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Der Blick über die Märkte oder warum wir auf Indien unseren Fokus richten müssen Teil 2

Ein Kommentar von Carsten Witt, stellv. Geschäftsführer des NDAC Anlegerclubs

Eine wachsende Zahl von Unternehmen in Indien hält sich bei der Offenlegung von Finanzdaten, der Behandlung von Minderheitsaktionären und der kontinuierlichen Verbesserung der Unternehmensführung (Corporate Governance) an beste Verfahrensweisen. Mehr Transparenz ermöglicht es dem Markt, die Finanzlage von Unternehmen zu beurteilen und die Risikofaktoren abzuwägen. Dies ist auch für eine niedrigere Risikoprämie und besseren Bewertungen förderlich.

In Indien ist es üblich, dass sehr viele Unternehmen von Familien geführt und kontrolliert werden. Das größte ist dabei die seit 1870 sich am Markt befindliche Tata-Gruppe, deren Ursprünge im von Jamshedji Tata gegründeten Mischkonzern liegen. Jamshedji Tata gilt übrigens als Vater der indischen Industriealisierung.

Es gab schlagzeilenträchtige Fälle rund um familienkontrollierte Unternehmen und andere Formen von Rechtsstreitigkeiten, die diesen Mentalitätswandel unterstreichen: Forderungen nach mehr Befugnissen für unabhängige Vorstände und mehr Schutz für Minderheitsaktionäre trafen in den nationalen Finanzmedien auf ein breites Echo. Schließlich will Indien das ausländische Kapital für seine industrielle Entwicklung nutzen.

Wir hatten ja schon festgestellt, dass Indiens Märkte schon allein auf Grund der Bevölkerungszahl sehr umfangreich sind. Aber sie sind auch sehr liquide. Über 170 an indischen Börsen notierte Aktien weisen eine Marktkapitalisierung von mehr als fünf Milliarden Dollar auf (der vierthöchste Wert weltweit). Das tägliche Umsatzvolumen ist hoch. Mehr als 250 Aktien weisen einen durchschnittlichen Tagesumsatz von über 10 Millionen Dollar auf. Diese Größenordnung wird lediglich von den Aktienmärkten Japans, der USA und Chinas übertroffen.

Fakt ist auch, die indischen Aktienmärkte bekommen im Gegensatz zur deutschen Börse nicht gleich eine Grippe, wenn die Wallstreet einmal hustet. Die indischen Aktienmärkte weisen für gewöhnlich eine geringe Korrelation zu anderen großen Aktienmärkten auf. Indien weist nur eine mäßige Korrelation zu den Märkten der Industrieländer auf (0,59 gegenüber Europa, 0,54 ggü. den USA, 0,49 ggü. Japan). Seine Aktienmärkte stellen auch, verglichen mit vielen Bestandteilen des MSCI Emerging Markets (0,57 ggü. Korea, 0,44 ggü. China), eine ebenso geringe oder sogar noch niedrigere Korrelation unter Beweis.

Der indische Staat hält sich weitgehend aus dem Aktienmarkt heraus. Denn ein ebenfalls wichtiges Differenzierungsmerkmal Indiens ist, dass staatliche Unternehmen (State-Owned Enterprises, SOEs) nur 11 Prozent des Aktienmarktes ausmachen, während es bei chinesischen A-Aktien (gemessen am MSCI China A Onshore Index) etwa 46 Prozent sind. Generell gilt, dass staatliche Unternehmen gewöhnlich zu niedrigeren Bewertungsmultiplikatoren gehandelt werden als private Unternehmen, da sie möglicherweise soziale Ziele verfolgen, die den Interessen von Minderheitsaktionären zuwiderlaufen.

Und Indien gilt nicht Land der Aktienmuffel. Wichtig für Investoren ist, dass die Zuflüsse in systematische Investmentpläne (SIP = systematic investment plan) ungebrochen neue Höchststände markieren, denn diese Form des regelmäßigen Sparens wird immer beliebter. Dieser inländische Pool an Ersparnissen dürfte beständiger und weniger abhängig von Faktoren wie Währungsdynamiken, globalen Zinssätzen oder geopolitischen Entwicklungen sein.

Ein Großteil der jüngsten Dynamik an den indischen Aktienmärkten ist natürlich vorerst auf inländische Kapitalflüsse zurückzuführen, da Wohlstand und Marktzugang der gut indischen Sparer zunehmen. Das dürfte auch daran liegen, dass die junge und gut ausgebildete Bevölkerung in Indien auf dem Vormarsch ist und in Indien die Börse nicht als Glücksspiel gesehen wird wie teilweise in China. Dies heißt aber noch lange nicht, dass ausländische Anleger kein Interesse an Indien haben. In der Tat verzeichneten indische Anlagewerte im Jahr 2023 auch ein Rekordinteresse aus dem Ausland: Ausländische institutionelle Anleger (FI = foreign investors) investierten insgesamt 21 Milliarden Dollar in Aktien. Das führt natürlich auch zu neuem Denken bei den Index Anbietern. MSCI nahm im November 2023 neun indische Unternehmen in seinen MSCI Emerging Markets auf und erhöht damit die Gewichtung Indiens innerhalb dieser Benchmark von 15,9 auf 16,3 Prozent.

Auch bei Börsengängen kann Indien mit der Weltspitze mithalten. Insgesamt kamen im vergangenen Jahr 56 neue Notierungen hinzu. Eine robuste IPO-Pipeline zieht in der Regel ausländische Mittelflüsse nach sich, insbesondere wenn die neuen Notierungen in Wachstumssektoren wie Fintech, Lebensmittellieferdienste, Edtech (= educational technology, dt. Bildungstechnologie), Tourismus und Einzelhandel erfolgen.

Natürlich gibt es auch Probleme im indischen Aktienmarkt; das wollen wir nicht verschweigen. Wir kennen ihn zu wenig, weil er bisher nicht so sehr im Fokus stand. Zum großen Teil liegt es daran, dass wir unsere gesamte Aufmerksamkeit auf China gerichtet haben. Anleger sollten wirklich einen Blick auf den Subkontinent werfen und sich genau vor einem Investment über die Chancen aber auch über die erhöhten Risiken informieren. Indien ist immer noch ein aufstrebendes Schwellenland, aber eins mit alter Börsentradition.