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Es wird kalt in Deutschland

Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub

 

Nun, das mag angesichts der Sommertemperaturen von 30 Grad und mehr paradox klingen. Aber Fakt ist, während die EU über den richtigen Kurs der Sanktionen bei Erdgas aus Russland wieder einmal so herrlich uneins ist, nimmt der russische Präsident Wladimir Putin den Europäern den Streit ab und die Sache mit dem Erdgas selbst in die Hand.
 
Kalt duschen, einen Strickpullover überziehen, eine Wärmflasche ins Kreuz legen, warme Socken anziehen und dazu eine Tasse heißen Tee. Das mag für manch einen in diesen Sommertagen wie eine Farce erscheinen. Fakt ist aber, jeder Sommer geht einmal vorüber. Und sollte uns noch ein goldener Oktober mit erträglichen Temperaturen bevorstehen, spätestens im November, wenn die Erinnerung an die Sommerhitze endgültig verflogen sein wird, könnte das zu einer bitteren Realität werden. Gas ist knapp, alle werden sparen müssen – auch Industrie und Privathaushalte.
 
Nicht der Westen entscheidet, ob und wie viel Gas er Russland abkaufen will. Russland befindet darüber, was es zu liefern bereit ist. Nun ja, wird so mancher einwenden, was nicht geliefert wird, braucht auch nicht bezahlt werden, und demzufolge kann der Wirtschaftsminister die freien Gelder nutzen, um anderweitige Gasvorräte einzukaufen und Russland schneidet sich ins eigene Fleisch. Und das stimmt sogar. Für Gazprom bedeutet das massive Einbußen. Wie der Konzern auf Telegram mitteilte, hat er innerhalb der letzten fünf Monate gut ein Viertel weniger Gas in Länder außerhalb der früheren Sowjetunion geliefert als im Vorjahreszeitraum. Von Januar bis Mai seien 61 Milliarden Kubikmeter exportiert worden – 27,6 Prozent oder 23,2 Milliarden Kubikmeter weniger als ein Jahr zuvor und es dürften im Juni durch die Drosselung der Gaslieferungen nach Europa noch weniger werden. Aber die höheren Gaspreise gleichen auf der anderen Seite die Mengenverluste mehr als aus.
 
Warten wir ab, ob es wirklich nur der Ausfall einer Turbine im fernen Sibirien war, die unser Depotwert Siemens Energy sicher bald reparieren wird (vielleicht mit einer Sonderregelung wegen der Sanktionen!). Dann dürfte es möglicherweise mit dem quälend langsamen Befüllen der Gasspeicher weitergehen.
 
Aber unser Wirtschaftsminister hat da wohl andere Informationen, denn er hat in dieser Woche die Stufe zwei des dreistufigen Notfallplans ausgerufen. Und Gas wird damit wirklich ein knappes Gut. Das betrifft alle Bereiche unseres Landes, Wirtschaft und Privathaushalte.
 
Kein Wunder, dass die Industrie eine Priorisierungsänderung in der Stufe drei fordert. Denn dann entscheidet die staatliche Bundesnetzagentur, wer wie viel Gas erhalten wird. Bisher waren Sozialeinrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeheime etc. an erster Stelle. Danach kommen die Privathaushalte und erst dann die Wirtschaft. Nun überlegen wir einmal, was passiert, wenn der energieintensive Weiterbetrieb von unseren Depotwerten BASF und Bayer, aber auch andere energieintensive Unternehmen nur noch eingeschränkt oder aufgrund staatlicher Entscheidungen keine Energie mehr bekommen und das nicht nur für einen Monat, wenn wir dem Finanzminister glauben, sondern die nächsten Jahren.

 

Durch die Gaskostenbelastungen, denn immerhin reden wir hier von Mehrausgaben bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 20.000 kWh von 1.000 bis 2.000 Euro, die jetzt schon auftreten. Im Herbst wird es dann noch mehr sein, sodass nicht Haushalte nur mit geringen Einkommen, sondern auch die mit mittleren Einkommen Schwierigkeiten bekommen werden. Rechnen wir es einmal hoch, durchschnittlich 20.000.000 Privathaushalte mit Gasheizung mal 1.500 Euro Mehrkosten ergibt eine Summe von 30.000.000.000 Euro, die allein nicht mehr der Binnennachfrage zur Verfügung stehen. Bei Ölheizungen dürfte es ähnlich aussehen.

Und die jetzt einsetzende Lohn-Preisspirale wird ein wesentlicher Treiber für die Inflation werden. Dazu kommen der permanente und weiter steigende Arbeitskräftemangel und die bekannten Lieferengpässe.

Als wären wir noch nicht genug belastet, steht uns die nächste Welle der Corona-Pandemie im Herbst ins Haus, auch wenn wir es aktuell noch nicht so richtig wahrhaben wollen.

Zur Unzeit ist die EZB aufgrund eigener gravierender Fehler nicht mehr in der Lage, Unterstützung zu geben. Die Zinswende ist ausgerufen und wird im nächsten Quartal wohl vollzogen. Bedeutet, die Kredite verteuern sich und Investitionen werden zurückgefahren, was natürlich ebenfalls nicht gut für ein gesundes Wirtschaftsklima gut ist.

Aber selbst im Mutterland des Kapitalismus gibt es Probleme und die USA haben nur in kleineren Rahmen oder in manchen Bereichen überhaupt nichts mit den Folgen des Ukrainekrieges zu schaffen. Trotzdem hat bspw. der S&P 500-Index in den USA bis Ende vergangener Woche seit Jahresbeginn 22,3 Prozent verloren. Letztmals verzeichnete der US-Markt im Jahr der großen Depression 1932 mit minus 45 Prozent einen höheren Verlust im ersten Halbjahr; 1962 kam dann schon mit minus 22,2 Prozent nahe an 2022. Hoffnung könnte jedoch die Tatsache spenden, dass auf die bis dato fünf schlechtesten ersten Halbjahre des S&P 500 jeweils ein äußerst starkes zweites Halbjahr folgte. Allerdings die Konjunktursorgen bleiben trotz allem bestehen.

Die Märkte haben darauf schon reagiert und sind fast schon extrem zurückgekommen. Kleinanleger sollten Aktien genau im Blick behalten und sofern möglich, von unter den Zinssteigerungen leidenden Wachstumswerten zu substanzstarken Titeln wechseln, sprich sich dividendenstarke Titel ins Depot holen. So gleichen sie wenigstens einen Teil der Preissteigerungen wieder aus.