
Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Norwegen hat einen, China hat sogar etwa vier, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait, das kleine Singapur haben ebenfalls einen. Die Rede ist von Staatsfonds, milliardenschwer und bereit in der Welt auch strategische Interessen ihrer Herkunftsländer durchzusetzen.
Am bekanntesten und auch von der Kapitalausstattung am umfangreichsten ist der Norway Government Pension Fund Global, der jeden Norwegen zumindest auf dem Papier zum Millionär erhebt. Denn der norwegische Staatsfonds mit dem Namen Norway Government Pension Fund verwaltet knapp 19 Milliarden Kronen, das sind bei rund 5,5 Millionen Einwohner des Landes pro Kopf etwa 3,5 Millionen Kronen. Doch bevor wir nun neidisch nach dem Norden schauen, rechnen wir es lieber einmal um. Und da sind es nur noch ca. 300.000 €. Ok, auch noch viel und so viel haben die meisten Deutschen nicht auf der hohen Kante.
Die Idee hinter dem Fonds, der in den 1990er-Jahren gegründet wurde und von der Norges Bank Investment Management (NBIM), einer Einheit der norwegischen Zentralbank, verwaltet wird, ist von dem Gedanken geleitet, dass von dem Öl- und Gasreichtum des Landes am Ende alle Einwohner profitieren sollen und eben nicht nur wenige Unternehmen. Seitdem werden die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft erfolgreich an den internationalen Finanzmärkten investiert. Die Regierung darf pro Jahr maximal drei Prozent des Fondsvolumens für den Staatshaushalt nutzen, während der Rest des Kapitals unangetastet bleibt. Allein im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres erzielte der Fonds einen Gewinn von 125 Milliarden Euro.
Nun wissen wir, warum Norwegens Staatsverschuldung auf nunmehr auf rund 43 Prozent für 2024 (geschätzt) gesunken ist. Die Schuldenquote in Prozent des Bruttoinlandsproduktes von Norwegen wird laut Prognosen zwischen 2024 und 2029 kontinuierlich um insgesamt 2,1 Prozentpunkte sinken. Nach dieser Prognose soll die Schuldenquote in Prozent des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2029 zum vierten Mal in Folge auf 40,63 Prozent gesunken sein.
Auch andere Länder unterhalten solche Vehikel, etwa China und Saudi-Arabien. Dabei sind nicht alle Fonds zwingend dem Gemeinwohl verpflichtet. Nur wenige Staatsfonds legen ihre gesamte Strategie und das Portfolio detailliert offen. Mit Ausnahme von Norwegen stammen die größten Staatsfonds zudem aus Ländern mit autoritären Regimen.
Im Gegensatz zu Pensionsfonds hat der Staat bei Staatsfonds die volle Kontrolle über das investierte Kapital und ist nicht an bestimmte Zwecke gebunden beziehungsweise kann er die Zwecke „nach Lust und Laune“ neu definieren. Einige Staatsfonds betreiben so auch strategische Industriepolitik. China etwa erwirbt über seine Staatsfonds Unternehmen im Ausland und erhält so einerseits Zugriff auf ausländisches Know-how, andererseits kann Peking so politisch-strategische Ziele verfolgen und den Einfluss auf ausländische Staaten erhöhen.
Das Problem wird immer wieder diskutiert: Können die Staatsfonds Einfluss auf die Entwicklung der internationalen Börsen nehmen? Schließlich ist der Anlagehorizont ja nicht nur auf nationale Projekte und Märkte beschränkt. Im laufenden Jahr verwalteten die Staatsfonds weltweit über 12 Billionen Dollar. Ok, das klingt mächtig gewaltig, aber angesichts eines jährlichen Aktienhandelsvolumens von derzeit über 180 Billionen Dollar auch wiederum nicht.
Natürlich nehmen die Staatsfonds auch Einfluss auf die Märkte. Schließlich wird ein Staatsfonds nicht nur ein paar Aktien handeln, sondern gleich millionen- oder milliardenschwere Pakete kaufen oder verkaufen. Sie setzen damit Zeichen für Investitionen, die ihre Nachahmer noch als mehr oder weniger starker Hebel verstärken. Allerdings Fakt ist wie schon gesagt auch, unter dem Strich verschwindet ihr Investitionsvolumen im globalen nicht versiegenden Kapitalfluss.
Nun sollte Deutschland einen aktienbasierten Staatsfonds für die Rentenstabilisierung bekommen, soweit die Pläne der Ampel-Regierung. Denn Deutschland hatte bisher keinen solchen Staatsfonds, außer dem Kenfo, der für die Altlasten des Atomstiegs entsprechende Gelder in Milliardenhöhe an den Märkten anlegt.
Doch der Gedanke, dass auch hierzulande staatliches Geld am Kapitalmarkt angelegt wird und die Gewinne für das Allgemeinwohl abgeschöpft werden, ist nicht neu. Das ifo-Institut in München hat 2019 einen entsprechenden Vorschlag erarbeitet. Die Idee war, dass sich Deutschland in Niedrigzinsphasen günstig verschuldet, um das Geld in einem solchen Fond anzulegen. Wir hatten darüber schon einmal berichtet. Durch den zu erwarteten Regierungswechsel wird ein weiteres Jahr verschenkt.
Das der mögliche Kanzler Friedrich Merz, mit BlackRock Vergangenheit, diesen durchaus richtigen Gedanken wieder aufgreifen wird, dürfte über jeden Zweifel erhaben sein, nur ist dann wieder ein Jahr im Nichtstun vergangen.
Allerdings die Norweger und die anderen reichen Erdöl- und Erdgasexportierenden Staaten wissen, woher sie das Kapital für die Ausstattung des Fonds nehmen. In Deutschland erscheint das noch sehr unsicher zu sein. Wir müssen erst einmal die ebenfalls Milliarden schweren und bekannten Fehler der Vergangenheit korrigieren (Infrastruktur, Rente, Digitalisierung, Bildung, etc.). Dazu werden weitere Milliarden für die Verteidigung kommen. Zusätzlich wissen wir auch, dass die angedachten Zeiten niedriger Zinsen die Inflation anheizen und damit auch die Erträge des Fonds schmälern werden. Da werden wir wohl noch sehr lange warten müssen auf den Deutschlandfonds und dessen Erträge.
Fakt ist, wir sollten hier klotzen, nicht kleckern und wirklich einmal eine Billion Euro oder mehr in die Hand nehmen, schuldenfinanziert, um endlich einmal die nötigen Mittel für die Lösung der Probleme zur Verfügung zu haben. Das wäre sicher ein Riesenkonjunkturprogramm und könnte Deutschland aus der Rezession wieder an die Spitze in Europa führen.
Nur hat die Politik so viel Mut?