Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Wenn wir die Medien verfolgen, dann stehen wir vor einem bitterkalten Winter. Und warum? Weil Gazprom auf Geheiß des Kremlherrschers den Gashahn nach der planmäßigen Wartung der Nordstream 1-Röhre nicht mehr aufdrehen könnte. Nun sind zwei Dinge im letzten Satz enthalten: Das Wort „planmäßig“, welches bedeutet, dass es einen regelmäßigen Wartungsplan (11.07.2022 – 21.07.2022) gibt, der eingehalten werden muss. Das zweite entscheidende Wort ist „könnte.“ Für ihren Autor stellt sich daher die Frage, warum sollte Gazprom eine Leitung warten (die Wartung ist bestimmt auch nicht ganz billig), eine trotz Sanktionen gelieferte Turbine einbauen und bezahlen, wenn es dann keine Gaslieferungen mehr gibt? Nur wo ist die reparierte Turbine jetzt? In Kanada oder schon auf dem Weg nach Russland über Deutschland?
Gazprom pumpt nach der vorübergehenden Abschaltung der Ostseepipeline Nord Stream 1 sein Gas trotz des Krieges weiter über die Ukraine nach Europa und auch der Kriegsgegner bekommt noch Gas geliefert. Die für den Mittwoch bspw. vereinbarte Liefermenge liegt bei 41,3 Millionen Kubikmeter und damit nicht einmal bei der Hälfte des möglichen Umfangs. Das geht aus Mitteilungen des ukrainischen Gasnetzbetreibers und von Gazprom hervor. Der Umfang entspricht dem der vergangenen Tage, obwohl durch die Abschaltung von Nord Stream 1 wegen Wartungsarbeiten bis 21. Juli eigentlich größere Mengen durchgeleitet werden könnten. Laut Vertrag möglich sind tägliche Lieferungen von 109,6 Millionen Kubikmetern durch die Ukraine nach Europa. Gazprom bemängelt der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass die Ukraine die Lieferungen nur noch durch eine Leitung erlaube. Das können wir aber als Kriegsfolge verbuchen. Wir liefern schließlich auch Waffen an den Feind…
Aber wir können doch nicht jetzt schon die Leute verrückt machen mit einer erst nach Ablauf der Wartung anstehenden Entscheidung, die Deutschland eh nicht beeinflussen kann. Selbst das eigentlich seriöse Handelsblatt stimmt in den Panikmodus der Boulevardmedien mit ein. “Im schlimmsten Fall drohen Deutschland Katastrophenmonate, wie es sie seit dem sogenannten Hungerwinter 1946/1947 nicht mehr gegeben hat. Damals starben Zehntausende Deutsche an Kälte und Unterernährung.”
Und selbst Robert Habeck, seines Zeichen Vizekanzler und Wirtschaftsminister, reagiert schon langsam panisch, in dem er die im Notfallplan festgelegte Reihenfolge ändern und der Industrie den Vorrang gegenüber den Privathaushalten bei der Gasversorgung einräumen will.
Nun noch mal langsam zum Mitschreiben: Der Herbst und Winter werden hart, und dass nicht nur wegen des eventuell ausbleibenden Gases allein. Die durch die EZB verschuldete hohe Inflation und Putins Erdgasdrosselung, unterbrochene Lieferketten in Asien und abstürzende Börsenkurse, eine drohende Rezession, die Kriegsangst und dann auch noch Corona verquicken sich zu einer düsteren Gemengelage. Sie wird wehtun, – erst recht, wenn der Sommer einem nasskalten Herbst weicht.
Nur für diesen Fall haben wir eine Bundesregierung und gewählte Volksvertreter, die dafür sorgen müssen, dass keiner frieren wird (das ist nebenbei gesagt ihr Job. Dafür werden sie vom Steuerzahler, also von uns bezahlt!). Es wird zwar etwas, aber die Wohnungen werden trotzdem ausreichend geheizt werden können, denn der Gas-Import aus anderen Bezugsländern läuft an. Und die Industrie und die Stromkonzerne haben zusammen mit den Privathaushalten bereits 15 Prozent an Gas eingespart.
Wir haben aber noch ein anderes, ebenso schwerwiegendes Problem, wofür der Westen aber Putin nur bedingt verantwortlich machen kann.
Im Juni zog die Teuerungsrate in den USA erneut deutlich stärker als erwartet an und kletterte auf 9,1 Prozent, den höchsten Stand seit 1981. Ökonomen hatten mit 8,8 Prozent gerechnet. Materialengpässe und weiter steigende Energiekosten auch infolge des Ukrainekrieges waren maßgeblich für den erneuten Inflationsschub verantwortlich, obwohl die USA eigentlich über genügende eigene Energieressourcen verfügen.
Das wiederum bedeutet, dass die Zinsen noch stärker ansteigen müssen, um die Inflation einzudämmen. Es werden wahrscheinlich Zinsschritte von 100 Basispunkten notwendig sein, wenn die 75 Basispunkte nicht ausreichend waren.
Demzufolge wird durch die laxe Zinspolitik der EZB in den letzten Jahren der Dollar weiter aufwerten gegenüber dem Euro und die in der abgelaufenen Woche erreichte Parität weiter zu Ungunsten des Euro verschieben. Das bedeutet, dass wir unsere Erzeugnisse im Ausland besser oder billiger loswerden. Allerdings nur so lange, bis die Erzeugnisse hier produziert werden. Sobald Rohstoffe und Zulieferprodukte aus dem Ausland importiert werden müssen, wird es teuer, denn die müssen in der Regel in Dollar bezahlt werden.
Nun jedoch ist klar, dass die Fed weiter aggressiv die Zinsen anheben muss, „wenn sie eine neue Preissteigerungswelle verhindern will“, meint Starökonom Mohamed El-Erian, der unter anderem unseren Depotwert Allianz berät. Der aggressivere Kurs „erhöht dann erneut das Rezessionsrisiko“, warnt El-Erian, der Notenbank-Chef Jerome Powell schon lange für sein zu zögerliches Verhalten mit Blick auf die Inflationsbekämpfung kritisiert. Und dabei ist Powell in der Zinspolitik schon weiter als Lagarde. Bei der Fed werden schon 75 Basispunkte auch für die nächste Zinserhöhung diskutiert. Die EZB will die Zinsen erst im dritten Quartal anheben, um geradezu mickrige 25 Basispunkte. Das wird den Euro noch weiter schwächen und die Inflation nicht vertreiben.
Wir sehen daran, dass die Inflation schleichend kam, um zu bleiben und jetzt im vollen Umfang die westlichen Märkte und Währungen beherrscht. Für die Zukunft sollten die Verantwortlichen für das Desaster lernen, das Staatsschuldenfinanzierung wirklich nicht zu den Aufgaben einer Zentralbank gehört und der politische Einfluss auf die Entscheidungen der EZB zurückgedrängt werden muss.