Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Beim Schreiben dieser Zeilen sprang das deutsche Börsenbarometer wieder über 15.000 Punkte, das war den damit befassten Websites eine Eilmeldung wert. Kein Wunder, in der Spitze geht es bis auf 15.087 Punkte aufwärts, auch wenn er diesen Wert vielleicht nicht dauerhaft halten sollte. Zuletzt hatte der deutsche Leitindex drei Tage vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 so hoch notiert. Belastet von Kriegssorgen, steigenden Energiepreisen, Inflation und höheren Zinsen war es anschließend bis Ende September auf 11.862 Punkte abwärtsgegangen.
Seit dem Xetra-Schlussstand am 30. Dezember 2022 bei 13.924 Punkten, hat der deutsche Leitindex also 8,35 Prozent zugelegt. Nach einer langen Phase der Konsolidierung zeigen die deutschen Standardwerte wieder deutliche Stärke. Mit einem Plus von 4,9 Prozent verzeichnete der DAX die beste erste Handelswoche seit 20 Jahren.
Warum ist der Dax plötzlich so stark? Das fragen sich die Anleger (auch die, die vor lauter Enttäuschung der Aktie den Rücken gekehrt haben) und nicht nur die.
Hintergrund der starken Kursgewinne sind die nachlassenden Inflationsängste und damit die sinkende Furcht der Anleger vor weiteren deutlichen Zinserhöhungen. Investoren setzen darauf, dass die US-Notenbank Fed im neuen Börsenjahr ihr Tempo bei Zinserhöhungen drosseln wird. Aktuell rechnen 79 Prozent der Marktteilnehmer für die nächste Fed-Sitzung am 1. Februar nur noch mit einem kleinen Zinsschritt von 0,25 Prozentpunkten. Und sollten es doch einmal 0,5 Prozentpunkte werden, sinkt die Inflation noch schneller, was die Märkte weiter beflügeln sollte.
Jenseits von Inflationsdaten und Zinserwartungen gibt es in den kommenden Tagen an der Wall Street auch wieder harte Fakten, die die Märkte beeinflussen werden. Am Freitag startete die US-Berichtssaison mit den Großbanken Bank of America, Citigroup, JP Morgan und Wells Fargo. “Und die Berichtssaison hat das Potenzial, über die Börsenrichtung der kommenden Wochen zu entscheiden”, betont Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners.
Und wenn wir uns den Euro/Dollar Kurs anschauen, dann stellen wir fest, die Leitzinserhöhungen haben den Kurs wieder normalisiert und aktuell auf über 1,07 gehievt.
An der Börse wird bekanntlich die Zukunft gehandelt. Vor einigen Jahren haben wir uns mit dem Metall Kupfer als Börsenindikator beschäftigt. Kupfer scheint zu Jahresbeginn wieder in der Gunst der Anleger zu steigen. Zu Beginn dieser Woche notierte es auf dem höchsten Stand seit sechs Monaten und damit sechs Prozent über dem Niveau von Ende Dezember 2022.
Natürlich wurde der Optimismus besonders durch die Beendigung der restriktiven Covid-19-Maßnahmen in China angeheizt. Jüngste Berichte deuten zudem darauf hin, dass die politischen Entscheidungsträger Chinas 2023 spezielle lokale Staatsanleihen in Rekordhöhe emittieren wollen. Der bisherige Rekord aus dem Jahr 2020 liegt bei 3,75 Billionen Yuan. Diese Anleihen werden üblicherweise größtenteils zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten verwendet, welche wiederum die Nachfrage nach Industriemetallen wie Kupfer erhöhen. Und wie der Teufel es so will, sind gleichzeitig die kombinierten Kupferlagerbestände an den drei großen Metallbörsen in London, New York und Schanghai auf den niedrigsten Stand der vergangenen zehn Jahre gefallen und liegen um fast 51 Prozent unter dem saisonalen Zehn-Jahres-Durchschnitt für diese Jahreszeit. Kurzfristig könnte Kupfer deshalb durchaus weiteres Aufwärtspotenzial besitzen und seine Rolle als Konjunkturindikator betonen.
Chinesische Aktien des MSCI China Index legten in Euro seit Jahresbeginn um 9,6 Prozent zu – 5,6 Prozentpunkte mehr als die restlichen Schwellenländermärkte des MSCI Emerging Markets ex China Index. Auch andere Schwellenländer profitieren typischerweise ebenfalls stark von einer Konjunkturbeschleunigung in China. Das könnte dazu führen, dass der chinesische Aktienmarkt seinen Pendants dieses Jahr deutlicher davonziehen wird. Gemessen am aktuellen Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1,4 sind chinesische Aktien im Vergleich zu den restlichen Schwellenländern um 19 Prozent günstiger bewertet als im Mittel der vergangenen fünf Jahre. Es wird also Zeit, Chinaaktien wieder näher in den Fokus zu rücken. Auch wenn die Produktionskosten in China mittlerweile höher sind als in den benachbarten Schwellenländern, dürften die Wirtschaftslenker in China bald auf hohe Subventionen aus Peking zurückgreifen. Denn wir erinnern uns, China wird seinen Kampf um die führende Wirtschaftsposition in der Welt nicht aufgeben.
Die deutsche Automobilindustrie schlägt angesichts der gestiegenen Energiekosten und dem weltweit zunehmenden Standortwettbewerb Alarm. “Ohne ein ambitioniertes Programm für Wettbewerbsfähigkeit und Standort drohen wir global dauerhaft den Anschluss zu verlieren”, sagte VDA-Chefin Hildegard Müller bei einer Online-Pressekonferenz. Deutschland drohe durch das milliardenschwere Subventionsprogramm der USA und die Konfrontation mit China an Boden zu verlieren. “Der Industriestandort fällt international zurück.” Wenn hier nicht gegengesteuert werde, bewirkten die Klimaschutzbemühungen in Europa genau das Gegenteil, nämlich die Verlagerung von Unternehmen ins Ausland mit dort geringen oder kaum vorhandenen Umweltauflagen. Gleichzeitig nimmt die Konkurrenz durch chinesische Autohersteller in Europa zu. Tja, Frau Müller, die hoch bezahlten deutschen Automobilmanager haben Fehler in der Vergangenheit gemacht, die sich nun rächen. Und der Ruf nach staatlichen Eingriffen ist in der Vergangenheit manchmal im Nirwana gelandet, erinnern wir uns nur an die deutsche Solarindustrie.
Aber sicher findet der Bundesfinanzminister noch ein Sondervermögen für die Automobilindustrie, gute Lobbyarbeit vorausgesetzt.