Ihr Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Eigentlich war jetzt die vorösterliche oder Osterruhe an den Börsen angesagt. Die Markteilnehmer sind zum großen Teil im Osterurlaub, nur die Computersysteme, vielleicht auch die KI-Systeme, wachen über die Geschehnisse an den Märkten. Schön wäre diese Zeit gewesen.
Aber neun Ölförderländer aus der Gruppe der Opec plus haben wohl etwas dagegen. Sie werden ihre tägliche Produktion in den kommenden Monaten um insgesamt 1,66 Millionen Barrel (1 Barrel = 159 Liter) reduzieren. Das teilte Opec plus am Montag in Wien nach einer virtuellen Sitzung ihres Marktbeobachtungs-Ausschusses offiziell mit. Am Vortag hatten die an dem Schritt beteiligten Länder durchaus überraschend und einzeln Kürzungen angekündigt.
Die Förderkürzung traf viele Marktteilnehmer unvorbereitet. Der Preis pro Barrel Öl stieg in der Nacht zum Montag um bis zu acht Prozent an, pendelte sich im weiteren Handelsverlauf bei einem Plus von immerhin sechs Prozent ein. Die Nordseesorte Brent kostete damit fast 85 Dollar, die US-Sorte WTI liegt über 80 Dollar.
Nun könnte man denken, ok, die Erdöl-Preise sind immer mal wieder Schwankungen ausgesetzt. Die überraschende Entscheidung lässt aber nicht nur die Ölpreise steigen. Gleichzeitig wächst die Sorge, wie sie sich auf die Inflation und die Geldpolitik auswirkt – und vor allem, wie es jetzt um das Verhältnis von den USA zum weltweit größten Ölproduzenten Saudi-Arabien bestellt ist. Unter Joe Biden ist das Verhältnis nicht gerade besser geworden.
Experten hatten damit gerechnet, dass die Gruppe ihre Ölfördermenge konstant halten würde. Die Opec plus hatte die Förderung bereits ab November 2022 um zwei Millionen Barrel pro Tag reduziert. Der jüngste Preisverfall am Ölmarkt – ausgelöst durch Sorgen vor einer Rezession und einer dadurch sinkenden Nachfrage – hat nun offensichtlich zu einem Umdenken geführt, erklärt Analyst Tim Waterer von Kohle Capital Markets: „Man hat den Eindruck, dass es den Opec-plus-Mitgliedern nicht ganz geheuer war, dass der Preis in letzter Zeit unter die 70 US- Dollar-Marke gesunken ist.“ Aber das war nun einmal die Folge der schwachen Weltkonjunktur. Und die Opec plus-Staaten fürchten auch die Energiewende in den Industrienationen. Je mehr E-Fahrzeuge beispielsweise zugelassen werden, desto weniger Sprit wird verbraucht und die Ölheizungen werden zunehmend durch Heizungen mit alternativen Energien ersetzt.
Die Entscheidung der Opec plus wird nicht nur zu den feiertagsüblichen Preiserhöhungen an den Tankstellen führen, sondern auch die Inflation weiter anheizen. Die Verbraucherinflation wird vielleicht wieder ansteigen. Die EZB wird nicht umhinkommen, die Leitzinsen weiter zu erhöhen. Zumal befürchtet wird, dass die Opec-Kürzung den Preis für den Schmierstoff der Welt in Richtung 100 Dollar und darüber treiben wird.
Europäische Öl- und Gasaktien entwickelten sich 2023 mit einem Plus von knapp drei Prozent schwächer als der breite Markt. Der Grund: sinkende Energiepreise. Dennoch bleibt der Sektor aufgrund des günstigen Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) von 6,2 auf die erwarteten Gewinne und seiner hohen Profitabilität interessant, zumal sich die Kurse jetzt erholen werden.
Analysten der Deutschen Bank schätzen, dass der Sektor selbst bei einem Rückgang des Ölpreises von aktuell rund 80 auf 60 Dollar pro Barrel noch immer auf eine KGV-Bewertung von knapp elf käme, – dass entspräche dem Schnitt vergangener Konjunkturzyklen. Laut der Internationalen Energieagentur soll die weltweite Öl-Nachfrage im Laufe dieses Jahres um 3,2 Millionen Barrel pro Tag steigen. Bedenken sollten wir auch, die strategischen Ölreserven der USA befinden sich auf niedrigem Niveau und die von Russland angekündigte Drosselung der Ölproduktion zeichnete sich bislang noch nicht in den Daten ab. Ein Rücksetzer auf 60 Dollar pro Barrel scheint daher unwahrscheinlich. Öl- und Gasaktien versprechen daher weiterhin interessante Aktionärsrenditen, trotz aller ESG-Kriterien werden sie weiter stark nachgefragt werden.
Zumindest die führenden Wirtschaftsinstitute unseres Landes rechnen in diesem Jahr mit einem Konjunkturwachstum von 0,3 Prozent. Ein Grund für die optimistischere Sicht als noch im Herbst seien die deutlich rückläufigen Energiepreise, heißt es in der am Mittwoch vorgestellten Gemeinschaftsdiagnose der Institute. Demnach dürfte die Inflation in Deutschland gleichwohl in diesem Jahr bei hohen 6,0 Prozent liegen. „Der konjunkturelle Rückschlag im Winterhalbjahr 2022/2023 dürfte glimpflicher ausgefallen sein als im Herbst befürchtet“, erklärte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Timo Wollmershäuser. Maßgeblich sei ein „geringerer Kaufkraftentzug infolge deutlich rückläufiger Energiepreise“. Noch bessere Zahlen sagen die Wirtschaftstheoretiker bei der Inflation voraus. Dem Gutachten zufolge dürfte die Inflation dennoch erst im kommenden Jahr spürbar auf 2,4 Prozent im Jahresdurchschnitt sinken. Staatliche Entlastungsmaßnahmen und erwartete Lohnsteigerungen „stärken die Binnennachfrage und halten den heimischen Preisauftrieb hoch“, hieß es. Als Konjunkturstütze sehen die Institute die Industrie, die von nachlassenden Lieferengpässen und der günstigeren Energie profitieren dürfte. Die Bauwirtschaft werde dagegen bremsen. „Besonders im Wohnungsbau wird die Nachfrage schwach bleiben, auch weil die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Kurs weiter straffen wird und damit die Finanzierungskosten ihren Anstieg fortsetzen werden“, heißt es zur Begründung. Also keine 400.000 Wohnungen jährlich neu, wie uns die Bundesregierung versprochen hat. Gute Nachrichten gibt es für den Arbeitsmarkt. Die Zahl der Erwerbstätigen dürfte weiter zunehmen, von rund 45,6 Millionen im vergangenen Jahr auf rund 46,0 Millionen im kommenden Jahr. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte allerdings in diesem Jahr vorübergehend von 2,42 auf 2,48 Millionen zulegen, „da die ukrainischen Flüchtlinge nicht sofort auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen“ (wenn sie überhaupt in Deutschland bleiben!). 2024 dürfte die Arbeitslosigkeit dann wieder auf 2,41 Millionen sinken.
Die Osterbotschaft ist also gesprochen, Korrekturen sind, wie des Öfteren passiert, nicht ausgeschlossen.
So wünschen wir unseren Lesern frohe Ostern!