
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Kaum ist der erste Monat des neuen Jahres vorbei und schon wird es an den Aktienmärkten turbulent. Der chinesische Herausforderer im Bereich der KI (Künstliche Intelligenz) DeepSeek hat die Aktien der etablierten US-Unternehmen aus diesem Sektor total erschüttert.
Und wir können schon verstehen, dass die gerade sich bildenden Preis-Oligopole im Bereich der KI einen ähnlichen Schock bekommen haben, wie einst die Altvorderen der heutigen Generation, als die Sowjetunion damals einen Satelliten namens Sputnik 1 in das Weltall schossen und das war der erste und es war kein amerikanisches Modell.
Und wieder einmal hat es funktioniert die USA zu schocken. Natürlich nicht alle US-Bürger, sondern die, die gerade damit begonnen hatten, mit der KI sehr viel Geld zu verdienen. Das chinesische Startup-Unternehmen DeepSeek, das erst vor knapp zwei Jahren gegründet wurde und hinter dem ein chinesischer Fondsnamens High Flyer Capital steht, hat ein Sprachmodell entwickelt, das ähnlich gute Werte aufweist wie die Künstliche Intelligenz des US-Marktführers und ChatGPT-Entwicklers Open AI. Und manche Publikationen sprechen davon, dass diese bei besseren Werten sogar deutlich effizienter ist als die derzeitigen Marktführer. Nun ist das nichts Neues, dass die Konkurrenz etwas später nachzieht, wenn ein Konzern eine Neuentwicklung herausbringt. Aber der Schock wurde durch die Entwicklungskosten verursacht, die nur einen Bruchteil von den US-Kosten betragen.
Der DeepSeek-Erfolg wirft grundsätzliche Fragen auf. Vor allem in den USA investieren bekanntlich die Digitalkonzerne Hunderte Milliarden Euro in neue Rechenzentren, um ihre KI-Modelle zu trainieren. Erst vor einigen Tagen hatte Open AI zusammen mit Partnern und im Beisein von Präsident Trump ein Investitionspaket von 500 Milliarden Dollar bekannt gegeben.
DeepSeek hat aber keinen Zugang zu den besten und teuersten Chips von NVIDIA, sondern verwendet eine ältere Generation von Computerchips.
Für ein im Dezember veröffentlichtes Modell verwendete das Unternehmen nach eigenen Angaben nur gut 2.000 Chips, ein Zehntel oder noch viel weniger dessen, was US-Unternehmen benötigen. Die Kosten wurden mit umgerechnet rund 5,5 Millionen Euro beziffert, auch das nur ein Bruchteil von den US-Milliarden. Die Kosten für ein Modell, das Anfang vergangener Woche veröffentlicht wurde und nun mit etwas Verzögerung die Techwelt alarmiert, lagen zunächst nicht vor. In jedem Fall aber braucht das Unternehmen sehr viel weniger teurer Rechenleistung als die US-Konkurrenz.
Und das ist auch noch nicht alles, denn anders als bei der US-Konkurrenz sind die DeepSeek-Modelle frei einsehbar, also Open Source (ähnlich wie beispielsweise Linux). Andere Entwickler können so leicht auf der Arbeit der Chinesen aufbauen. Fachleute sagen schon länger voraus, dass die großen KI-Modelle irgendwann zu allgemeinen Gütern werden und die Wertschöpfung eher in der konkreten Anwendung der Modelle liegt. Open AI, Microsoft oder Google wollen aber mit dem Verkauf ihrer Künstlichen Intelligenz, wie schon gesagt, viel Geld verdienen. Falls diese Modelle schon früher als erwartet zur billiger Stangenware werden, und damit muss man rechnen, würde das die Rendite ihrer Milliardeninvestitionen infrage stellen.
Zudem wird das Modell zur Herausforderung für die Trump-Regierung. Sein Vorgänger Biden hat mit scharfen Sanktionen versucht, die chinesische Chip- und KI-Industrie auszubremsen. Erst Anfang Januar verschärfte Biden die Sanktionen weiter. „DeepSeek zeigt, dass die Sanktionen absolut nicht wirksam sind“, sagte der Shanghaier Techunternehmer Robert Wu der F.A.Z. „Das treibt die Leute hier zu neuen Innovationen an.“ (Wünscht man sich auch für Deutschland!)
DeepSeek und der High-Flyer Capital Fonds wurden von dem chinesischen Entwickler Liang Wenfeng gegründet und haben ihren Sitz in Hanghzou, südlich von Shanghai. Die Stadt gilt als eine der chinesischen Tech-Hochburgen. DeepSeek unterscheidet sich von vielen anderen chinesischen Tech-Startup vor allem dadurch, dass das Unternehmen nicht von kommerziell interessierten Investoren dominiert wird, sagte Wu. „Ich glaube nicht, dass DeepSeek sich dafür interessiert. Die sind auf einer Mission und wollen etwas Großes erreichen.“ Gleichzeitig sei das Unternehmen gut finanziert.
Das die Aktien der US-Techies an den Börsen extrem die Richtung Süden einschlugen, ist nur logisch. Die Papiere vieler wichtiger Technologiekonzerne brachen ein. Der niederländische Chipmaschinenhersteller ASML verlor ebenso mehr als ein Zehntel seines Börsenwertes wie der taiwanische Halbleiterhersteller TSMC und der US-Chipdesigner NVIDIA. Allein der Rückgang dieser drei Aktienkurse vernichtete Börsenwert in Höhe von rund 500 Milliarden Euro, insgesamt wurden bis zu eine Billion Euro vernichtet. Der Börsenindex Nasdaq in den USA verlor zeitweise 5 Prozent an Wert. In Deutschland büßte Siemens Energy im Tagesverlauf mehr als 20 Prozent ein. Aber keine Sorge, solche Rückschläge sind auch gute Kaufgelegenheiten, denn die Konkurrenz muss nun eine Antwort finden.
Jetzt allerdings besteht leider die Gefahr, das Deutschland und Europa nicht nur von den USA, sondern auch von China abgehängt wird. Gleichzeitig eröffnet die KI von DeepSeek neue Chancen für die abgehängte europäische KI. Denn wir haben auch kluge Köpfe in Europa. Hier scheiterte es eigentlich nur an Kapital, die Milliardensummen wie in den USA stehen hier nicht zur Verfügung. Da haben wir den Anschluss leider schon lange verpasst. Denn ein großer Nachteil europäischer KI-Anbieter wie das deutsche Unternehmen Aleph Alpha aus Heidelberg ist der fehlende Zugang zu extremer Rechnerleistung, die bekanntlich teuer ist. Mit dem französischen Start-up Mistral gibt es ein Unternehmen, dass auf den gleichen Ansatz setzt wie DeepSeek: das sogenannte „Mixture-of-Experts“-Prinzip. Anstatt für jede Aufgabe die gesamte Künstliche Intelligenz zu befragen, unterteilen die Entwickler das Modell in Experten zu gewissen Themen. Stellt ein Nutzer beispielsweise eine physikalische Frage, leitet ein sogenannter Router die Frage an den Physikexperten im Modell weiter. Dieser Experte greift nur auf einen Bruchteil der Gesamtdaten zurück, nämlich den Teil mit physikalischen Informationen. Das macht „Mixture-of-Experts“-Modelle effizienter und günstiger.
Solche Fragen kann das KI-Modell aus China durchaus lösen, allerdings darf man wie üblich Fragen nach Präsident Xi, der blutigen Revolte in Peking 1989 auf dem Tian`anmen Platz etc. nicht stellen. Da schweigt sie, denn sie unterliegt der politischen Zensur.