
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Nach der Bundestagswahl hat der Wahlsieger und damit wahrscheinlich neue Bundeskanzler nicht viel Zeit für Koalitionsverhandlungen, Regierungsbildung und die berühmten 100 Tag zum Eingewöhnen in das neue Amt. Deutschland und damit auch Europa braucht eine neue Führungsfigur, die die Menschen mitreißt und ihnen eine neue Zuversicht gibt.
Deutschland steht am Scheideweg, das alte Geschäftsmodell hat ausgedient. Ob für immer, wird sich zeigen. Deutschland hat sich früher auf den Export von hochentwickelten Industriegütern als Hauptwachstumstreiber verlassen. Aber dieses Modell hat schon etwas länger versagt. Die Wirtschaft ist in den letzten zwei Jahren geschrumpft und wird das wohl unter den aktuell gegebenen Voraussetzungen weiter tun. Das aktuelle deutsche Wirtschaftsmodell ist auf niedrige Energiepreise angewiesen. Aber dies ist nicht die Hauptursache für die gegenwärtige Stagnation.
Vielmehr haben die hochentwickelten Industriegüter, die Deutschland produziert, heute viel mehr billige, aber qualitätsmäßig ebenfalls starke Konkurrenz als im letzten Jahrzehnt bekommen. China ist jetzt ein starker Konkurrent Deutschlands in europäischen und Drittlands-Märkten. Dieser Wettbewerb wird in Zukunft nur noch intensiver werden. US-Zölle auf chinesische Importe werden in diesen Sektoren erhebliche Überkapazitäten schaffen. Dies wird wahrscheinlich zu niedrigeren Preisen führen und somit chinesische Waren international noch wettbewerbsfähiger machen. Chinas Drache verspeist Deutschlands Wirtschaft als Mittagessen mit einem Biss.
Deutschland wird da nur ein neues Wirtschaftsmodell helfen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Viele Länder sind diesen Weg bereits gegangen. Nachdem die Fertigungssektoren von Großbritannien und der USA international nicht mehr wettbewerbsfähig waren, konzentrierten sich ihre Wirtschaften auf Dienstleistungen. Die Erstehung neuer dynamischer Sektoren wie Finanz-, Technologie- und Bildungsdienstleistungen ermöglichte es diesen Wirtschaften, trotz anhaltender Probleme im Herstellungssektor, weiter zu wachsen. Die deutsche Wirtschaft wird nun denselben Weg einschlagen müssen, um eine zukünftige Stagnation zu vermeiden. Und sieht sich damit einer starken Konkurrenz der auf diesem Gebiet führenden Nationen gegenüber. Das wird also kein Zuckerschlecken, vor allen Dingen, wenn man bedenkt, dass Deutschland eigentlich eine riesige Servicewüste ist.
Dann kommt noch ein Problem dazu. Normalerweise würde der Arbeitsmarkt den Übergang von Arbeitskräften von einem Sektor in den anderen erleichtern. Aber Deutschlands Arbeitsmarkt steht dieser wichtigen wirtschaftlichen Anpassung geradezu im Weg. Im Gegensatz zur Fertigung sind Dienstleistungsbranchen sehr arbeitskraftintensiv. Nur wer nimmt die Strapazen einer wirklichen Umschulung auf sich, wenn das Arbeitsrecht Arbeitnehmer so lange wie möglich im alten Beruf hält? Deutschlands Arbeitsmarktvorschriften machen es schwer, Kosten durch Entlassungen zu senken. Während dies aus der Perspektive des einzelnen Arbeitnehmers großartig ist, gibt es auch keinen Anreiz zur Umschulung bzw. Jobsuche, um in schneller wachsenden Sektoren der Wirtschaft zu arbeiten.
Auf diesem Gebiet wird sich die neue Bundesregierung vielleicht nicht die größten Sympathien bei ihrer Wählerklientel erwerben, wenn sie eine dringend notwendige Anpassung der Kündigungsschutzgesetze vornehmen muss. Auch die viel beschworene Social-Life-Balance dürfte darunter leiden. Andernfalls wird der Übergang in eine dienstleistungsbasierte Wirtschaft sehr schwer bis unmöglich sein. Das Ergebnis ist dann so hart es auch klingen mag, Stagnation mit einem damit verbundenen schnellen Sozialstaatsabbau. Leider hat man dazu in den Wahlkämpfen nichts gehört. Politiker aller Couleur haben sich lieber in der Vergangenheit mit einer Reihe von staatlichen Interventionen zur Unterstützung der Wirtschaft versucht und wollen es wahrscheinlich auch weiter tun. Ergebnis: gleich wenig bis gar nicht erfolgreich. Es wird Zeit, dass die neue Regierung ins Amt kommt und bitte keine Nieten mehr. Wir haben keine Zeit zu verlieren.
Am 24. Februar jährte sich der Einmarsch der Russen in die Ukraine zum dritten Mal. Und jetzt haben die Verhandlungen zwischen Moskau und Washington begonnen. Europa, geschweige denn die Ukraine, sitzt nicht mit am Verhandlungstisch. Ein erfahrener, mit allen diplomatischen Tricks agierender Außenminister Lawrow aus Russland trifft auf ein amerikanisches Greenhorn Rubio auf diesem Gebiet. Kein Wunder, dass die Welt nichts Positives von diesen bilateralen Gesprächen erwartete. Ein schwacher Präsident aus den USA knickt gnadenlos ein vor dem russischen Zaren. Und nicht nur schwach ist der immer noch auf den Friedensnobelpreis schielende Donald Trump, sondern er bringt einiges bewusst durcheinander. In dem er behauptet, die Ukraine hätte den Krieg nie beginnen dürfen, sie hätte dazu ja vorab schlicht Land eintauschen können. Was für eine Geschichtsverfälschung! In dem Fall an ein dementielles Syndrom zu glauben, fällt nicht nur ihrem Autor schwer. Warten wir ab, wie die Verhandlungen weitergehen.
Die Börsen reagierten auf den Beginn der Verhandlungen in Erwartung des Waffenstillstandes jedenfalls mit Aufschlägen. Speziell die Military Aktien sind gesuchte Werte, wegen der geplanten Aufrüstungen in Europa.
Angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft brauche Deutschland dringend „Reformen, die den Einsatz von Aktien in der Vorsorge attraktiver machen“, sagt die geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts (DAI), Henriette Peucker dem Handelsblatt. Noch immer verließen sich die Menschen vor allem auf die schrumpfende gesetzliche Rente, kritisiert die oberste Interessenvertreterin der börsennotierten Unternehmen in Deutschland. Bei der Geldanlage in Aktien seien die Deutschen dagegen nach wie vor zurückhaltend. Die neue Bundesregierung müsse deshalb dafür sorgen, dass Deutschland in Sachen Aktienkultur aufholt. Recht hat die Frau und vielleicht könnten die dann Verantwortlichen auf den Plan von C. Lindner zurückgreifen. Schließlich muss man das Rad nicht jedes Mal neu erfinden.