Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik sind laut einer ersten Schätzung des Statistischen Bundesamts im März 2022 um 7,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen und damit so stark wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. Ähnlich hoch wie im März war die Inflationsrate in den alten Bundesländern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkungen des ersten Golfkrieges die Mineralölpreise ebenfalls deutlich geklettert waren. Auch wenn es sich nur um eine erste Schätzung handelt, dürfen wir davon ausgehen, dass die Zahlen sich bei genauer Errechnung nicht viel verändern werden.
Nach den vorläufigen Daten der Statistiker mussten die Menschen in Deutschland im März 39,5 Prozent mehr für Haushaltsenergie und Kraftstoffe ausgeben als im Vorjahresmonat. Nahrungsmittel verteuerten sich innerhalb eines Jahres um 6,2 Prozent.
Die Doppelkrise aus Ukraine-Krieg und Corona schlägt sich jetzt verstärkt bis zum einzelnen Privathaushalt durch. Eigentlich ist es eine Mehrfachkrise, denn die Energiepreise waren schon vor dem Kriegsausbruch sehr weit aus dem Ruder gelaufen. Und dazu kamen die Lieferkettenproblematik und andere Widrigkeiten, die jetzt zu einer Rezession führen werden. Das muss man sich ehrlich eingestehen. Die Entlastungspakete sind zwar geschürt, aber eben noch nicht beschlossen und können demzufolge noch nicht wirken. Außerdem ist es noch zu bezweifeln, dass diese Milliarden eine große Wirkung entfalten.
Der Sachverständigenrat hat in dieser Woche seine jüngste Prognose zur Entwicklung der Konjunktur in Deutschland veröffentlicht. Demnach wird die Wirtschaftsleistung dieses Jahr nur um 1,8 Prozent zulegen. Bisher hatten die Ökonomen im letzten Jahresgutachten 2021/22 noch 4,6 Prozent Wachstum erwartet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck treiben im Moment wahrscheinlich ganz andere Sorgen um als den Klimaschutz zu intensivieren. Aufgrund des drohenden Stopps der Erdgaslieferung von Seiten Russlands aktivierte er die 1. Stufe des Energienotfallplans und rief alle Verbraucher zum Energiesparen auf.
Ein entscheidender Fehler der Regierung von Angela Merkel rächt sich jetzt. Der Atomausstieg wurde überstürzt und planlos aufgrund eines einmaligen Ereignisses im fernen Japan vollzogen, obwohl der Bundesregierung durch Atomexperten versichert wurde, dass es ein solches Ereignis in Deutschland höchstwahrscheinlich nicht geben würde. Die Gefährlichkeit der Kernenergie wurde durch die Politik hochgespielt und übertrieben dargestellt. Doch in 70 Jahren deutscher Kernenergienutzung ist noch nie ein Mensch aus der Zivilbevölkerung durch die Anlagen zu Schaden gekommen. 30 Prozent der Energieerzeugung gingen bzw. gehen durch den Komplettausstieg verloren. Auf der Grundlage der Beibehaltung der Kernenergie hätte man die erneuerbare Energieversorgung aufbauen können und wäre 2030 fertig mit dem Umbau des Energiemixes gewesen.
Aber der Atomausstieg gehört für Rot-Grün zu den heiligen Kühen. Und diese müssen jetzt geschlachtet werden, im Interesse der Bevölkerung und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Selbst in der EU hat ein Umdenken bzgl. der Kernenergienutzung für den „green deal“ stattgefunden. Die jungen, pragmatisch denkenden rot-grünen Politiker müssen sich endlich gegen die Altvorderen in ihren Partien durchsetzen und die Atomkraft-Scheuklappen absetzen.
Die EZB muss auch eine heilige Kuh schlachten. Aufgrund der sich immer weiter verschärfenden Inflation ist die Nullzinspolitik nicht mehr durchzuhalten. Die Falken müssen wieder im EZB-Rat das Sagen bekommen. Ähnlich wie in den USA die Fed müssen sich auch hier in Europa die Währungshüter zu mehreren Zinsschritten in diesem und nächsten Jahr durchringen. Vielleicht sogar im ersten Schritt den Zinssatz um 0,5 Prozentpunkte anheben, das würde das Vertrauen in die EZB stärken. Das wird zwar für die Länder des Südens sehr hart werden, aber wir werden darum nicht herumkommen. Niemand hat den Regierungen der Euro-Mitgliedsstaaten geraten, notwendige Strukturreformen aus wahltaktischen und anderen Gründen immer weiter hinauszuschieben.
Auch von der Schuldenbremse als heilige Kuh im Grundgesetz stehend, müssen sich die Bundes- und Landesregierungen zumindest länger verabschieden als geplant. Ohne die Schuldenbremse braucht zum Beispiel der Bundesfinanzminister nicht mehr zu tricksen, wenn es um die bald erforderlichen Konjunkturprogramme geht, die aus der erwarteten Rezession führen. In diesem Zusammenhang muss auch über die Verlängerung der Aussetzung der Schuldenkriterien für die Euro-Staaten nachgedacht werden.
Der Krieg in Europa und die Pandemie mit all ihren negativen Folgen waren nicht vorhersehbar, als Schuldenbremse, Energiewende etc. beschlossen wurden. Aber jetzt sind andere Dinge in den Fokus gerückt und nichts ist beständiger als der Wandel. Hoffentlich auch im Denken und Handeln der verantwortlichen Politiker.
Trotzdem wollen wir unseren Kommentar mit einer positiven Nachricht beenden. Der Kurs unseres Depotwertes Apple stieg von Mitte März bis Ende März von gut 150 Dollar bis auf knapp 180 Dollar, ein Zuwachs von beinahe 20 Prozent. An elf Handelstagen hintereinander legte der Kurs zu. Es scheint, dass die Technologiewerte eine Renaissance erleben. Aber waren sie wirklich weg?!