Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Erinnern Sie sich noch an CETA? Nun, ich muss gestehen, ich hatte das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada aus dem Jahre 2016 auch schon längst vergessen. Aber ich denke, der kanadische Premierminister Justin Trudeau wird dem Bundeskanzler und seine Delegation daran erinnert haben. Denn Olaf Scholz, der zusammen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck und einer umfangreichen Wirtschaftsdelegation in Kanada weilte, möchte neben den drängenden Gasgeschäften auch andere begehrenswerte Abschlüsse über die Lieferung von Lithium, seltenen Erden und andere in Deutschland dringend benötigte Rohstoffe anbahnen. Es gab keine Schwierigkeiten zwischen den Delegationen, sie verstanden sich blendend, wie wir im TV sehen konnten.
Das CETA noch nicht ratifiziert ist, liegt u. a. an Deutschland, denn Deutschland gehört zu den Staaten der EU, die noch nicht die Ratifizierung befürworten. Das CETA-Abkommen ist nur vorläufig in Teilen in Kraft gesetzt, denn es müssen alle EU-Staaten dem Vertrag zustimmen. Teile des CETA-Vertrags, insbesondere die Bestimmungen zu Investitionsschutz und zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, kommen noch nicht zur Anwendung. Und gerade jetzt soll investiert werden, wie wir wissen.
Was bringt nun dieses Abkommen noch? Die Volkswirtschaften der EU und Kanadas sind eng miteinander verflochten. Die Wirtschaftsbeziehungen Deutschlands beziehungsweise der EU mit Kanada können und sollten jedoch noch weiter ausgebaut werden. Ein verbesserter Marktzugang für Waren und Dienstleistungen sowie durch besser miteinander vereinbarte und klare Regeln, steigen die Möglichkeiten für Handel und für Investitionen. Die positiven Effekte: robustere Lieferketten, Zugang zu wichtigen Rohstoffen, klimafreundlichen Technologien und Vorprodukten sowie idealerweise niedrigere Preise. Also schauen wir einmal, wie lange es mit CETA noch dauert…
Wir sollten uns als Anleger intensiver mit dem kanadischen Markt beschäftigten. Das Problem einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump oder die Wahl eines Trump-Vertrauten zum nächsten US-Präsidenten wird sehr viele Investoren aus dem US-amerikanischen Markt treiben. Und das benachbarte Kanada ist geradezu prädestiniert für die Aufnahme der Anleger.
Neben Unternehmen aus dem Bergbau und der Schlüsselindustrie Kanadas stecken auch viele Banken im kanadischen Börsenbarometer. Zudem rückte zuletzt neben Industriemetallen, Gold und Lithium auch die kanadische Energie wieder in den Fokus. Das Land verfügt über Öl und Gas und könnte seine Produktion kurz- und mittelfristig weiter ausbauen. Weiter in die Zukunft geschaut wird Kanada grünen Wasserstoff produzieren und exportieren, darunter auch nach Deutschland.
Aufgrund der bereits im März eingeleiteten Zinswende durch die kanadische Notenbank sollten sich Anleger mit den kanadischen Banken wie beispielsweise den soliden Werten Royal of Canada oder Bank of Montreal beschäftigen. Und wer als Anleger an der Erschließung und Ausbeutung von kanadischen Rohstoffvorkommen profitieren möchte, sollte einen Blick auf das Papier der Canadian Natural Resources werfen. Apropos ESG-Kriterien, Kanada hat sich als Bergbau-Nation schon früh zur Nachhaltigkeit bekannt und darin eine Chance gesehen, sich von Förderstätten in Südamerika, Afrika, Russland oder China abzusetzen.
Aber auch im Technologiebereich ist das Riesenland durchaus einen Blick wert. Shopify, eine e-commerce-Plattform, die aktuell einen Kurssturz von 176 Dollar auf 29 Dollar verkraften muss, aber dafür eine Einstiegsmöglichkeit bietet, sollte man sich bei Interesse näher anschauen.
Weiter südlich, genauer gesagt in Jackson Hole, einem Tal im Westen des US-Bundesstaates Wyoming, treffen sich traditionsgemäß dieses Wochenende die Finanzeliten. Im Zentrum steht eine Rede von Fed-Chef Jerome Powell. Powell muss die Kontrolle über die Erwartungen an seine Geldpolitik, die ihn in den letzten Monaten immer wieder zu entgleiten drohte, wiedergewinnen. Deswegen wird Jackson Hole, ohnehin das weltweit wichtigste regelmäßige Treffen seiner Art, in diesem Jahr besonders spannend. Jede noch so kleine Bemerkung des Chefs der US-Notenbank kann Kursreaktionen auslösen, jedes ungeschickte Signal die Risiken der Inflation wiederaufflackern lassen oder die Gefahr einer schweren Rezession noch einmal verstärken. Die Fed hatte bekanntlich in den vergangenen beiden Sitzungen im Juni und Juli den Leitzins um jeweils 0,75 Prozentpunkte auf eine Spanne von jetzt zwischen 2,25 bis 2,5 Prozent angehoben. Aktuell wird heftig darüber diskutiert, ob beim kommenden Treffen im September eine weitere Erhöhung in dieser Größenordnung folgen könnte oder ob die Fed einen Zinsschritt um 0,5 Prozentpunkte bevorzugt. Die Inflation schwächte sich zuletzt etwas ab, liegt mit 8,5 Prozent jedoch immer noch deutlich über den zwei Prozent, die die Fed anvisiert. Zugleich steigen die Sorgen, dass es zu einer Rezession kommt.
Stagnation oder Stagflation erwarteten die Experten auch in Deutschland. Aber denkste…Die deutsche Wirtschaft hat im Frühjahr überraschend zugelegt. Das Bruttoinlandsprodukt stieg zwischen April und Juni um 0,1 Prozent zum Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt nun offiziell mitteilte und sich damit selbst korrigierte. Zunächst war von einer Stagnation der Wirtschaftsleistung die Rede gewesen. Gut es ist nur ein Miniwachstum, aber wir müssen sehen, auf der Konjunktur lasten die Folgen des Krieges in der Ukraine, anhaltende Lieferengpässe und die hohe Inflation.
“Trotz der schwierigen weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten beiden Quartalen 2022 behauptet”, sagte Georg Thiel, Präsident des Statistischen Bundesamtes. Im ersten Quartal 2022 war die deutsche Wirtschaft um 0,8 Prozent gewachsen. Nach Einschätzung von Ökonomen stehen der deutschen Wirtschaft angesichts der Gas- und Energiekrise allerdings harte Monate bevor.
Dem Münchner IFO-Institut zufolge wird der private Konsum wegen der steigenden Verbraucherpreise im weiteren Jahresverlauf als Konjunkturmotor ausfallen. Es sei denn…nun was eigentlich? Die Bundesregierung und die Opposition springen über ihren Schatten und verschieben die Einhaltung der Schuldenbremse auf 2024 oder besser gleich bis 2025. Dann kann die Regierung mit einem Konjunkturpaket den privaten Konsum ankurbeln und auch der Wirtschaft gezielt unter die Arme greifen.
Spielraum für einen großen Scholz`schen Wums wäre sogar da. Die Kassenlage des deutschen Staates hat sich im ersten Halbjahr 2022 deutlich verbessert. Bezogen auf die gesamte Wirtschaftsleistung lag das Defizit von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung bei 0,7 Prozent, wie das Bundesamt auf Basis vorläufiger Berechnungen mitteilte. Ein Jahr zuvor war vor allem wegen der milliardenschweren Corona-Hilfen ein Minus von 4,3 Prozent verzeichnet worden. Die Politik muss nur wollen…