Das 1879 gegründete Unternehmen Linde noch als deutsche Gesellschaft zu bezeichnen, ist wohl nicht mehr richtig. OK, die Wurzeln des Unternehmens liegen noch in Deutschland und auch ein Sitz in München zeugt noch von der deutschen Herkunft des heute international agierenden Gas-Konzerns. Heute ist der Unternehmenssitz im irischen Dublin und die operative Zentrale befindet sich im britischen Guildfort.
Aber Carl von Linde hatte 1907 ein zweites Unternehmen gegründet, Praxair. Das wurde von den Amerikanern nach dem Ersten Weltkrieg konfisziert. Nach der Fusion 2018 firmierte der Konzern unter dem Namen Linde plc. (public limited company). Linde ist aufgrund der Sitzzusammenlegung nach Irland seit 2018 einer der wenigen Konzerne, der in zwei national bedeutenden Aktienindizes unterschiedlicher Märkte, dem US-amerikanischen S&P 500 sowie dem DAX 40 vertreten ist, ohne in einem der beiden Länder einen Hauptsitz zu haben. Ist zwar merkwürdig, aber durch die internationalen Börsenregeln gedeckt.
Industriegasehersteller wie Linde profitierten massiv von der konjunkturellen Belebung in vielen Schlüsselmärkten im Zuge des Wirtschaftsaufschwungs nach der Corona-Pandemie. Mittelfristig bieten sich für Linde neue attraktive Chancen. Vor allem der von der EU forcierte Ausbau der Erzeugerkapazitäten für grünen Wasserstoff bietet Linde exzellente Wachstumschancen, zumal man sich in diesem Segment als einer der technologisch führenden Anbieter bei Großanlagen zur Produktion des CO2-neutralen Energieträgers gute Chancen auf neue Großaufträge ausrechnen kann und dazu noch Subventionen erhalten wird.
Der Russland-Ukraine-Konflikt sorgt für eine Zeitenwende in der europäischen Energiepolitik. Der Energiebedarf in der EU soll mittelfristig vor allem durch den Ausbau der Ökostromkapazitäten rund um Wind-, Solar und Wasserkraft und den Einsatz von LNG oder Methan gedeckt werden. Die Blaupause liefert das erst vor wenigen Monaten von der EU vorgelegte RePowerEU-Programm, in dem die Europäische Union ihre Strategie zur Umsetzung dieses ehrgeizigen Vorhabens skizziert. Eine Schlüsselrolle soll hierbei auch der verstärkte Einsatz von grünem Wasserstoff spielen. Damit eröffnen sich für Linde mittelfristig vielversprechende Perspektiven. Denn bis 2030 will die EU mehr als die Hälfte der russischen Erdgasimporte durch grünen Wasserstoff ersetzen, bis dahin sollen rund 20 Millionen Tonnen des CO2-neutralen Energieträgers zur Verfügung stehen.
Die Konzerntochter Linde Engineering deckt mit ihrem Portfolio die gesamte Wertschöpfungskette, von der Produktion über die Lagerung bis hin zur Distribution von grünem Wasserstoff ab. Damit ist das Unternehmen gut aufgestellt, um von den milliardenschweren Investitionen der EU in den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft profitieren zu können. Auch beim Ausbau der Wasserstofftankstelleninfrastruktur spielt Linde eine Schlüsselrolle. Knapp die Hälfte aller weltweit installierten Wasserstofftankstellen basieren auf dem Know-how von Linde. Als einer der Schlüsselakteure des Konsortiums H2 MOBILITY Deutschland treibt Linde gemeinsam mit weiteren hochkarätigen Industriepartnern wie OMV, Total Energies und Air Liquide den Wasserstofftankstellen-Netzwerkausbau in Deutschland und Europa weiter voran.
Eine führende Marktposition nimmt Linde bei sogenannten PEM-Elektrolyseuren ein, die im Vergleich zu herkömmlichen Elektrolyseverfahren über einen besonders hohen Wirkungsgrad bei der Wasserstoffproduktion aufweisen. PEM steht dabei für “Protonen-Austausch-Membran” (Proton Exchange Membrane) oder auch “Polymerelektrolyt-Membran”. Wie der Name schon sagt, ist die Membran das wichtigste Kennzeichen dieses Brennstoffzellentyps.
Linde ist dadurch zu einem gefragten Partner bei der Realisierung von industriellen Großprojekten zur Herstellung von grünem Wasserstoff aufgestiegen. So erhielt Linde Engineering vom norwegischen Düngemittelhersteller Yara einen Großauftrag zur Lieferung einer PEM-Elektrolyseanlage mit einer Gesamtleistung von 24 MW. Mit einer Produktionskapazität von 10 Tonnen liefert die Anlage genügend Wasserstoff, um ab Mitte 2023 am Yara-Standort in Porsgrunn jährlich 20.500 Tonnen Ammoniak herzustellen. Dadurch werden die CO2-Emissionen bei der Ammoniakproduktion jährlich um knapp 41.000 Tonnen verringert. Auch unser ehemaliger Depotwert BASF setzt bei der Umsetzung seiner Dekarbonisierungsstrategie auf die Expertise von Linde. So wurde ein langfristiger Liefervertrag für grünen Wasserstoff vereinbart. Produziert wird der CO2-neutrale Energieträger mithilfe einer neuen Wasserstoffproduktionsanlage am französischen Linde-Standort Chalampé, die Mitte 2024 in Betrieb gehen soll. Ein weiterer bedeutender Referenzauftrag für Linde Engineering stammt von unserem Depotwert Infineon. So errichtet Linde im österreichischen Villach eine PEM-Elektrolyseuranlage mit einer Gesamtkapazität von zwei Megawatt, mit der das Ende 2021 in Betrieb genommene neue Infineon-Werk in Österreich mit grünem Wasserstoff versorgt werden soll. Aufgrund seiner Expertise bei der Errichtung schlüsselfertiger Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff hat die Linde plc gute Chancen, in diesem attraktiven Wachstumsmarkt ganz vorne mitzumischen. Grüner Wasserstoff wird als CO2-neutraler Energieträger beispielsweise für die klimaneutrale Produktion von Stahl oder als Treibstoffalternative für Nutzfahrzeuge mittelfristig stark an Bedeutung gewinnen, weshalb Marktforscher von Vantage Market Research in diesem Segment bis 2028 von Zuwachsraten von durchschnittlich 48,19 Prozent erwarten.
Laut aktuellem Stand von September 2022 zahlte Linde innerhalb der letzten 12 Monate Dividende in Höhe von insgesamt 4,25 EUR. Beim aktuellen Kurs von 279,55 EUR entspricht dies einer Dividendenrendite von 1,52 Prozent. Der Kurs der Aktie hat sich seit dem Zusammenschluss mit Praxair nahezu verdoppelt. Auch wenn die Dividende nicht gerade berauschend ist, bleiben wir dabei.