Erinnern Sie sich an den Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen? Oder die Beteiligung des chinesischen Huawei-Konzerns am Ausbau unseres Mobilfunknetzes? Beides ist höchst umstritten, weil keiner hierzulande weiß: Wie halten wir es denn nun mit China?
Wenn wir Deutschland als ein Land mit 83 Millionen Einwohnern und einem Bruttoinlandsprodukt von 3,896 Billionen Euro (2022) und China ein Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern und ein BIP von 18,001 Billionen Dollar (2022) (entspricht etwa 16,014 Billionen Euro) vergleichen, fällt sofort auf, wer weiterhin das Sagen in den bilateralen Beziehungen beider Staaten haben wird, China Strategie hin oder her.
Auch wenn sich Chinas Wirtschaftswachstum prognostiziert etwas verlangsamen wird, ebenso wie das Bevölkerungswachstum, ist es immer noch Exportweltmeister. Ältere Leser unter uns erinnern sich an Zeiten, da hatte Deutschland diesen Titel inne. Lang ist es her…
Vor der Sommerpause hat Deutschland seine erste China-Strategie veröffentlicht. Die Bundestagsabgeordneten haben nun Zeit, die 64 Seiten zu studieren und sich auf die kommende Debatte vorzubereiten.
Unternehmer können jetzt einfach nachschlagen, um zu erfahren, ob China als Partner politisch gewollt ist oder nicht.
Das Strategiepapier zum Umgang mit China berührt sicherheitspolitische Fragen ebenso wie Fragen der Wirtschaftsbeziehungen und des Wissenschaftsaustauschs. Ausdrücklich benennt es Differenzen, etwa im Umgang mit Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten. Ein wichtiger Punkt ist die Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China, sofern das praktisch überhaupt gelingt. Das Strategiepapier bleibt dem in der EU und Deutschland längst zur Sprachregelung gewordenen Dreiklang von China als Partner, Wettbewerber und systemischen Rivalen treu. Also von der Seite her nichts Neues.
Von der politischen Doppelmoral abgesehen, die wie immer wieder durchschlägt, konzentrieren wir uns besser auf die wirtschaftlichen Aspekte der deutschen China-Strategie, die eigentlich gar nicht so neu ist.
„De-Risking ist das Gebot der Stunde“, betonte Bundesaußenministerin Baerbock bei der Vorstellung und benannte damit den Kern der künftigen Wirtschaftspolitik. Doch der Text enthält zugleich ein wichtiges Bekenntnis: „An der wirtschaftlichen Verflechtung mit China wollen wir festhalten.“ Deutschland wolle gemeinsam mit der EU die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber China stärken; der EU-Binnenmarkt sei dabei „unser schlagkräftigstes Instrument“, sagte Baerbock. „Er ist Hebel und Schutzschild zugleich.“ Denn auch China brauche den europäischen Markt. Deutschland unterstützt daher laut der Strategie die gezielte Förderung wichtiger Industrien in der EU und Deutschland. Ziel sei es, „weiterhin technologisch führend zu bleiben“. Die Strategie kündigt zudem ein „Dachgesetz“ zum Schutz kritischer Infrastruktur an. Bei kritischen Rohstoffen und Medikamenten will Deutschland künftig nicht mehr von China abhängig sein.
Die Bundesregierung gibt den Unternehmen weiter freie Hand, wie sie ihr Engagement in der Volksrepublik gestalten. Doch es müssten die „Verantwortlichkeiten für riskante unternehmerische Entscheidungen klar bleiben“, sagte Baerbock. Es werde auf Dauer nicht funktionieren, „in guten Zeiten auf die unsichtbare Hand des Marktes zu vertrauen und in schwierigen und Krisenzeiten nach dem starken Arm des Staates zu verlangen“. Auch eine starke Volkswirtschaft wie Deutschland könne das nicht stemmen. „Deshalb werden Unternehmen, die sich in hohem Maße vom chinesischen Markt abhängig machen, in Zukunft das finanzielle Risiko verstärkt selbst tragen müssen.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist bereits dabei, die deutschen, vom Staat gegebenen Garantien, für große Investitionen in China systematisch zurückzufahren. Das bedeutet im Klartext, wenn Unternehmen in China investieren, dann bitte auf eigenes Risiko.
Und dann haben wir auch noch das Problem Taiwan. Deutschland fühlt sich weiterhin der Ein-China-Politik verpflichtet. Die „guten Beziehungen“ zu Taiwan sollen aber dennoch ausgebaut werden. Der Konflikt zwischen Taiwan und China, das den Inselstaat als abtrünnige Provinz betrachtet, könne nur friedlich und in beiderseitigem Einvernehmen gelöst werden. „Eine militärische Eskalation würde auch deutsche und europäische Interessen berühren“, heißt es in dem Strategiepapier. Schön gesagt. Nicht nur berühren, sondern es würde ein Produktionskrise in Deutschland und der EU wegen fehlender Chiplieferungen auslösen. Allerdings würde ein militärischer Konflikt auch die USA auf den Plan rufen. Hier fehlt die Aussage, dass Deutschland sich an den Wirtschaftssanktionen gegen das Reich der Mitte anschließen wird, oder etwa nicht?
Die künstliche Intelligenz, China ist hier im Gegensatz zu Deutschland mit führend in der Welt, bedeutet auch eine Zusammenarbeit im Cyperraum. Dazu stellt die Bundesregierung fest: Deutschland ist sensibler geworden gegenüber hybriden Bedrohungen aus dem Ausland, einschließlich China. Daher findet zum Beispiel die Abwehr von Spionage im Cyberraum Eingang in die Strategie.
Obwohl die China-Strategie in Deutschland zumeist als lange überfälliger Kurswechsel bezeichnet wurde, fällt die Reaktion aus Peking vergleichsweise mild aus. Denn China stellt auch fest, dass der Einfluss auf die bilateralen Beziehungen schwach ist. Peking betrachtet vor allem die grünen Minister Baerbock und Habeck als treibende Kraft hinter einem kritischeren China-Kurs, Bundeskanzler Olaf Scholz hingegen als gemäßigte Kraft. Warten wir ab, wie die Strategie im deutschen Parlament ankommt bzw. nach der Diskussion durch die Abgeordneten wieder herauskommt.
Übrigens, wenn sich der Nutzen einer Strategie daran bemisst, wie weit sie hilft, Entscheidungen im täglichen Geschäft zu treffen, dann ist diese Strategie in den Augen vieler Unternehmen eine Lachnummer.
Für uns als Anleger ändert sich durch das Papier nichts. Wir werden weiter investieren, wo die Rendite bei überschaubarem Risiko stimmt, auch im Reich der Mitte.