Ein Kommentar von Torsten Arends, Geschäftsführer NDAC-Anlegerclub
Na gut, ganz so dramatisch ist es nicht, aber die Aktienmärkte gingen doch kurzfristig auf Tauchstation, als Russland plötzlich die Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien einstellte. Das Zwei-Konten-Modell mit Euro/Dollar und Rubel, an das sich beide Länder nicht gehalten haben, war die wohl offizielle Ursache für die Entscheidung in Moskau. Der wahre Grund liegt wohl darin, einen Warnschuss Richtung Deutschland und EU zu senden, die sich jetzt verstärkt von russischen Energieträgern unabhängig machen wollen.
Und sofort kam die Frage hoch, könnte es auch Deutschland treffen? Nun, die Entscheidung liegt im Kreml, aber Fakt ist, Putin braucht das Geld. Die Mengen, die Polen und Bulgarien von Russlands Gasfeldern importierten, waren naturgemäß nicht so hoch wie die der deutschen Abnehmer. Polen hat den Braten auch viel früher gerochen und ein Terminal für Flüssiggas errichtet, sodass die Speicher dort nicht ganz so leer sind wie hierzulande. Und Bulgarien wird in den nächsten Monaten an die Gasversorgung Griechenlands angeschlossen. Außerdem hat auch die EU Hilfe zugesagt.
Die Forderungen von deutschen Gas-Sanktionen gegenüber Russland wurden durch die ZDF-Sendung „Frontal“ in der abgelaufenen Woche ad absurdum geführt. In den deutsch-russischen Verträgen ist das „take or pay“ Prinzip festgehalten. Das bedeutet, dass Deutschland langfristig verpflichtet ist, eine Mindestmenge von 40 Milliarden m³ jährlich abzunehmen oder diese zu bezahlen. Bis mindestens 2030 laufen diese Verträge noch. Nur ein Gasboykott in Folge höherer Gewalt, in diesem Fall der Krieg Russlands gegen die Ukraine, könnte ein Ende der Verträge herbeiführen. So ist zu verstehen, warum Russland nicht offiziell vom Krieg spricht, sondern von einer Spezialoperation. Und wenn unsere Ampelregierung sagt, in spätestens zwei Jahren kann Deutschland ohne russisches Erdgas auskommen, dann sollte sie sich die Verträge anschauen. Leider spielt unser Depotwert BASF dabei eine unrühmliche Rolle bei diesem Milliardenspiel, denn das Unternehmen profitiert erheblich vom billigen Erdgas aus den Weiten Sibiriens. Technik gegen Erdgas, das war und ist bis heute die Devise von BASF. Das damit ein ordentlicher Gewinn über Jahre eingefahren wurde, war für die Aktionäre erfreulich. Aber der große Verlierer bleibt die Ukraine und vielleicht noch andere Völker, die im russischen Fokus stehen. Inwieweit sich der ebenfalls in dieser Woche angekündigte Rückzug der BASF aus Russland bis Juli 2022 auf das Geschäft von BASF (ein Prozent des Umsatzes werden in Russland erzielt) auswirken wird, bleibt abzuwarten. Die Gaslieferungen sind davon nicht betroffen. Abschließend zu Gaslieferungen noch ein Spruch von Bundeswirtschaftsminister Habeck: „Niemand kommt mit blütenweißer Weste durch einen Krieg.“
Vielleicht geht es jetzt auch ganz schnell mit dem Ende der Erdgaslieferungen aus Russland. Wie einem aktuellen Bericht des Nachrichtensenders Blomberg zu entnehmen ist, hat die russische Gazprom-Bank eine Zahlung für bestimmte Gaslieferungen nach Deutschland und Österreich abgelehnt. Konkret geht es um Gaslieferungen im April und Mai, die zuvor mit der russischen und jetzt in deutscher Hand befindlichen Gazprom Marketing & Trading Ltd. (GM&T) vertraglich vereinbart worden waren. Das Unternehmen hatte dem Bericht zufolge versucht, das Gas wie von Russland gefordert über ein Gasprom-Bank-Konto zu bezahlen. Die abgelehnte Zahlung an die Gazprom-Bank ist demnach Teil einer Lieferung von sieben Terawattstunden Gas bis Ende 2023. Warten wir ab, ob und wie sich der gordische Knoten zerschlagen lässt.
Die deutschen und internationalen Rüstungsfirmen arbeiten wegen der Ausrüstung der ukrainischen Streitkräfte am Limit. Der Bundestag hat am Donnerstag der Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine mit überwältigender Mehrheit zugestimmt. Dazu kommt die Auf- bzw. Nachrüstung der Bundeswehr mit Hilfe eines Sondervermögens oder sagen wir ehrlicherweise einer zusätzlichen Kreditaufnahme von 100 Milliarden Euro sukzessive der Einhaltung des Zweiprozentzieles des BIP jährlich. Die Rüstungsfirmen jubeln und deren Aktien steigen kurz-, mittel-, und langfristig, auch wenn sie nicht die ESG-Kriterien erfüllen und wohl nicht den CO2-Ausstoß Regeln entsprechen. Ihr Autor wundert sich wirklich über die Kriegsbegeisterung der Grünen-Führung. Es fehlt nur noch, dass Rüstungsaktien ebenso wie die Kernkraft und Erdgas ein durch die EU abgesegneten grünes Markenzeichen erhalten.
Die Bundesregierung hat mittlerweile eingesehen, dass sie ihre Wirtschaftsprognose senken muss, nach dem alle Wirtschaftsinstitute das vorherhersagen. Laut der Prognose der Bundesregierung wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 nur um 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr wachsen. Nach dem starken Einbruch der Wirtschaftsleistung durch die Corona-Pandemie im Jahr 2020 prognostiziert das Bundesministerium für Wirtschaft eine Erholung in den Jahren 2022 und eine weitere ökonomische Regeneration im Jahr 2023. Warten wir ab, was die Aussagekraft der Glaskugel wirklich wert ist.
Etwas exakter ist die Steigerung der Verbraucherpreise im April. Die Inflationsrate lag laut erster Schätzung bei 7,4 Prozent, der höchste Stand seit über 40 Jahren. Und Frau Lagarde handelt, na ja noch nicht so ganz. Sie hat eine Anhebung der Zinsen im Euro-Raum im Sommer in Aussicht gestellt, wahrscheinlich im Juli steigen sie um sagenhafte 0,25 Prozent. Das wird die Inflation aber bekämpfen…
Elon Musk ist mit der Führung seiner Paradeunternehmen Tesla und SpaceX anscheinend noch nicht so richtig ausgelastet. Für den Kauf des Kurznachrichtendienstes Twitter wird Musk 54,20 Dollar pro Aktie bezahlen, was insgesamt rund 44 Milliarden Dollar entspricht. Diese gewaltige Summe will Musk unter anderem mithilfe des Finanzdienstleisters Morgan Stanley sowie weiterer Kreditgeber aufbringen. Sie steuern 13 Milliarden an Fremdkapital bei. Weitere 12,5 Milliarden Dollar finanziert Musk durch die Beleihung seiner Tesla-Aktien. Den Rest von weiteren 21 Milliarden Dollar wird er aus seinem Barvermögen aufbringen. Wir werden sehen, ob Twitter jetzt eine gute Entwicklung nimmt und eventuell Eingang in unseren Clubfonds finden wird.