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„Saure-Gurken-Zeit“ ist nicht

Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub

Wer glaubt, auf Jahresende ist „Saure- Gurken- Zeit“, was den Informationsfluss betrifft, der irrt in diesem Jahr gewaltig. Auch wenn die Bücher bei den meisten Marktteilnehmern schon seit einigen Tagen geschlossen sind, gibt es immer noch einige Nachrichten, die das Zeug haben, im nächsten Jahr die Börsen zu beeinflussen.

Da ist zum einen der Ukrainekrieg mit all seinen Folgen, der im abgelaufenen Jahr seit 24.02.2022 für die größte Eruption an den Märkten sorgte. Eigentlich nach russischen Planungen nur auf 48 bis höchstens 72 Stunden als Spezialoperation ausgelegt, geht er nun schon fast ein Jahr lang. Riesiger Respekt an die ukrainischen Menschen für die Verteidigung der Freiheit, die auch unsere westliche Lebensweise mit einem hohen Blutzoll bezahlen und auch im kommenden Jahr weiter bezahlen werden. Kremlchef Wladimir Putin hat erstmals eingeräumt, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine länger dauern könnte. Die Hälfte der rund 300.000 in den vergangenen Wochen eingezogenen Reservisten sei bereits im Nachbarland stationiert. Atomwaffen werde er nur zur Vergeltung einsetzen. Das bedeutet auch weiterhin, der Krieg wird die Märkte im kommenden Jahr dauerhaft beeinflussen.

Und was ist eine weitere Folge des Krieges? Eine Offenlegung des desolaten Zustandes der deutschen Bundeswehr, die auch noch eine inkompetente politische Führung hat. Nach dem 24. Februar wurde die große Wende in der Verteidigungspolitik ausgerufen in Form eines 100 Milliarden schweren Sondervermögens (schuldenfinanziert!). Aber jetzt stellte sich heraus, dass die Bundeswehr im Falle eines Angriffs nur wenige Stunden in der Lage ist, den Gegner aufzuhalten. Nicht einmal genug Munition haben wir. Das freut natürlich die Firma Rheinmetall und ihre Aktionäre. Der Rüstungshersteller konnte einen Großauftrag für Munition an Land ziehen. Die Bundeswehr hat Munition für den Schützenpanzer Puma bestellt. Der Rahmenvertrag sieht ein Liefervolumen von rund 576 Millionen Euro vor. Wer sich nicht von den ESG-Kriterien bei seiner Anlage irritieren ließ und die Rüstungsaktie im Depot hat, kann sich über einen Kurszuwachs vom Jahrestief bei 77,90 Euro bis zum Jahreshoch von 227,90 Euro freuen und auch jetzt ist die Aktie wieder neu angesprungen auf aktuell 198 Euro. Und eine Dividende von 3,30 Euro gab es für 2021 dazu.

Rund zwei Monate nach dem Börsengang zieht der Sportwagenbauer Porsche bereits in den Leitindex DAX ein. Die Aktie der Volkswagen-Tochter ersetzt den fränkischen Sportartikelkonzern Puma. Die Porsche AG ist das dritte Unternehmen aus dem Volkswagen-Umfeld im Leitindex. Neben der Wolfsburger Muttergesellschaft ist dort auch deren Großaktionär erfasst: Die Porsche Automobil Holding SE, hinter der die Familien Porsche und Piëch stehen. Mit BMW, Mercedes-Benz, Daimler Truck und dem Zulieferer Continental kommen künftig insgesamt sieben der 40 DAX-Werte aus der Autoindustrie. Die Deutsche Börse AG, die für die Indizes und deren Zusammensetzung verantwortlich zeichnet, hat damit nach Ansicht ihres Autors ein erhebliches „Klumpenrisiko“ geschaffen. 

Eigentlich sollte China die Rolle der Konjunkturlokomotive im kommenden Jahr in der Weltwirtschaft spielen. Der Anspruch des Reiches der Mitte ist zwar geblieben, aber die dortige Wirtschaft spricht eine andere Sprache. Der stärkste Einbruch der chinesischen Exporte seit Beginn der Corona-Pandemie vor mehr als zweieinhalb Jahren schürt die Sorge vor einem globalen Konjunkturabschwung. Die Ausfuhren sanken im November um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie aus Daten der Zollbehörde hervorgeht. Das ist immerhin der schärfste Rückgang seit Februar 2020. Bereits im Oktober hatte es einen Rückgang gegeben, der aber mit 0,3 Prozent wesentlich kleiner ausfiel. Chinas Wirtschaft ist in den ersten drei Quartalen dieses Jahres nur um drei Prozent gewachsen. Das liegt deutlich unter dem von der Regierung ausgegebenen Jahresziel von rund 5,5 Prozent. Analysten erwarten für das Gesamtjahr ein Wachstum von knapp über drei Prozent. Wie Weltbank rechnet sogar nur noch mit 2,8 Prozent – nach einem satten Zuwachs von noch 8,1 Prozent im vergangenen Jahr. China stößt aktuell an die Grenzen seines Wachstums. Und ob die neuen ideologiebestimmten Herrscher im Politbüro diese Entwicklung umdrehen können, daran darf man zweifeln.  

War er nun der größte Gangster oder der dümmste CEO aller Zeiten? Die Rede ist von Markus Braun, einstmals CEO von Wirecard. Am Donnerstag begann der Prozess rund um den Jahrhundertbetrug. Wirecard, einst gefeiert als deutsche Antwort auf Amazon und Apple, fingierte Umsätze, erfand Drittpartnergeschäfte etc. Am Ende fehlten 1,9 Milliarden Euro in der Bilanz und auch der Strippenzieher im Hintergrund, Jan Marsalek, verschwand spurlos. Bis heute ist unklar, ob das Geld in der Höhe je existierte und wohin es verschwand. Braun, einst gefeiert als deutsche Antwort auf Jeff Bezos und Steve Jobs, wird gewerbsmäßiger Bandenbetrug vorgeworfen. Er soll mit Komplizen Banken und andere Geldgeber, private wie professionelle, in Bezug auf die Finanzlage des einstigen DAX-Unternehmens getäuscht haben. Weitere Anklagepunkte lauten auf Marktmanipulation in 26 Fällen, Veruntreuung in sechs Fällen und Bilanzfälschung. Auch dieser Prozess wird uns angesichts der angesetzten 100 Verhandlungstage auch im nächsten Jahr noch begleiten. Ob er die gewünschte Aufklärung für die betrogenen Aktionäre bringen wird, darf man bezweifeln. Zumindest wird das Gericht die Rolle des Wirtschaftsprüfer Ernst & Young in die Beweisaufnahme einbringen müssen und damit ggf. einer Welle von Schadensersatzansprüchen gegen die Bilanzprüfer neuen Auftrieb geben.