Zur aktuellen Situation in China – Rücksetzer an der Börse – Chancen für Nachkauf
Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
China, das Reich der Mitte, hat in seiner langen und über fünf Jahrtausenden währenden Geschichte mit Sicherheit schon andere Tragödien als einen Kursrutsch erlebt und überlebt.
Schauen wir einmal genauer hin. Das China des gegenwärtig allmächtigen Xi Jinping unterscheidet sich schon gewaltig von dem China des großen Reformers Deng Xiaoping (1904 – 1997). Während Deng die notwendigen marktwirtschaftlichen Reformen auf den Weg brachte, die sehr viel für die heutige führende Position der Volkswirtschaft bedeuteten, fällt Präsident Xi nicht gerade durch Reformeifer auf. Im Gegenteil, die neu verliehene Macht von Xi erinnert immer mehr an eine autokratische Führung in der formal noch immer kommunistischen Volksrepublik.
So lange sich die chinesische Führung auf den politischen – ideologischen Teil, ohne die Wirtschaft zu behelligen, beschränkte und mit Subventionen und Krediten die Wirtschaft am Laufen hielt, war das für die Märkte kein Problem.
Wir wissen, dass die politische Lage in China nicht gerade einen positiven Einfluss auf die Märkte hat. Dabei denken wir an die Restriktionen in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong, die Lage der Uiguren, die staatlich sanktionierte Wirtschaftsspionage, etc.
All das und noch mehr hatte natürlich auch zur Folge, dass der Westen reagierte und Sanktionen gegen China verhängte. Ex-Präsident Trump trieb es bis zu einem Handelskrieg voran. Aus dieser Auseinandersetzung hat sich sein Nachfolger noch nicht zurückgezogen. Joe Biden poltert nur nicht gleich per Twitter los, sondern wählt das diplomatisch geschliffene Wort. Aber es bleibt festzustellen, der Konflikt ist noch nicht entschärft und Bundeskanzlerin Angela Merkel kann froh sein, dass sie sich nicht mehr zwischen den USA und China entscheiden muss, wie von der US- Regierung gefordert. Das wird der Nachfolgeregierung vorbehalten sein.
Auslöser für den jüngsten Kurssturz ist eine wiederum politisch-ideologische Entscheidung, die auf einen Milliardenmarkt Einfluss hatte.
Vorausschicken müssen wir, dass in China und anderen Ländern Asiens die Bildung der Kinder anders als in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert besitzt.
Welch hohen Stellenwert Bildung in China hat, zeigt ein Blick auf den E-Learning-Markt der Volksrepublik. Nach Zahlen der Analyseinstitute iiMediaResearch und iResearch wächst der Markt seit Jahren kräftig. 2020 überschritt der Umsatz in diesem Bereich demnach zum ersten Mal 60 Milliarden Dollar. Inzwischen wird der Markt mit rund 100 Milliarden Dollar bewertet. Die Corona- Krise befeuerte den Trend, doch schon zuvor hatte die wachsende Mittelschicht immer mehr für die Nachhilfe ihrer Kinder ausgegeben. Mit dem Versprechen, dass Bildung der Schlüssel zum sozialen und ökonomischen Aufstieg sei, ließ sich auch in China sehr viel Geld verdienen.
Doch damit ist plötzlich Schluss. Die chinesische Regierung hatte am vergangenen Wochenende eine Reform des privaten Bildungssektors angekündigt, die E-Learning-Plattformen die Geschäftsgrundlage entzieht. Unternehmen, die Schullehrprogramme unterrichten, dürfen demnach keine Gewinne mehr erzielen oder an die Börse gehen. Den Instituten wurde untersagt, Schüler am Wochenende zu unterrichten. Akademische Angebote für Kinder unter sechs Jahren müssen komplett eingestellt werden. Insgesamt ist aus einem 100-Milliarden- Dollar-Geschäft über Nacht ein Non-Profit-Segment geworden.
Die Folge war, dass die chinesischen Aktien nachgaben. Der Hang-Seng-Index in Hongkong fiel am Montag um über vier Prozent. Für den CSI-300-Index, der die Aktien der 300 größten börsennotierten Unternehmen vom chinesischen Festland beinhaltet, ging es fast ebenso deutlich abwärts. Aber noch schlimmer traf es börsennotierte Firmen, die mit E-Learning ihr Geld verdienen. So büßte die TAL Education Group in den vergangenen fünf Tagen drei Viertel ihres Wertes ein. Die New Oriental Education & Tech Group stürzte um 65 Prozent ab. Konkurrent Youdao halbierte seinen Börsenwert im Vergleich zum Ende der Vorwoche. Für unseren Depotwert, den chinesischen Internet-Giganten Tencent, der stark im Bildungssektor investiert ist, ging es auch gen Süden. Der Internetkonzern verlor am Dienstag zeitweise über zehn Prozent. Zuvor hatte das Unternehmen bekannt gegeben, dass sein Social-Media-Dienst WeChat derzeit keine neuen Nutzer mehr aufnehmen dürfe.
Das ein derartiger plötzlicher Eingriff die Finanzmärkte weltweit schockierte, ist kein Wunder. Aber es ist nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein. Wir erinnern uns zum Beispiel an das plötzlich abgesagte IPO von Ant (wir haben darüber berichtet). Auch der Mutterkonzern von Ant, unser Depotwert Alibaba, wird seitdem im Wachstum reglementiert. Jack Ma als CEO ist seit langer Zeit aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Wir erinnern uns an den erfolgreichen Börsengang des Fahrdienstleisters Didi. Nachdem er in New York vor rund einem Monat an die Börse gegangen war, droht ihm nun zu Hause eine Rekordstrafe, die die 2,3 Milliarden Euro noch übersteigen dürfte, die Alibaba zahlen musste. Die Behörden erwägen auch den Stopp bestimmter Geschäfte oder die Pflichtbeteiligung eines staatlichen Investors. Wegen vermeintlichen Verstößen gegen den Datenschutz (als ob das in China ein Problem ist!) wurde die Didi-App gesperrt und die Geschäftsräume durchsucht.
Seit Februar haben chinesische Tech- und Bildungswerte weltweit mehr als eine Billion Dollar an Wert verloren. Allein in diesem Monat rutschte der Golden Dragon China Index, der China-Aktien an der Nasdaq abbildet, um mehr als 23 Prozent ab.
Fazit
Politische Börsen haben im Allgemeinen kurze Beine, nur in China dauert es mitunter etwas länger bis der Normalzustand wieder hergestellt wird. Der berühmte Sack Reis wird sehr bald die Finanzmärkte erobern und die Börse in China kehrt ebenfalls in den auch durch staatliche Subventionen und Kredite getriebenen Wachstumsmodus zurück.
Solche Schock-Ereignisse bieten für Anleger Chancen, die jetzt zurückgekommenen Papiere an den Börsen einzusammeln.
Wir haben die Chance genutzt und für je 200.000 Euro die zurückgekommenen Chinapositionen (Alibaba, Tencent und Xiaomi) in unserem NDAC-Clubfonds aufgestockt und unser Mut wird belohnt werden.