wachstum bei. Verglichen mit weniger als 8 Prozent im Jahr 2001, hat es sich mehr als verdoppelt. Diese beeindruckende Entwicklung wird durch verschiedene Faktoren untermauert. Indien weist den weltweit größten Markt an jungen Konsumenten auf: Bis 2030 wird es schätzungsweise 360 Millionen indische Verbraucher unter 30 Jahren geben. Passenderweise wird die digitale Infrastruktur Indiens stetig ausgebaut und an die Bedürfnisse dieser jüngeren, urbaneren Verbraucher angepasst. 43 Prozent der digitalen Echtzeit-Zahlungen weltweit finden schon heute in Indien statt. Und nicht umsonst haben sehr viele deutsche und europäische Banken und Versicherungen ihre IT-Zentren nach Indien ausgelagert.

Ähnlich wie Deutschland hat Indien sein Bildungssystem speziell auf MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) ausgerichtet. Laut einer Statistik der UNECO aus dem Vorjahr haben unter den indischen Hochschulabsolventen 34 Prozent einen Abschluss in diesen Disziplinen, ein Anteil, der höher ist als in vielen anderen Ländern, einschließlich Frankreich (25,9 Prozent) und den USA (19,8 Prozent). Angesichts eines solchen Bildungsweges bringt das Land hochqualifizierte Arbeitskräfte hervor, die wiederum vielfältige Beschäftigungsmöglichkeiten und das Potenzial für Wohlstand schaffen. In vielerlei Hinsicht wird erwartet, dass eben diese Absolventen den innovationsbasierten Wandel in traditionellen Bereichen der indischen Wirtschaft vorantreiben werden. Übrigens, Deutschland führt in dieser MINT- Statistik (noch) mit 35,8 Prozent.

Umfang und Vielfalt der indischen Aktienmärkte bieten zahlreiche Möglichkeiten für auf Einzelwerte ausgerichtete Anleger. Neben den traditionellen Sektoren wie Pharmazeutika (Indien ist der weltweit größte Lieferant von Impfstoffen und Generika und wird es wohl trotz aller europäischer Bemühungen in den nächsten Jahrzehnten auch bleiben), gibt es Bereiche wie IT-Dienstleistungen (Schätzungen zufolge sind zwischen 50 Prozent und 70 Prozent der weltweit beschäftigten Mitarbeiter in den Bereichen Technologie und Betrieb in Indien ansässig).

Ferner befinden sich zyklische Bereiche wie Industrie- und Immobilienwerte im Aufwind und profitieren von der Erholung im Zuge von Covid sowie von geopolitischen Faktoren (z. B. durch die Strategie „China+1“ zur Diversifizierung der Lieferketten, die von vielen multinationalen Unternehmen eingeführt wird). Inländische Konsumwerte und disruptive Innovatoren wiederum sind Nutznießer von demografischen und digitalen Trends.

Schließlich hat die reformorientierte und unternehmensfreundliche Regierungsagenda von Premier Narendra Modi vermehrte Investitionen in „zukunftsorientierte Branchen“ (Pharmazie, Solar, Elektronik) ausgelöst und die Monetarisierung staatlicher Vermögenswerte durch einen robusten Markt für Börsengänge unterstützt.

So sind in Indien die beiden größten Sektoren zu 38 Prozent im MSCI India Index vertreten. Mit acht Sektoren, die eine Gewichtung von mehr als 5 Prozent im Index aufweisen, bietet Indien erhebliche Diversifikationsvorteile. Das ist eine solide Basis für einen validen Handel mit indischen Aktien, denn sehr viele Fonds wenden sich vermehrt den indischen Subkontinent zu.

Der Blick über die Märkte: Infrastruktur

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Hoffen wir einmal, die wohlverdienten Urlaubstage konnten wie geplant angetreten und wie geplant beendet werden. Wenn nicht, dann liegt es höchstwahrscheinlich an der maroden Infrastruktur in Deutschland. Wobei es nicht nur in Deutschland sozusagen in der Infrastruktur brennt.

Laut Global Infrastructure Outlook von Oxford Economics soll bis 2040 in den 50 Ländern, die in die Untersuchung einbezogen wurden, ein Investitionsbedarf in die Infrastruktur in Höhe von 94 Billionen Dollar bestehen. Diese Summe wäre notwendig, um die länderspezifischen Defizite im Schienen-, Flug- und Straßenverkehr, in der Energie- und Wasserversorgung sowie bei Krankenhäusern und Schulen etc. zu beheben.

Nicht nur Schwellenländer kämpfen mit mangelnden oder unzureichenden Versorgungsstrukturen. Auch europäische Staaten müssen schnell handeln, wenn sie ihren gesellschaftlichen Wohlstand und ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten möchten. Die Infrastruktur in Europa sieht sich mit tiefgreifenden Veränderungen konfrontiert. Konventionelle Energiequellen werden ersetzt und dezentrale Produktions- und Speicherkapazitäten geschaffen. Auch der Transportsektor ist im Umbruch, wo insbesondere alternative Antriebsarten und die verstärkte Vernetzung von Mobilität den Wandel vorantreiben. Ebenso benötigt der Telekommunikationssektor erhebliche Investitionen.

Der jährliche Infrastruktur-Investitionsbedarf für Europa wird vom McKinsey Global Institute auf 500 Milliarden Dollar geschätzt, es sieht jedoch ein Investitionsdefizit von 50 Milliarden Dollar pro Jahr mit steigender Tendenz. Grund dafür ist der hohe finanzielle Druck, unter dem die europäischen Staaten aktuell aufgrund wachsender Zahlungsverpflichtungen für Renten und Gesundheitsversorgung oder für die Bewältigung von Krisen wie der Corona-Pandemie stehen. Traditionelle Kreditgeber wie Banken ziehen sich zunehmend aus diesem Geschäftsfeld zurück.

Dazu kommen noch sehr viel teure und aufwendige Bürokratie und der Widerstand radikaler Gruppen, die versuchen die Baumaßnahmen zu blockieren bzw. zu verzögern, was noch einmal Geld kostet.

Der Staat hat kein Geld mehr, das ist bekannt, hatte er aber auch nie wirklich, denn sonst wäre die Infrastruktur nicht so marode wie bspw. in Deutschland.

Investitionen sind dringend geboten, unabhängig von der Konjunkturentwicklung und damit von der Kassenlage in den Finanzministerien. Ansonsten wird die Wirtschaftsleistung eines Landes oder einer Region gebremst und die Attraktivität als Wirtschafts- und Lebensraum sinkt. Dringend notwendig ist auch der Aus- und Neubau der digitalen Infrastruktur wie Mobilfunknetze, Glasfaser und Rechenzentren.

So ist jetzt die Zeit für privates Kapital gekommen. Das bietet Chancen für private Investoren, denn es gibt eine wachsende Zahl von Infrastrukturprojekten, die für Anleger interessant sein könnten. Diese erbringen einen wesentlichen Mehrwert für die Allgemeinheit.

Natürlich müssen diese Projekte nachhaltig sein, hat nebenbei den Vorteil, dass die Verzögerungen durch die schon erwähnten Widerstandsgruppen nicht zu zeitweiligen Baustopps führen. Nachhaltige Unternehmen, die Umweltaspekte (Environment), soziale Fragen (Social) und Kriterien der Unternehmensführung (Governance) berücksichtigen, sind zurzeit besonders wichtig für Investoren.

Es gibt sehr viele Infrastrukturfonds, das streut das Risiko doch etwas. Wer sich als Aktionär des Risikos bewusst ist, der kann auch in Einzelaktien investieren. Es sind sehr bekannte Aktien, die auch schon lange am Markt sind und auch ein gute Performance aufweisen. Einige hatten und haben wir auch in unserem NDAC-Clubfonds.

Zum Beispiel ist die Deutsche Telekom ein wesentlicher Akteur am Markt, wenn es um die digitale Infrastruktur geht. Und die großen Konkurrenten des deutschen Unternehmens sind auch noch zu nennen, Vodafone und Telefonica Deutschland. Ein paar mehr Milliarden mehr an Marktkapitalisierung bringen die USA-Firmen auf die Waage. Cisco mit rund 184 Milliarden Euro oder Verizon (156 Milliarden Euro) sind nicht so leicht zu verdrängen. Auch Vantage Tower wäre so ein Wert auf dem Gebiet der mobilen Telekommunikation.

In einer ganz anderen Kategorie in der Infrastruktur ist American Water unterwegs. Wir hatten schon vor einigen Jahren auf die Probleme mit dem Blauen Gold hingewiesen. Es wird immer weniger und die abnehmende Menge trifft auf immer mehr Verbraucher.

Die Schiene bleibt nach wie vor das wichtigste Transportmittel, auch wenn der Verkehr auf der Straße immer mehr zunimmt. Die Bahn AG noch nicht an der Börse notiert, aber in anderen Ländern gibt es börsennotierte Gesellschaften. Uns fällt da die Union Pacific Corp. aus den USA ein, die seit mehr als 120 Jahren Dividenden an ihre Anleger auszahlt.

Billfinger SE ist ein deutscher Baukonzern, der in den Bereichen Petrochemie, Chemie, Pharma sowie Öl und Gas als Dienstleister tätig ist.

Und vergessen wir nicht Seewege. Hier sind die dänische APM-Maersk und deutsche Hapag Lloyd zu nennen, die derzeit an einer Umstellung von Diesel auf umweltfreundliche Antriebstechnologien arbeiten. Genauso wie die ob ihres Antriebs in Verruf gekommenen Kreuzfahrschiffe, wie unser Depotwert Carnival.

Es gibt noch viel mehr Bereiche der Infrastruktur, die börsennotierte Unternehmen aufweisen. Doch wollen wir nicht vergessen, dass sehr viele Unternehmen wie bspw. die Baufirma vor Ort, der ÖPNV oder das Transportunternehmen ebenfalls große Anstrengungen für eine funktionierende Infrastruktur unternehmen. Nur sind sie nicht börsennotiert und stehen dadurch nicht so sehr im Fokus.

Tech-Aktien unterm Radar von Big Seven

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Technologieaktien sind weiterhin sehr gefragt und nach dem Kursrutsch natürlich noch mehr. Und wenn wir in Anlegerdepots schauen könnten, würden wir wohl die meisten Aktien der Big Seven auch in den Depots der Kleinanleger finden. Die „Großen Sieben“, sind in der Welt der Technologie-Aktien allgegenwärtig. Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla stehen in der Gunst der Anleger ganz oben. Wer Tech-Aktien kauft, kauft eines dieser Papiere oder alle zusammen, sofern das notwendige Kapital dafür vorhanden ist. Dass Kleinanleger sich damit auch ein Klumpenrisiko ins Depot holen, wenn sie auf die Big 7 insgesamt setzen, ist den wenigstens bewusst. Denn zum einen sind die Papiere schon wegen ihrer hohen Bewertung ein Problem, welches sogar bei Indizes wie den MSCI World und anderen ein Problem wird. Und zum anderen haben wir es mit einer Übergewichtung der US-Aktien im Depot zu tun, denn meistens ist bei normal betuchten Kleinanlegern kein Kapital mehr vorhanden, um weitere Diversifikationen vorzunehmen. Sehr viele Kleinanleger waren deshalb auch überrascht, dass die Märkte eine Entwicklung in letzter Zeit weg von den Technologiewerten eingeschlagen haben.

Natürlich ist es immer gut und wir haben das auch schon öfter empfohlen, Buchgewinne in reale Gewinne umzuwandeln und dann später, wenn die Bewertungen der Big 7 nicht mehr so hoch bewertet sind, wieder einzusteigen. Zumal die gehypten Werte langsam Ermüdungserscheinungen zeigen. Tesla ist ein normaler Autobauer geworden, der nicht einmal in der Produktpalette breit aufgestellt ist, denn er kann nur E-Mobilität. Apple wurde im Depot von Berkshire Hathaway halbiert, sprich verkauft, etc. Die Künstliche Intelligenz ist noch nicht so weit, dass sie hohe Renditen versprechen kann. Es kostet erst einmal alles Geld und das ist Kapital, das woanders fehlt.

Gute Aktien sind zwar teuer, sagen Experten an der Börse, doch bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 50 im laufenden Jahr kann einem schon schwindelig werden.

Was tun? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, speziell wenn die Kurse wieder anspringen und die Aktien so hoch sind, dass es schwerfällt mit begrenztem Kapital Aktien der Big7 zu erwerben. Und ob immer gerade ein Aktiensplit stattfindet, der die Papiere billiger erscheinen lässt, dürfte dann wohl auch in Sternen stehen.

Ein anderer gangbarer Weg, am Boom der Technologiewerte zu partizipieren, wäre den Fokus auf die zweite Reihe zu richten. Denn auch dort finden wir Werte, die einerseits von den großen Trendthemen Künstliche Intelligenz, Big Data und Mobilität profitieren, die aber von ihrer Bewertung her günstiger sind.

Auch wenn Anleger vielleicht nicht unbedingt damit rechnen, es gibt tatsächlich europäische Werte, die nicht jeder auf dem Radar hat, wenn es um Alternativen zu Big7 geht. Deshalb stellen wir hier einmal drei Werte vor.

Rechenzentren müssen gut gekühlt werden, das weiß jeder, der schon einmal dort gearbeitet hat. Vor allem die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz erfordert immer größere Rechenzentren, die enorme Mengen an Strom verbrauchen und damit sehr hohe Temperaturen erzeugen. Doch Server mögen keine Hitze. Werden sie zu warm, versagen sie ihren Dienst. Deswegen müssen sie rund um die Uhr gekühlt werden. Das geht entweder mit Luftkühlung oder mit Flüssigkühlung, letztere kommt verstärkt zum Einsatz. Ein großer Player in diesem Bereich ist Schneider Electric mit Sitz in Rueil-Malmaison in der Nähe von Paris. Der Umsatz konnte im ersten Halbjahr um 3,1 Prozent auf 18,713 Milliarden gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Das bereinigte EBITA stieg im gleichen Zeitraum um 6,6 Prozent auf 3,383 Milliarden Euro. Beim Gewinn je Aktie rechnen Analysten im laufenden Jahr mit knapp acht Euro gegenüber sieben Euro im Vorjahr.

Wie auch immer die Mobilität der Zukunft aussieht, sie wird auf jeden Fall elektronischer. Elmos Semiconductor aus Dortmund stellt Halbleiter vor allem für die Autoindustrie her. Die Bausteine kommunizieren, messen, regeln und steuern die Sicherheits-, Komfort-, Antriebs- und Netzwerkfunktionen im Auto, ganz gleich, ob dieses nun über einen Benzinmotor verfügt oder mithilfe einer Batterie angetrieben wird. Für 2024 rechnen Analysten mit einem Umsatz von knapp 600 Millionen Euro und einem Betriebsergebnis von 147 Millionen Euro. Mit einem 14er-KGV für das laufende Jahr sind die Elmos-Papiere eher günstig bewertet. Elmos wurde erst im Juni in den TecDAX aufgenommen. Ein Prestigegewinn, der bislang an der Börse kaum beachtet wurde, wie immer, wenn es um Werte jenseits der DAX40 geht.

Beim Onlinehandel denken die meisten Anleger an den Branchenprimus Amazon. Ein paar Nummern kleiner ist Zalando, aber immerhin die Nummer drei im Online-Handel in Europa mit einem Umsatz von rund 10 Milliarden Euro. Kein Geheimtipp, Zalando ist schon seit vielen Jahren an der Börse notiert. Dennoch ist es günstiger als Amazon – mit einem 33er-KGV für das laufende Jahr und einem Kurs-Umsatz- Verhältnis von 0,6 (Amazon: KGV 43 und KUV 3,2). Zalando hat sich zum europäischen Marktführer im Onlinevertrieb von Damen-, Herren- und Kinderbekleidung sowie Schuhen seit 2008 gemausert. Onlinehandel muss nicht immer aus Amerika kommen.

Wir sehen an den Beispielen, es gibt relativ günstige Aktien aus Europa, die Anleger alternativ und billig erwerben können, wenn die Big7 überbewertet sind.

Die wirtschaftlichen Akzente für den US-Wahlkampf Teil 4

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Donald Trump sieht im Bitcoin ein Instrument, mit dem sich China und Russland international finanzielle Vorteile verschaffen möchten. Daher unterstützt er das Schürfen von Bitcoin in den USA und er unterstützt auch den Bitcoin als Zahlungsmittel. In seinen letzten Äußerungen auf der Bitcoin Convention in Nashville / Tennessee ist vom Bitcoin als Währungsreserve der USA die Rede. Über Vizepräsidentschaftskandidat  J.D. Vance ist bekannt, dass er schon Bitcoin für sich gekauft hat. Das würde im Falle eines Sieges von Trump der Bitcoinwährung einen gewaltigen Schub Richtung Norden geben.

Unter Joe Biden wurde der erste ETF auf Bitcoin und Ethereum zugelassen. Es scheint im Augenblick nicht das große Geschäft zu werden. Der größte Vermögensverwalter Black Rock, mittlerweile auch zu einem der größten Player im Krypto-Business aufgestiegen, beobachtet bei seinen Kunden nur sehr wenig Interesse an Kryptowährungen außerhalb von Bitcoin (BTC) und Ethereum (ETH). Aufgrund dieser Beobachtungen erwartet Black Rock in naher Zukunft keine umfangreiche Erweiterung seines Angebots an börsengehandelten Krypto-Indexfonds (ETFs) über BTC und ETH hinaus. Anders denkt dagegen die altehrwürdige Vermögensverwaltung Franklin Templeton. Sie sieht auch in anderen Kryptowährungen noch ein riesiges Potential, wie andere Vermögensverwalter ebenso.  

Die Wahlergebnisse in den USA werden mit Sicherheit auch Auswirkungen auf die Politik in Europa haben. 

Aber eines ist sicher: Deutschland wird sich warm anziehen müssen. Ihr Autor kann sich zwar wirklich nicht vorstellen, dass Trump die NATO verlassen würde. Aber die Rhetorik in diese Richtung wird er hochfahren, um Europa und insbesondere Deutschland zu drängen, ebenfalls aufzurüsten. Seiner Ansicht nach sehen wir uns einer Bedrohung durch autokratische Systeme gegenüber, die es mit militärischen Mitteln zu verteidigen gilt. Ein Widerspruch in sich, denn er hat selbst autokratische Züge und pflegt beste Beziehungen zu anderen Autokraten, aber eben halt nicht zu allen.

In seiner vorherigen Amtszeit konnte er durch die Rhetorik, das Bild des unberechenbar wütenden Chaoten, viele Autokraten in Schach halten. Ob dies in einer möglichen zweiten Amtszeit erneut funktioniert, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass die Stimmung aufgeheizt wird. Entsprechend dürften internationale Rüstungsaktien unterm Strich eher weiter beflügelt werden. 

Allerdings ist sowohl unter Trump und als auch unter Harris die Einhaltung des Zweiprozentzieles der NATO durch die Mitgliedsstaaten nicht verhandelbar. Dass bedeutet, dass wir in Deutschland umverteilen müssen. Es werden harte Jahre auf die Bevölkerung zukommen und dafür werden die Parteien in das schwere Wasser der Verteilungskämpfe geraten. Begleitet wird diese durch soziale Unruhen. Die Zeit der Friedensdividende ist schon länger vorbei, nur hat es die deutsche Bevölkerung zum größten Teil noch nicht so zu spüren bekommen.

Wie schon ausgeführt, was sicher sehr gut unter beiden Präsidentschaftsalternativen laufen wird, werden Rüstungsaktien sein. In Deutschland ist das bekannteste Unternehmen auf dem Gebiete der Rüstung Rheinmetall. Schon jetzt weiß sich die Rüstungsschmiede nicht mehr vor Aufträgen zu retten. Wirtschaftsminister Robert Habeck und Verteidigungsminister Boris Pistorius wollen Deutschlands Rüstungsindustrie fit machen. Dafür erwägen sie auch Staatsbeteiligungen in Rüstungskonzerne. Laut “Handelsblatt” geht das aus einem Entwurf aus Regierungskreisen hervor. Ziel sei, den Aufbau von Rüstungsbetrieben zu beschleunigen. Der Einstieg des Staates bei Rheinmetall soll nach Ansicht ihres Autors eine Übernahme durch größere Rüstungsunternehmen aus dem Ausland verhindern. Das wird ziemlich teuer werden und das bei den Haushaltsproblemen, da entsteht sehr viel Umverteilungsbedarf.

Die USA-Konzerne sehen es bestimmt nicht sehr gern, sollten sie überhaupt an deutschen Rüstungskonzernen interessiert sein, wenn ihnen dadurch die Übernahme eines Unternehmens durch eine Staatsbeteiligung erschwert wird. Auch würden Trump und Harris darauf drängen, dass Deutschland für seine Wiederaufrüstung mehr Waffen in den USA kauft. Es war ein Meisterstück der USA-Administration neue atomwaffenfähige Trägersysteme in Deutschland zu stationieren. So schafft man politische und damit sukzessive ökonomische Abhängigkeiten.

Nun zum Schluss der Ukraine-Krieg. Trump hat vollmundig erklärt, der Krieg werde im Falle seines Wahlsieges (November) von ihm beendet, bevor er zum Präsidenten vereidigt wird (Januar). Er spricht von 24 Stunden um einen Deal mit Putin auszuhandeln. Das klingt zwar gut, aber es fehlt der Glaube. Zumal die Ukraine jetzt einen militärischen Coup in Russland gelandet hat. Egal, ob sich die Gebietseroberung noch bis zur Wahl im November halten lässt, hat die Ukraine damit eine neue Situation und damit auch eine neue Verhandlungsmasse geschaffen, die es vorher noch nicht gab. Sollte es nicht mit der Regierung Biden / Harris abgesprochen sein, wäre es höchst verwunderlich. Es bleibt für Kamala Harris nur die Alternative, die Ukraine jetzt weiter zu unterstützen, sofern es die Mehrheiten im Kongress hergeben.

Beide Kandidaten werden aufrüsten, denn es geht nicht nur um die Ukraine, sollte es in Washington je darum gegangen sein. Es geht in erster Linie um die Wiederherstellung der ökonomischen und militärischen Vorherrschaft der USA. Diese wird bekanntlich, trotz der aktuellen Probleme dort, von China in Frage gestellt.

Die wirtschaftlichen Akzente für den US-Wahlkampf Teil 3

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Deutschland und die Mitgliedsländer der EU sind nicht allein mit der Überregulierung der Wirtschaft. Auch in den USA ist sie im Laufe der Zeit sukzessive, wie im alten Europa, entstanden.

Gerade kleine Unternehmen, auch die gibt es in USA zuhauf und stehen im Schatten der großen Wallstreet-Giganten, stöhnen unter der Last der Pflichtmeldungen und Auflagen. Die Großkonzerne haben bekanntlich Abteilungen dafür, deren Kosten verhältnismäßig geringer und besser auf die Erzeugnisse kalkuliert werden können, als bei kleinen und auch mittleren Unternehmen.

Einerseits erwartet die Wirtschaft von Donald Trump die überbordende Regulierung und Bürokratie in den USA zurückzuführen und der Wirtschaft eine größere Freiheit einzuräumen.

Zum anderen dürften die Tech-Unternehmen wohl nicht so sehr auf der Agenda von Trump stehen, im Gegensatz zu seiner Herausforderin, die anders als Trump sehr gut vernetzt ist im Silicon Valley. Wir erinnern uns, hatte Trump nicht sogar die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley gefressen? Angefangen von Meta, Alphabet etc. bis hin zum damaligen Twitter, denen er allesamt vorwarf, schlecht über ihn zu berichten und Artikel zu seinem Nachteil zu zensieren. Er gründete sogar eine eigene Newsplattform “TruthSocial”, um sich der Zensur zu entziehen. Ok, TruthSocial läuft nun auch nicht mehr so gut, seit Harris im Rennen ist, so dass man vielleicht ein Umdenken des Ex-Präsidenten erwarten könnte. Aber was macht Trump? Er ernannte J.D. Vance zu seinem Partner als möglicher Vizepräsident im Wahlkampf. Vance betrachtet die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley als schädlich für den Mittelstand und möchte deren Macht beschneiden. Er hat eine recht neue Wirtschaftssicht: Zwar setzt er auf die Marktwirtschaft, die bessere Lösungen hervorbringt als durch in seinen Augen fehlgeleitete soziale und moralische Interventionen. Gleichzeitig befürwortet er jedoch eine starke Hand des Staates, der intervenieren kann. Wohlgemerkt, also nicht dirigieren, sondern intervenieren. Damit liegt er voll auf der Linie von Trump und kann im Wirtschaftsbereich keine weiteren Wählerschichten für die Republikaner erschließen.

Natürlich wird eine mögliche Präsidentin Harris moderater agieren, wohl wissend, dass sie Kongressmehrheiten braucht, die sie erst erringen muss. Und die Demokraten haben in acht Jahren Obama und vier Jahren Biden diese Überregulierung mit geschaffen. Und es wird schwer werden, nun wieder eine Deregulierung einzuleiten. Als 2008 die große Weltfinanzkrise in den USA ihren Anfang nahm, riefen die Marktakteure, aber auch die Bevölkerung, nach stärkerer Regulierung der Märkte. Und wer saß damals im Weißen Haus? George W. Bush, ein Republikaner. Obama und Biden setzten nur diesen Weg dann fort. Trump hat in seiner ersten Präsidentschaft nicht so sehr viel Bürokratie für die kleinen und mittleren Unternehmen abgebaut oder ihrem Autor ist etwas entgangen.

Dafür hat Trump einen Handelskrieg mit China begonnen, den er wohl fortsetzen wird, auch zu Lasten von Taiwan. 

Trump drohte bereits, auf Importe von China pauschal einen Zoll in Höhe von 60 Prozent zu erheben. In Verbindung mit seiner Aussage, Taiwan könne sich nicht kostenlos auf den Schutz der USA verlassen, scheint nun die gesamte Chipindustrie bedroht zu sein. Immerhin werden bekanntlich zwei Drittel aller Chips der Welt in Taiwan gefertigt.

Und in die andere Richtung würde ein Zoll von 60 Prozent einen Handelskrieg mit China vom Zaun brechen, der auch die Fertigprodukte aus den USA nach China belasten dürfte. Viele chinesische Chips werden in Geräte eingebaut, die anschließend wieder nach China exportiert werden. China würde solche Zölle natürlich mit einer entsprechenden Gegenmaßnahme beantworten, was den Welthandel stark belasten würde.

Unter einer Präsidentschaft Harris würde es wohl auch nicht besser laufen. Vielleicht würden sich aber Harris und Präsident Xi bei einem Treffen über einen moderaten Umgang im Handelsstreit verständigen. Aber wir dürfen nicht vergessen, die Chinesen machen den USA die wirtschaftliche Vormachstellung abspenstig. Und sie kämpfen beide mit harten Bandagen. Unter Harris wird deshalb wohl kein Einlenken zu erwarten sein. Zumal sich eine Gruppe von Staaten in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zusammengeschlossen haben. Ziel ist die Schaffung einer neuen politischen und ökonomischen Weltordnung unter Führung der Volksrepublik China. Putin mischt da auch noch ein wenig mit, nur ist er wirtschaftlich zu schwach auf der Brust, um irgendetwas durchzusetzen gegenüber den beiden Wirtschaftsgiganten China und Indien, die ihm praktisch dass Überleben sichern. 

Präsident Biden hat sich, geleitet von wirtschaftlichen und politischen Interessen, nicht vor der Auseinandersetzung mit China gescheut. Eine Präsidentin Harris wird aber jetzt mit viel mehr Gegenwind, nicht nur aus China, sondern auch aus der wirtschaftlich nicht gerade schwachen Staatengruppe SOZ, rechnen müssen.

Wahrscheinlich wird den USA nichts anderes übrig bleiben, als einen Ausgleich über die WTO zu erreichen. Dazu müsste die WTO weiter gestärkt werden, um aus eine neutrale Position einnehmen zu können, die dann von allen Seiten akzeptiert wird. Das traut ihr Autor einer Ex-Generalstaatsanwältin mehr zu, als einem Gespann Trump/Vance.

Die wirtschaftlichen Akzente für den US-Wahlkampf Teil 2

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Im Bereich Gesundheit nehmen sich Harris und Trump nicht viel: In Wahljahren wird auf Pharmakonzerne, auf Krankenkassen und alle Beteiligten eingeprügelt, dass die Versorgungskosten bezahlbar bleiben sollen. Wir dürfen fast sicher annehmen, dass das Patient Protection and Affordable Care Act (PPACA), auf gut deutsch Patientenschutz und „erschwingliche Pflege“ oder auch unter „Obamacare“ bekannt, auch die nächsten vier Jahre überstehen wird. Trump hat es trotz vollmundiger Ankündigungen in seiner ersten Amtszeit nicht geschafft, dass für ihn ungeliebte Gesetz zu kippen, so dass es wahrscheinlich auch die nächsten vier Jahre überleben wird. Unter Harris wird das Gesetz vielleicht sogar weiter ausgebaut.

Mit unserem Depotwert United Health sind wir dabei gut aufgestellt. Natürlich sind die Preise für die Gesundheit auch in den USA sehr hoch und bringen so manchen privaten Versicherer dazu, auch Strukturmaßnahmen durchzuführen. Gewinn und Dividende wird auch weiterhin das Kriterium für Anleger sein.

Die Pharmaindustrie wird weiter neue Produkte aus ihrer Pipeline auf den Markt werfen. Wir haben es bei unserem Depotwert Eli Lilly erlebt, was für ein Hype die Abnehmspritze hervorgerufen hat. Die Rendite wird mit Sicherheit zukünftig stimmen, egal wer die Wahl gewinnt. Denn die meisten amerikanischen Bürger sind größtenteils zu klein für ihr Gewicht, um es einmal höflich auszudrücken.

Auf Pharmaunternehmen können Anleger unbesorgt weiter setzen. Unsere anderen Depotwerte Pfizer, Regeneron, Biontech etc. sind zwar alle etwas unter die Räder gekommen, aber das ist auch ein wenig der Unsicherheit der Politik geschuldet und selbstverständlich auch der Härte der Justiz in den USA. Wir haben vor Kurzem erst wieder darüber berichtet.

Wie geht es nun beim Klimaschutz weiter?
Das Klima kümmert sich um sich selbst, sagt Trump. Klimaschutz war ihm nicht wichtig während seiner ersten Präsidentschaft. Weshalb entsprechend wohl alle Solarunternehmen auf Tauchstation gehen: SolarEdge, Endphase, First Solar, u.a. hängen nun einmal am Tropf der Fördermittel, die unter einer erneute Trump-Präsidentschaft sicherlich gekürzt oder eben ganz gestrichen werden. Ihr Autor denkt sogar, dass Trump wieder aus dem internationalen Klimaschutzabkommen aussteigen wird.

Unter Harris sind solche Überlegungen fehl am Platz, denn sie wird einem weiteren Kampf für den Klimaschutz offen gegenüberstehen. Dafür wird übrigens auch die Versicherungswirtschaft sorgen, denn schließlich haben die USA auch schon öfter die monetären Folgen des Klimawandels erlebt und das zehrt an der Rendite der Gesellschaften.

Vermutlich würde Trump Steuererleichterungen auf Elektroautos streichen und schafft sich dadurch einen Gegner, der den Republikanern schon bei der nächsten Zwischenwahl über sein Portal X zeigen würde, wo der Hammer hängt. Denn gerade Tesla-Chef Elon Musk gab seine Zurückhaltung auf und verkündete bekanntlich, monatlich 45 Millionen Dollar für Trumps Kampagne zu spenden.

Muss irgendwie bedeuten, dass Musk wegfallende Fördermittel in seinem E-Auto Markt nicht fürchtet. Die Aktie von Tesla stieg von April bis Juni zwischenzeitlich um satte 100 Prozent an! Wenn jemand ohne Fördermittel auskommt, dann Tesla, so denken Anleger vielleicht. Aber dieses Beispiel zeigt auch, wie schwierig es ist, anhand der Wahlkampfaussagen von Trump zu einer Meinung zu kommen.

Unter Haris wird alles so weitergehen wie bisher, da Tesla und andere Automobilriesen aus den USA mit ihrem Beitrag zur E-Mobilität den Klimaschutz fördern und deswegen weiterhin auf Subventionen setzen können.

Die USA leben bekanntlich von Importen. Viele Produkte in den USA werden importiert. Und bei weitem nicht nur aus China, sondern auch zu einem großen Teil aus dem Nachbarland Mexiko, wie beispielsweise Tequila und Corona-Bier, das von Constellation Brands vertrieben wird. Trump möchte gerne die Zölle, die man in den vergangenen Jahrzehnten mit Hilfe der Welthandelsorganisation (WTO) sukzessive vermindert und abgeschafft hat, pauschal auf zehn Prozent für alles anheben. Das würde sämtliche Unternehmen schädigen, die auf den internationalen Handel angewiesen sind, insbesondere leider auch Deutschland.

Mag sein, dass dies zunächst nur Wahlkampfrhetorik ist, denn viele Produkte von US-Unternehmen werden im Ausland gefertigt und müssten verzollt werden. Doch es passt in Trumps Strategie der De-Globalisierung und der Förderung der US-Industrie, frei nach seinem immer wieder strapazierten Motto MAGA.

Aber auch bei den Demokraten dürften solche Überlegungen eine Rolle spielen, schließlich wurde unter ihrer Präsidentschaft das IRA-Projekt angeschoben, wonach ausländische Unternehmen in die USA kommen und dort Waren produzieren sollen, dafür gibt es dann Steuererleichterungen für sie. Einige große deutsche Unternehmen sind dem Ruf des großen Geldes schon gefolgt und es werden weitere diesem Lockruf der Steuererleichterungen folgen und nicht nur aus Deutschland.

Dieses Programm wird unter Harris fortgesetzt werden und ihr Autor befürchtet, dass es durch eine Trump- aber auch eine Harris-Regierung weiter verschärft wird.

Die wirtschaftlichen Akzente für den US-Wahlkampf Teil 1

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Die neue Herausforderung für Donald Trump im Wahlkampf ist Kamala Harris. Vorausgesetzt, die Delegierten der Demokratischen Partei nominieren sie als neue Präsidentschaftskandidatin. Nun brauchen wir nicht gleich alle Kommentare umschreiben, was Trump und Biden für die Märkte bedeuten, bzw. bedeutet haben. Kamala Harris bleibt trotz aller Vorteile gegenüber Trump (Jugend, Frau mit Migrationshintergrund, farbig, blitzgescheit, politisch erfahrene Vizepräsidentin etc.) eine Demokratin, die sich bitte schön, an die Spielregeln der Partei zu halten hat, ebenso wie Donald Trump bei den Republikanern.

Und Trump ist noch nicht geschlagen, auch das dürfen wir nicht vergessen. Was da so auf die Märkte mit den beiden Parteien wie ein Hurrikan zurast, schauen wir uns nachstehend einmal an. Der Einfachheit schreiben wir Trump und Harris, aber die Programme der beiden Protagonisten wurden in den Parteizentralen geschrieben.

Die Bankenwelt wird weiter auf Sieg Donald Trump setzen. Sollte er gewinnen, dürften die Banken auf der Gewinnerseite stehen. Donald Trump baute sein Imperium auf Bankkrediten auf, hat also so ganz nebenbei ein persönliches Interesse daran, ein gutes Verhältnis zu den Banken herzustellen. Er und seine Parteifreunde haben in der ersten Präsidentschaft Trump wenig bis gar nichts getan, um die Banken zu regulieren. Seit der weltumspannenden Finanzkrise 2007-2009 kennt die Regulierung des Banksektors nur eine Richtung: Immer härtere Vorschriften, immer höhere Sicherheiten, egal wer die Regierung in den USA gerade führte. Trump dürfte dagegen einiges davon zurückdrehen. Insbesondere das Investmentbanking hatte es in den vergangenen Jahren schwer, da die Kartellbehörde unter Joe Biden immer wieder Einwände gegen beabsichtigte Übernahmen und Fusionen vorbrachte. Viele geplante Übernahmen wurde abgesagt oder einfach in eine bessere „Trump“zeit verschoben. Das dürfte sich auch unter einer Präsidentschaft Harris nicht wesentlich ändern.

Unter einer Trump/ Vance Regierung wird die US-Kartellbehörde FTC lockerer auf Fusionen und Übernahmen blicken, so dass mehr davon zustande kommen werden. Das Investmentbanking verdient hervorragend an solchen Transaktionen – eine Einnahmequelle, die in den vergangenen Jahren eher gering war.

Auch Börsengänge (IPOs) waren rar, weil die schon so gefürchtete Börsenaufsicht SEC unter Joe Biden immer schärfer gegen Verstöße vorging. Und so warten viele Einhörner, so nennt die Branche Start-Up Unternehmen mit über einer Milliarde Dollar Marktkapitalisierung, die lieber in privater Hand blieben, auf ihren Start an der Börse, um die Alteigentümer auszuzahlen oder frisches Kapital zu generieren. Dies könnte sich unter Trump ebenfalls ändern und das würde den Banken eine weitere lukrative Einnahmequelle bieten. Allerdings denkt auch Kamala Harris in dieser Frage vielleicht anders als ihr alter Chef.
Wer vorher investiert sein will, sollte sich die großen Banken in den USA anschauen, die schon lange weitaus mehr verdienen, als deutsche und europäische Banken. (Bank of America, Goldman Sachs, J.P. Morgan etc.) Aber noch ein wenig abwarten, bis sich Harris zu Wirtschaftsthemen äußert, kann auch nicht schaden.

Ein zweischneidiges Schwert hält Donald Trump in der Hand, wenn es um die Öl- und Gasindustrie geht, der er sehr freundlich zugetan war und immer noch ist.

Das ist jedoch negativ für die Ölförderer, denn Trump wird die Ölförderung genehmigen, auch da wo sie nicht genehmigt werden sollte (Naturschutzgebiete, Reservate etc.). Es wird also mehr Erdöl und Gas auf den Markt kommen, was die Preise international unter Druck setzen wird. Der Erdölpreis würde unter Trump demzufolge sinken, was die Gewinne der damit befassten Konzerne schmälert. Es ist ein ziemlich heißes Eisen, das Harris sicher nicht anfassen wird.

Trump möchte auch der größte Öl-Exporteur der Welt sein. Damit wird der Deckel, den Joe Biden für den Export auferlegt hat, verschwinden. Harris wird ihn wohl weiter drauf lassen. Das bringt ihr Punkte und damit Stimmen bei den grün geneigten Wählern, ebenso wie bei den alternativen Industrien.

Allerdings, wer auf Trump setzt, wird sich sagen, dass erhöhte Fördermengen eine erhöhte Instandhaltung der Maschinen und Anlagen erfordern. Das bedeutet dann mehr Aufträge für diese Dienstleister, wer möchte, kann sich schon mit Aktien von Schlumberger, Haliburton etc. beschäftigen, denn natürlich müssen auch jetzt schon verschlissene Teile und kaputte Anlagen repariert werden. Das ist aber das laufende Geschäft. Neuinvestitionen würden dem Ganzen noch einen gewaltigen Schub geben.

Aber auch hier gilt der Rat, erst einmal abwarten. Das sind umfangreiche und damit sehr kapitalintensive Maßnahmen, die nicht schon zur Amtseinführung von Trump oder Harris wirksam werden. Zumal Banken höchstwahrscheinlich auch erst einmal mit der Finanzierung warten, wie sich der Öl- und natürlich auch der Gaspreis entwickeln werden.

Lohnen sich wieder Investitionen im Vereinigten Königreich?

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Nicht überraschend war der überwältigende Wahlsieg in Großbritannien. Die Labour Party unter Keir Starmer gewann eine überzeugende Mehrheit im altehrwürdigen britischen Parlament.

Die Regierungsbildung ging schnell, denn im Gegensatz zu anderen Staaten braucht es keine Koalitionsverhandlung und die endlose Suche nach einem kompromissfähigen Koalitionsvertrag, der die Regierungsbildung und anschließende Arbeit wochenlang aufhält, entfällt. Der Vorteil eines relativen Mehrheitswahlrechts, wonach derjenige, der die meisten Stimmen in einem Wahlkreis erhält, den Wahlkreis im Parlament vertritt. Sollte der gewählte Abgeordnete aus irgendeinem Grund ausfallen, gibt es eine Nachwahl in dem Kreis.

Sehr viele Politiker und Ökonomen außerhalb Großbritannien zeigten sich begeistert über den Wahlsieg von Labour. Die ganz leise Hoffnung auf einen Re-Brexit schwang in den Äußerungen mit. Aber daraus wird wohl nichts. Das Vereinigte Königreich wird sich zwar der EU wieder annähern, aber nicht der EU wieder beitreten. Das machte der neue Premierminister Keir Starmer nach seinem Wahlsieg deutlich.

Am 31. Januar 2020 war Großbritannien nach 47 Jahren aus der EU ausgetreten. Inzwischen dämmert immer mehr Menschen, dass der Brexit nicht das von seinen Befürwortern versprochene wirtschaftliche Erfolgsrezept ist. Umfragen zeigen, dass inzwischen eine Mehrheit der Briten den Brexit nicht nur für einen Fehler hält, sondern einen Wiedereintritt befürwortet. In der politischen Debatte ist eine mögliche EU-Rückkehr, wie schon gesagt, derzeit kein Thema.

Nach Meinung ihres Autors hängt das mit den Regularien der EU zusammen. Die Briten würden wohl bei einem erneuten Eintritt keinen Beitragsrabatt mehr heraushandeln können, wie seinerzeit die Eiserne Lady Margret Thatcher. Und ein großer Teil der britischen Bevölkerung sieht sich noch als das Zentrum eines Weltreiches, zumindest eines politischen Weltreiches. Das Commonwealth of Nations wird immer lockerer, immer weniger bedeutsam.

Aber wirtschaftlich sieht Großbritannien leider nicht so sehr wie ein Zentrum eines Weltreiches aus. Ehrlich gesagt, wir müssen doch schon eine Weile überlegen, welche Produkte von der Insel für uns wichtig sind. Richtig, verschiedene Produkte kommen aus Großbritannien. Dazu gehören Automobilteile, Unterhaltungselektronik, Textilien, handwerkliche Gegenstände, Nahrungsmittel, Kosmetika und vieles mehr. Es gibt auch einige bekannte Marken, die aus Großbritannien stammen, wie z.B. Burberry, Jaguar, Rolls-Royce und Twinings.

Nachdem die EU-Regeln nach einer Übergangsfrist gefallen waren, hatte Kanada hohe Importzölle auf britische Erzeugnisse wie Käse und Autos erhoben. Vier Jahre nach dem Brexit hat das Vereinigte Königreich bilaterale Handelsabkommen mit Australien und Neuseeland geschlossen und ist dem Pazifikpakt CPTTP beigetreten. Insgesamt ist das eine magere Ausbeute, erläutert Thomas Sampson, Wirtschaftswissenschaftler an der London School of Economics.

Wenn wir uns die Exportstatistik auf dem Portal Statista anschauen, dann sehen wir, auf Platz eins liegt Gold (zu nicht monetären Zwecken) mit 13,1 Prozent und Straßenfahrzeuge sind mit einem Exportanteil mit 9,47 Prozent die zweitwichtigste Warengruppe im Export Großbritanniens. Kraftmaschinen und deren Ausrüstungen folgen mit 9,31 Prozent auf Platz drei noch vor Erdöl und Erdölerzeugnisse mit 7,15 Prozent. Und einen relativ kleinen Anteil nehmen die pharmazeutischen Erzeugnisse mit 5,85 Prozent ein. Also alles keine Erzeugnisse , die die Kunden nicht auch auf dem Weltmarkt findet.

Nicht besser als aktuell in Deutschland sieht die Entwicklung des britischen BIP aus. Im Jahr 2023 hat das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts in Großbritannien geschätzt rund 0,1 Prozent betragen. Für das Jahr 2024 wird das Wachstum auf rund 0,5 Prozent prognostiziert.

Wir sehen, die Wirtschaft muss auf beiden Seiten wieder angekurbelt werden.

Mehr Europa und eine Verbesserung der Beziehung zu Europa dürfte der Wirtschaft auf beiden Seiten helfen. Durch neue Abkommen zum Beispiel oder, weil Brexit bedingte Formalitäten abbaut.
Am meisten profitieren wird von der Annäherung die Finanzindustrie. Für sie ist der Sieg der Arbeiterpartei eine Erleichterung. Denn der Brexit hat Londons Stellung als Finanzplatz Nummer 1 in Europa ins Wanken gebracht: weil Banken, Versicherer, Fondsgesellschaften keine Dienstleistungen mehr aus London in die EU verkaufen durften, sie deshalb neue Büros in der EU aufgemacht haben und Tausende Mitarbeiter mit umgezogen sind. Mehr Nähe zu Europa dürfte den Finanzplatz London deshalb wieder aufwerten. Allerdings, die frühere Bedeutung von London als Finanzzentrum dürfte wohl nicht mehr so schnell wiederkommen.

Keir Starmer, der neue Premierminister Großbritanniens, ist europafreundlich. Er werde dafür sorgen, dass die früheren Spannungen über die Umsetzung des Brexit, die es oft gab, in den Hintergrund treten, sagt der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding: “Ich denke, dass sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland, beziehungsweise der gesamten Europäischen Union verbessern können. Ein Trend übrigens, der unter dem bisherigen Premierminister Rishi Sunak begonnen hatte.”

Sollte nun Kleinanleger wieder verstärkt in britische Aktien investieren? Wenn investierte Kleinanleger ihre Investitionen fortsetzen, ist das sicher nicht verkehrt. Anleger, die neu in Großbritannien nach Aktien schauen, sollten sich noch etwas mit Geduld wappnen. Zumindest so lange, bis die Brexit-Folgen durch konkrete Abkommen mit der EU abgemildert sind.

Die Wahl von Labour ist nur ein erster, aber kleiner Schritt in die richtige Richtung.