Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Der Überfall der Russen auf die Ukraine zwingt Deutschland zum Umdenken. Langsam, für den Geschmack mancher zu langsam, hat sich die Bundesregierung auf den Weg gemacht, sich von Russland zu lösen. Mittlerweile bestimmen andere das Tempo der noch zu zögerlichen Bundesregierung. Auf der anderen Seite kann man der Ampel-Regierung keinen Vorwurf machen, dass sie die Interessen der deutschen Wirtschaft in ihre Überlegungen einbezieht. Schließlich nutzt eine geschwächte deutsche Wirtschaft weder der Ukraine noch der Bevölkerung hierzulande.
Wir haben bald Ostern und Robert Habeck, seines Zeichens Wirtschafts- und Klimaschutzminister, legt uns einige Klimaschutzeier vorzeitig ins Nest. Er nennt die ca. 500 Eier, pardon Seiten ein Osterpaket, mit dem Deutschland endlich den Übergang ins Zeitalter der erneuerbaren Energien einschließlich der Unabhängigkeit von Russland schaffen soll. Die Zeit drängt. Schließlich soll Deutschland schnell von dem Import fossiler Rohstoffe aus Russland unabhängig werden. Außerdem schwebt das Schwert des Damokles in Form eines putinschen Gasboykotts über einem geordneten deutschen Ausstieg. Die Ankündigung von Gegenschritten der russischen Regierung nach der de facto Enteignung der deutschen Gazprom-Tochter macht die deutsche Energieversorgung auch nicht gerade einfacher. Gazprom Germania kann im Grunde nichts mehr ohne das Okay der in Bonn ansässigen Bundesnetzagentur tun. “Die Bundesnetzagentur ist insbesondere berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen und neu zu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen”, so das Bundeswirtschaftsministerium. Auch über das Vermögen des Unternehmens hat die Bundesnetzagentur die Aufsicht, es kann also nicht ohne Weiteres beiseite geschafft werden. Bis zum 30. September 2022 ist die Maßnahme zunächst befristet. Seitdem die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas in Deutschland ausgerufen wurde, veröffentlicht die Bundesnetzagentur täglich einen Lagebericht zur Gasversorgung in Deutschland. Zuletzt hieß es darin: “Es sind keine Beeinträchtigungen der Gaslieferungen nach Deutschland zu verzeichnen.”
Aber zurück zum Osterpaket. Mit zwei großen Gesetzespaketen wollte Habeck die Energiewende schaffen. Eines sollte zu Ostern kommen, das Osterpaket und das zweite als Sommerpaket ein paar Monate später. Doch inzwischen haut sein Ministerium alles im Akkordtempo raus. Dazu gab es Abstimmungen mit der grünen Umweltministerin Steffi Lemke, denn die Umweltauflagen und der Artenschutz stellen große Herausforderungen für den angedachten Klimaschutz dar. Wir werden sehr bald sehen, wie die gut die Abstimmungen der beiden Ministerien gelaufen sind. Spätestens dann, wenn die ersten Gerichte über die Klagen der dann gegnerischen Umweltverbände (z. B. NABU, Bürger- und Umweltinitiativen) verhandeln. Und auch die Bürokratiehemmnisse sollten die Regierenden nicht unterschätzen.
Für den Etappenstopp 2030 ist bereits ein Ökostromanteil von 80 Prozent vorgesehen. Innerhalb der nächsten acht Jahre muss im Strom-Mix also knapp doppelt so viel grüne Elektrizität fließen wie gegenwärtig. Und die soll hauptsächlich aus Wind- und Solarenergie gewonnen werden. Um im Jahr 2035 den Strom also “nahezu vollständig” aus erneuerbaren Quellen zu ziehen, wie es im Osterpaket heißt, setzt der Entwurf für ein gedoptes EEG auf deutlich höhere Ausbauraten. Kommt bei der Windkraftwerk an Land dieses Jahr nur neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 3 Gigawatt hinzu, sollen ab 2027 jährlich Neubauten im Umfang von 10 Gigawatt ergänzt werden. Bei der Photovoltaik ist vorgesehen, ab 2028 jedes Jahr Anlagen mit einer Leistung von 20 Gigawatt zuzubauen. Zum Vergleich: 2022 werden alle neuen Solaranlagen wohl insgesamt 7 Gigawatt beisteuern.
Das klingt zwar sehr ambitioniert, aber man darf nicht vergessen, dass wir auch einen höheren Verbrauch an Energie haben werden, denn die Fördermittel für die E- und Hybridfahrzeuge lassen zwar den Benzin und Dieselverbrauch sinken, aber die Industrie komplett und kostengünstig aus erneuerbaren Energien zu versorgen, dürfte sehr hohe Subventionen erfordern. Hoffentlich ist Bundesfinanzminister Lindner in die Pläne eingeweiht.
Der Ausbauturbo richtet “den Zubau der erneuerbaren Energien konsequent auf den 1,5-Grad-Klimaschutz-Pfad aus”, heißt es im Osterpaket. Eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) zeigt allerdings, dass zwischen dem dafür nötigen Zubau und dem Regierungsvorhaben eine große Lücke ist. Bei neuen Solaranlagen müsste mehr als das doppelte der höchsten geplanten Ausbauleistung pro Jahr her. Und das schon ab 2022 statt 2027. Selbst wenn es gelingen sollte, fragt man sich doch, wer soll die Solaranlagen auf die Dächer bringen. Schon jetzt fehlen überall die Fachkräfte. Vielleicht hätten die Kollegen aus dem Arbeitsministerium in die Abstimmung mit einbezogen werden sollen.
Auf zwei Prozent der Landesfläche dürfen künftig Windräder errichtet werden. Bislang sind es nur rund 0,8 Prozent – und auch davon fällt ein Großteil wegen sogenannter Nutzungskonflikte gleich wieder weg. Die Flächen gehören übrigens meist in die jeweilige Landeshoheit. Wir werden künftig entscheiden müssen, ob wir die Flächen für Windkrafträder oder aber für den Anbau von Nahrungsmitteln nutzen. Auch das ist eine Folge des Krieges. Egal, wie lang dieser Krieg noch dauern wird, die Getreideernten aus der Ukraine fallen für die nächsten Jahre sicher nicht so hoch bzw. sogar ganz aus.
Für Anleger ist das Osterpaket voll mit bunten Eiern sprich Anlagemöglichkeiten gefüllt, nur muss die Auswahl stimmen. Wir werden noch einmal darauf zurückkommen, wenn das Osterpaket in Gesetzesform gegossen wird. Dann erst werden wir sehen, welche bunten Ostereier wirklich noch übrig bleiben. Wie war das doch: Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es hineinkommt.