Ihr Torsten Arends, Geschäftsführung des NDAC
Wir hatten eine Krise zu bewältigen oder besser gesagt Wladimir Putin, der Zar von Russland oder wie auch immer er sich selbst bezeichnet. Sein Söldnerführer Jewgeni Prigoschin hat es gewagt, gegen seinen Herrn aufzubegehren. Ok, nicht gegen Putin selbst, sondern gegen den Verteidigungsminister und den Generalstabchef. Das Ganze wurde kurz vor Moskau gestoppt, aber nicht, weil die heldenhaften Verteidiger die angreifenden Söldner zurückschlugen, sondern weil ein weiterer Player im Ukrainekrieg auf den Plan trat und vermittelte. Der Präsident von Belarus, Komplize Lukaschenko, nahm seinem Diktatorenfreund Putin die Last eines Bürgerkrieges von den Schultern und vermittelte ein unblutiges Ende der Aktion. Prigoschin erhält Asyl in Belarus, aber er sollte nie zu nahe an Fenster treten und seine Unterhosen nie aus den Augen lassen und dreimal in der Nacht das Bett wechseln.
Aber was bedeutet das ganze jetzt für die Aktionen der Söldnergruppe Wagner, die ja nicht nur in der Ukraine aktiv waren? Präsident Putin muss jetzt selbst Verantwortung übernehmen, z. B. in Afrika, Syrien, Irak etc. Bisher konnte er seine Hände in Unschuld waschen und sagen, dass was dort geschieht, ist das Werk einer Privatarmee. Das ist mit der Auflösung der milliardenschweren Gruppe Wagner und der geplanten Eingliederung der Söldner in die reguläre russische nicht mehr möglich. Dabei braucht Putin die Einnahmen aus Afrika (Diamanten, Gold, seltene Erden, Öl, Gas etc.) für seinen Krieg.
Fakt ist, die Stabilität des Russischen Reiches hat einen Knacks bekommen. Das wohlaustarierte Gleichgewicht zwischen Oligarchenwirtschaft, Geheimdiensten und Armee unter Putin dürfte nicht mehr so funktionieren, wie bisher. Dass der Krieg in der Ukraine, bei einem Sieg Prigoschins und ein damit vermuteter Machtwechsel im Kreml beendet werden würde, hat wohl niemand erwartet. Im Gegenteil, jetzt wird Putin alles tun, um den Krieg zu verlängern.
Das wird zwar den Rüstungsunternehmen rund um den Erdball weitere Milliarden in die Kassen spülen, aber den Menschen in der Ukraine wird es nicht helfen.
Der Preis für Öl der Nordseesorte Brent liegt mit 73 Dollar pro Barrel wieder ziemlich genau auf dem Niveau von Januar 2022. Alle Preissteigerungen infolge des Russland-Ukraine-Krieges – zwischenzeitlich über 60 Prozent – sind egalisiert worden. Verglichen damit haben sich Aktien von Öl- und Gasunternehmen, deren Zulieferer sowie Servicefirmen erstaunlich gut gehalten. Seit Jahresbeginn 2022 hat der Sektor 45 Prozentpunkte mehr zugelegt als der MSCI World, wenngleich der Performancevorsprung zunehmend schwindet. Ein Grund für die Robustheit der Öl- und Gasaktien dürfte sein, dass die Unternehmen zunehmend effizienter produzieren und deshalb auch bei niedrigeren Öl- und Gaspreisen hohe Gewinne erzielen können. Dennoch gibt weiterhin der Ölpreis die Richtung für Energieaktien vor. Ohne Erholung der Ölpreise ist entsprechend auch keine Outperformance von Öl- und Gasaktien zu erwarten.
Und das führt uns zur deutschen Wirtschaft.
Die Stimmung der deutschen Wirtschaft hat sich gemessen am ifo Geschäftsklimaindex im Juni stärker eingetrübt als erwartet. Dieser fiel von 91,5 auf 88,5 Punkte. Analysten hatten im Schnitt 90,6 Punkte prognostiziert. Während der Subindex zur Beurteilung der aktuellen Lage nur moderat sank, stürzten die Geschäftserwartungen unerwartet geradezu heftig ab, von 88,3 auf 83,6 Zähler. Wie schon bei den am vergangenen Freitag veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes verschlechterte sich vor allem im verarbeitenden Gewerbe das Geschäftsklima erheblich, und zwar auf den niedrigsten Stand seit November 2022. Viele Unternehmen betrachten ihren Auftragsbestand als zu niedrig. Auch im Dienstleistungssektor, hier speziell bei Transport- und Logistikunternehmen und im Baugewerbe, fielen die Erwartungen deutlich pessimistischer aus. Ob es in der zweiten Jahreshälfte eine leichte Erholung gibt, dürfte vom Ausmaß der konjunkturellen Erholung in China und der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA abhängen. Im Anschluss an die Veröffentlichung des ifo Geschäftsklimaindex rentierten zweijährige Bundesanleihen 0,76 Prozentpunkte höher als zehnjährige: ein 15-Jahres-Hoch. Und das hatten wir schon ein paarmal erklärt. Diese sogenannte inverse Zinsstrukturkurve deutete in der Vergangenheit meist auf eine bevorstehende stärkere Konjunkturdelle oder Rezession hin. Und was machen die Märkte aus diesen Zahlen? Die Aktienindizes gaben nur leicht nach und sind jetzt schon auf einem Höhenflug zu neuen Allzeithochs. Das alte liegt immer noch bei 16.427 Punkten (DAX40).
Aktuell lief die Meldung über den Ticker, dass die Verbraucherpreise im Juni wieder stärker gestiegen sind. Waren und Dienstleistungen kosteten durchschnittlich 6,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Im Mai hatte die Inflationsrate noch 6,1 Prozent betragen. Hintergrund dieser Entwicklung ist dabei vor allem ein statistischer Effekt, der darauf zurückgeht, dass die Statistikbehörde die aktuellen Preise mit jenen aus dem jeweiligen Monat des Vorjahres vergleicht. Im Juni 2022 nämlich trat einerseits der Tankrabatt in Kraft, andererseits startete der Verkauf des 9-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr.
Für das zweite Halbjahr rechnen die Statistiker mit einem weiteren Rückgang der Teuerung, da die gesunkenen Energiepreise wirksam werden. Immerhin ist das ein Zeichen an die EZB, nur eine moderate Zinserhöhung von weiteren 25 Basispunkten ins Auge zu fassen.