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Die schleichende Deindustriealisierung – Weckruf an die politisch Verantwortlichen

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Deutschland war immer ein Industrieland. Der Automobilbau, der Maschinebau, die chemische Industrie etc. bildeten ein Rückgrat für Jahrzehnte andauerndes Wachstum und Wohlstand im stark vom Mittelstand geprägten Deutschland. Das zog Auslandsinvestitionen nach sich. Deutschland hat stets ausländisches Kapital angezogen, mit oder ohne Subventionen des Staates.

Wenn die Politik sich selbst feiert für ihre kluge Subventionspolitik, dürfte das manchem Unternehmen sauer aufstoßen und dagegen hilft leider kein Kräuterlikör.

Ja, wir haben es geschafft Intel mit hohen Beihilfen nach Deutschland zu locken und auch unser Depotwert TSMC hat Interesse an einer Investition in Dresden gezeigt (natürlich locken hier die gleichen Subventionen). Und vielleicht wird sich auch noch das eine oder andere ausländische Unternehmen mit Geld nach Deutschland locken lassen.
Der Trend geht dennoch in eine andere, uns nicht genehme und damit gefährliche, Richtung.

Im vergangenen Jahr seien rund 132 Milliarden US-Dollar (125 Milliarden Euro) mehr Direktinvestitionen aus Deutschland abgeflossen, als aus dem Ausland in Deutschland investiert wurden. Der Saldo beschreibt also die Differenz zwischen Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland und ausländischer Unternehmen in Deutschland. 125 Milliarden Euro stellten „die höchsten Netto-Abflüsse dar, die jemals in Deutschland verzeichnet wurden“, teilte das Institut für Deutsche Wirtschaft (IW) in einer neuen Studie mit.

Und wenn die politisch Verantwortlichen sich herausreden, das die Ereignisse der letzten zwei, drei Jahre dazu beigetragen haben für die niemand etwas konnte, dann gibt die Studie auch hier einen wichtigen Hinweis. Die negative Entwicklung für Deutschland habe bereits vor der Corona-Pandemie mit ihren Lieferengpässen und Russlands Krieg gegen die Ukraine und den steigenden Energiepreisen begonnen.

Der Grund für den Rekord-Abfluss 2022 liege in den geringen ausländischen Investitionen in Deutschland. Sie seien nach Zahlen der Industrieländer-Organisation OECD fast vollständig eingebrochen: 2022 hätten ausländische Unternehmen nur noch rund 10,5 Milliarden Euro direkt in Deutschland investiert. Deutsche Unternehmen hätten dagegen fast 135,5 Milliarden Euro im Ausland investiert. „Besonders alarmierend dabei ist, dass gerade die Investitionen von europäischen Nachbarn eingebrochen sind“, urteilt das IW. Gleichzeitig seien fast 70 Prozent der Investitionen aus Deutschland in europäische Staaten geflossen. Bedeutet eigentlich nichts anderes, als das die Verwertungsbedinungen, sprich Rendite des investierten Kapitals, in Europa bei weitem besser sind als in der Heimat.

Warum das so ist, darauf haben wir schon mehrfach in unseren Beiträgen hingewiesen:

Zum einen der Fachkräftemangel: Der Mangel an Arbeits- und Fachkräften belaste Unternehmen enorm. In einer Umfrage hätten 76 Prozent der Firmen im industriellen Mittelstand Arbeitskosten und Fachkräftemangel als größte Herausforderung genannt – noch vor hohen Energiepreisen und zunehmender Bürokratie. Und wenn jetzt die Fachkräfte nach Deutschland strömen sollen, nur weil wir ein neues Fachkräftezuwanderungsgesetz verabschiedet haben, trifft dieses Gesetz bekanntlich nicht unbedingt auf die Gegenliebe der Unternehmen, der hiesigen Bevölkerung und auch der internationalen Fachkräfte selbst.

Weiterhin die Subventionen im Ausland: Programme wie der berühmte Inflation Reduction Act in den USA machten Investitionen außerhalb Deutschlands attraktiver. Bei ähnlichen europäischen Initiativen wie dem NextGenerationEU-Programm fließe das meiste Geld an Deutschland vorbei. Fakt ist dabei, dass die Gelder der EU zum großen Teil aus Deutschland stammen. Deutschland ist der größte Nettozahler in den EU-Haushalt.

Der Bedeutungsverlust der deutschen Autoindustrie. „Mit dem Wegfall des Verbrennungsmotors verliert die deutsche Wirtschaft ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal in ihrer Schlüsselindustrie“, warnt das IW. Den internationalen Trend in der Automobilindustrie weg vom Verbrenner zu anderen Antriebsarten haben die Manager, aber leider auch die Anleger und Investoren, verschlafen. Und damit meinen wir nicht die Kleinanleger…

„Die Investitionsbedingungen in Deutschland haben sich aufgrund der hohen Energiepreise und des zunehmenden Fachkräftemangels zuletzt noch einmal verschlechtert“, sagt IW-Ökonom Christian Rusche. Er kritisiert, dass viele Probleme hausgemacht seien und nennt als Beispiele „hohe Unternehmenssteuern, ausufernde Bürokratie und eine marode Infrastruktur“. Auch darauf haben wir schon häufig in unseren Beiträgen hingewiesen.

Als Anleger betrachten wir die schleichende Deindustrialisierung mit Sorge, da sie mit einer Minderung des Wohlstades einhergeht. Worüber wir uns keine Sorgen machen müssen, ist die Rendite unseres investierten Kapitals. Wenn die Unternehmen Deutschland verlassen, dann ist es an der Zeit, mit dem Kapital auch ins Ausland zu gehen. Das beste Beispiel ist unser Depotwert Linde, dem wir ins Ausland gefolgt sind. Und haben wir etwas gemerkt davon, dass der Umzug ins Ausland mit dem schlussendlichen Delisting an der Frankfurter Wertpapierbörse irgendeinen gravierenden Nachteil für uns als Anleger hatte? Die Antwort darauf ist nein.

Die IW-Studie sollte der deutschen Politik endlich die Augen öffnen, egal welche Farbkonstellation gerade in Berlin regiert. Ändern sich die Bedingungen in Deutschland, dann wird auch das Kapital zurückkehren.