
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Vielleicht hat unser neuer Finanzminister auf die Hoffnung gesetzt, dass die 100-Tage-Schonfrist doch noch gilt, zumal er ja erst einmal ankommen wollte in den für ihn fremden Gefilden seines Ministeriums. Er hatte vorher nie etwas mit Finanzen zu tun gehabt, außer vielleicht seinen privaten Finanzen. Die Wirklichkeit kennt eine solche Schonfrist nicht, auch nicht für einen Frischling im Amt.
Die Haushaltsprobleme werden immer größer, vermeldeten ganz aktuell die Steuerschätzer. Mehr als 80 Milliarden Euro weniger Steuereinahmen bis 2029 wurden für Bund, Länder und Gemeinden prognostiziert. Ok, das ist nur eine Hausnummer. Aber die Summe passt ins Bild. Die Wirtschaft läuft schlecht, viele Unternehmen halten sich zurück, drosseln die Produktion und bauen zunehmend sogar Jobs ab – ein Phänomen, das man lange selbst in Krisen in Deutschland nicht beobachtet hat. In den letzten Wochen ist es verdammt leicht geworden, für die Flaute vor allem dem US-Präsidenten und seinem wirren Handelskrieg die Schuld zu geben – doch die erratische Zollpolitik taugt als Erklärung allenfalls für die jüngste Verunsicherung von Unternehmen, nicht aber für inzwischen drei Jahre Stagnation. Für drei Jahre Stagnation kann man den CDU-Teil der Regierung nicht unbedingt verantwortlich machen. Denn die saßen in der Opposition, aber die Ampel bestand zum großen Teil aus der SPD. Da sollte man schon genauer hinschauen, was der SPD-Mann im neuen Amt so anstellen wird, wenn er seinen Haushalt oder sogar Doppelhaushalt ausarbeiten lässt.
Allerdings, die verbreitete Einordnung von Klingbeils Zahlen – die Spielräume werden enger, der Spar- und Konsolidierungsbedarf wird größer, schmerzhafte Strukturreformen umso dringlicher – übersehen gleich zwei wichtige Faktoren, die in den kommenden Wochen für die Haushaltsplanung noch wichtig werden. Zum einen neigen Steuerschätzungen immer dazu, die gegenwärtige Lage durch eine Fortschreibung in die Zukunft zu überzeichnen. Das gilt im Guten wie im Schlechten – sie sind quasi ein permanenter Verstoß gegen das 11. Gebot: Du sollst nicht extrapolieren (extrapolieren bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch, aus einem bekannten Zustand oder einer bekannten Entwicklung auf Zustände in anderen Bereichen oder auf zukünftige Entwicklungen zu schließen).
Steuerschätzungen sind wichtig, sie geben Orientierung und auch einen Rahmen, sie mahnen gerade in diesen Zeiten zur Vorsicht. Aber sie sind immer auch nur eine Momentaufnahme, die die vielen möglichen Entwicklungen in der Zukunft nur zu einem ganz kleinen Teil einfangen. Für Klingbeil und die Bundesregierung bedeutet das: Es gibt zwar einige Risiken, dass es auch noch schlechter kommen kann. Aber eben auch besser, wie Frühindikatoren durchaus beweisen. Die wichtigsten Stimmungsbarometer der Wirtschaftsforschungsinstitute wie Ifo und ZEW sind zuletzt gestiegen, nicht nur einen Monat, sondern das auch schon mehrere Monate in Folge.
Um das zu einem stabilen Trend zu verstetigen, ist es wirklich notwendig, dass es endlich los geht mit all den schönen Dingen, die die Arbeitskoalition versprochen hat. Deutschland und Europa warten darauf.
Das der DAX40 erstmals mit dem Überschreiten der 24.000-Punkte-Grenze ein weiteres Hoffnungszeichen setzt, mag zur Zuversicht beitragen, denn wie wir wissen, wird an den Börsen die Zukunft gehandelt. Allerdings sollten wir die Euphorie etwas dämpfen. Die Zukunft muss erst einmal in der Gegenwart vorbereitet werden. Trotzdem liegt die Zukunft jetzt mehr in Europa. Seit Jahresbeginn hat der DAX40 inzwischen ein Fünftel an Wert gewonnen. Der europäische Aktienindex Euro STOXX50 liegt im gleichen Zeitraum mit etwas mehr als elf Prozent im Plus. Der US-Index S&P 500 schaffte im Gegensatz dazu bislang lediglich eine minimale Steigerung von einem Prozent.
Allerdings ist das nicht in Stein gemeißelt und wir werden bei den nächsten Zahlen sehen, welche Maßnahmen der Bundesregierung Erfolge zeigen.
Sehr viel gesprochen haben der US-Präsident und der Bundeskanzler bisher nicht, nur am Telefon ein paar übliche Floskeln ausgetauscht. Umso wichtiger ist der persönliche Kontakt zwischen dem Vizekanzler und Finanzminister Lars Klingbeil und dem US-Finanzminister Scott Bessent am Rande des G7-Finanazministertreffens in Kanada. Natürlich ging es in dieser Unterredung wieder um die Zölle, die ja nun erst einmal ruhen. Bessent gilt nicht als Hardliner innerhalb der Trump-Regierung. Bei einem G7-Dinner am Dienstagabend habe er sich offen gezeigt und davon gesprochen, an Lösungen arbeiten zu wollen, so ein G7-Vertreter. Nur nebenbei bemerkt, Klingbeil hat eben kein Mandat für Zollverhandlungen wie die anderen Europäischen Länder der EU im G7 oder auch G20 Format, das hat nur die EU. Aber zumindest eine Einladung nach Washington ist für Klingbeil herausgesprungen. Ganz abreißen will man den Kontakt zu den ungeliebten Deutschen seitens der USA nun auch wieder nicht.
Ganz rund läuft es in den USA auch wirtschaftlich nicht mehr. Die Befürchtung, dass die USA in den kommenden Jahren größere Schwierigkeiten haben könnten, ihr Haushaltsdefizit zu finanzieren, sorgte dafür, dass Käufer der Anleihen eine höhere Rendite einforderten. Die daraus resultierenden steigenden Kapitalkosten belasteten zugleich die Aktien. Hintergrund ist die angespannte Haushaltslage der USA, die durch die derzeit vom US-Präsident vorangetriebene Gesetzesvorlage für niedrigere Steuern noch verschärft würde. Und das, nachdem gerade erst mit Moody’s die dritte der großen Ratingagenturen wegen der hohen US-Verschuldung den USA die Spitzenbonität entzogen hatte. Am Markt befürchtet man, dass ein ausuferndes Defizit die Finanzstabilität der USA unterminiert und damit auch den Status von US-Anleihen und des Dollars als sicherer Hafen. Wir müssen die USA und die Aktien dort weiter im Auge behalten. Denn was nützen US-Aktien, die zwar sicher wieder im Kurs anziehen wird, aber deren Kursgewinne und Ausschüttungsbeträge von einem schwachen Dollar-Kurs aufgefressen werden.