Die deutsche Einheit, Corona, Präsidentschaftswahlkampf und diverse Skandale
Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer des Niedersächsischen Anlegerclubs (NDAC)
Die Einheitsfeiern am 03.10.2020, immerhin zum 30. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung, wurden coronabedingt ganz klein gehalten. In offiziellen Ansprachen würdigten Politiker die gemeinsamen Jahre als Kraftanstrengungen, die Erfolge brachten, aber wo auch noch viel zu tun bleibt. Abgehakt, am darauffolgenden Tag standen schon wieder andere Dinge im Vordergrund. Aus Börsensicht ist es nur erstaunlich, dass es so wenige Unternehmen aus den neuen Bundesländern gibt, die sich dauerhaft in der DAX–Familie etablieren konnten. Also mir fallen im Augenblick nur Jenoptik und Carl Zeiss Meditec ein, die im SDAX bzw. TecDAX vertreten sind. Die Deutsche Wohnen AG wird, da gegründet in Frankfurt/Main als Abspaltung der Deutschen Bank, auch nach ihrem Umzug nach Berlin nicht als rein ostdeutsches Unternehmen wahrgenommen. Bliebe noch Delivero Hero aus Berlin, deren Deutschlandgeschäft aber schon seit einiger Zeit verkauft ist. Kein Wunder also, dass das Steueraufkommen der neuen Bundesländer dem der alten mächtig hinterherhinkt. Aber vielleicht können wir zum nächsten Jubiläum in 5 oder 10 Jahren Fortschritte auch auf diesem Gebiet verzeichnen.
Die beginnenden diesjährigen Herbstferien sind gekennzeichnet von Diskussionen um Reisewarnungen, Risikogebieten, Hotspots, Tests etc. Die Zahlen der mit Covid19- Infizierten steigen massiv an, zuletzt über 4.000 Infektionen/Tag. Die Bundeskanzlerin spricht sogar von möglichen 19.000 Infektionen/Tag, wenn es in diesem Tempo weitergeht. Innerhalb Deutschlands gibt es nun auch schon Risikogebiete und Hotspots, die teilweise nur durch Straßen getrennt sind. Fakt ist, das Virus ist weiterhin sehr gefährlich und solange es keinen wirksamen und zugelassenen Impfstoff gibt, droht trotz aller Beschwichtigung der Politiker ein neuer Lock down mit unabsehbaren Folgen für unserer Wirtschaft.
Einen der mächtigsten Corona-Leugner hat nun das Virus selbst erwischt. Der amerikanische Präsident wurde mit Covid19- Symptomen in das zuständige Militärhospital gebracht und dort sogar mit zeitweiligen Sauerstoffgaben beatmet. Die Märkte reagierten sehr nervös mit Abschlägen, nicht nur in den USA. Es scheint ihm wieder besser zu gehen, denn er hat sich selbst entlassen und macht verständlicherweise weiter Wahlkampf, da er meilenweit hinter seinem Herausforderer Joe Biden liegt. Ob das zweite Fernsehduell zwischen den beiden Krawall-Opas stattfindet, steht noch in den Sternen. Wohltuender das einzige bisher geplante Rededuell zwischen den beiden Vizepräsidentschaftskandidaten Mike Penc und Kamela Harris. Beide verteidigten die Positionen ihrer Chefs, aber man darf getrost davon ausgehen, dass sie sich spätestens 2024 mit eigenen Akzenten gegenüberstehen werden. Dann als Anwärter auf den Chefposten im Weißen Haus. Aber erst einmal müssen wir sehen, ob die Wahlen 2020 geordnet über die Bühne gehen können. Die Märkte jedenfalls wenden sich jetzt schon dem Herausforderer zu. Jetzt muss nur noch der US- Wähler mitspielen.
Wir haben zwar noch etwas Zeit mit der Bundestagwahl in knapp einem Jahr, aber auch hier wird schon um die beste Ausgangsposition gekämpft. Allerdings frei nach dem Motto, tust du mir nichts, tue ich dir auch nichts. Im Untersuchungsausschuss zur PKW- Maut, die durch die Fehlentscheidung eines im Amt völlig überforderten CSU-Verkehrsministers dem Steuerzahler ca. eine halbe Milliarde Euro kostete, hält sich der Noch-Koalitionspartner SPD vornehm zurück. Der Grund: Dem SPD- Kanzlerkandidaten und Bundesfinanzminister Olaf Scholz droht das gleiche Desaster im nun eingerichteten Untersuchungsausschuss zur Wirecard-Affäre, die Anleger und andere Geschädigte Milliarden kostete. Und das wiederum wegen des Aufsichtsversagens der Bafin, deren oberster Dienstherr Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist. Schon länger steht die Frage im Raum, warum der mutmaßliche Milliardenbetrug bei Wirecard so lange unentdeckt bleiben konnte. Nicht nur Oppositionspolitiker vermuten langanhaltende politische Schützenhilfe, schließlich verliefen 2010 die ersten Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft im Sand. Wiederholt ging es dabei um Geldwäsche, aber auch um Vorwürfe, die im Zusammenhang mit den jahrelangen Bilanzmanipulationen von Bedeutung hätten sein können. Zu einer Anklage oder gar Verurteilung kam es allerdings nie. Erst in diesem Sommer flog der Milliardenbetrug auf, da war der Drops aber leider schon gelutscht, zum Schaden der Anleger. Jetzt ist Herbst und Scholz legte am Mittwoch einen Aktionsplan vor, um solche Betrügereien zu unterbinden, wohlgemerkt keine konkreten Vorschläge für Gesetzesänderungen. Tatkraft sieht irgendwie anders aus…Der Fall Wirecard wird uns als geschädigte Anleger noch länger beschäftigen.
Auch die deutsche Börse hat reagiert, Wirecard hat auch sie hart getroffen. Schließlich schaffte es das betrügerische Unternehmen in den DAX30. Es gibt neue Regeln, die den Marktteilnehmern vorliegen und nun bis Ende November diskutiert werden sollen. Wir haben uns die neuen Regeln und die sich daraus ergebenden Änderungen angeschaut und werden diese in einer 3-teiligen Reihe, beginnend nächste Woche, vorstellen.