Unser einziger Bankenwert ist eigentlich keine Bank, sondern ein sehr erfolgreicher Finanzdienstleister. Der Online-Broker Flatex wurde 2006 von der Flatex AG gegründet und hat seinen Sitz in Kulmbach. Aktueller Betreiber ist die Flatex Bank AG mit Sitz in Frankfurt am Main. Seit der Übernahme des niederländischen Online-Brokers DeGiro im Jahr 2020 gehört dieser zur FlatexDEGIRO-Gruppe.
Flatex ermöglicht den Handel mit Wertpapieren wie Aktien, Fonds, ETFs, Derivaten und CFDs. Dabei können Anleger an allen deutschen und vielen internationalen Börsen handeln. Über mehrere Partner ist auch der außerbörsliche Direkthandel möglich. Die Abwicklung der Handelsaufträge sowie die gesamte Konto- und Depotführung erfolgt über die Flatex Bank AG, welche als deren Marke Flatex geführt wird.
Der Finanzdienstleister verzichtet auf Beratung und hat für jeden Trade einen festen Gebührensatz festgelegt, egal ob der Trade nur ein Wertpapier oder ein ganzes Paket umfasst.
Ende des vergangenen Monats hat Flatex Zahlen vorgelegt. Die Anleger waren damit wohl nicht ganz zufrieden, denn die Kurse gingen leicht zurück. Flatex hat eine Mittelfristprognose ausgegeben, die für das Jahr 2026 ein Ziel von 7 bis 8 Millionen Kunden anvisiert. Im gerade abgelaufenen Jahr 2021 wurden 730.000 Neukunden auf insgesamt 2,06 Millionen Kunden hinzugewonnen. Das sind täglich 2.000 Neukunden im Jahr. Um das Ziel zu erreichen, braucht Flatex lt. Marktexperten 2980 Neukunden täglich. Derzeit liegt die Schlagzahl mit 2.000 pro Tag also deutlich unter der Zielgröße, wenn wir von einem linearen Wachstum ausgehen. Wir schließen also daraus, dass Flatex ein exponentielles Wachstum anstrebt. Für das laufende Jahr 2022 hat Flatex eine Prognose von 2.027 Neukunden pro Tag ausgegeben, also 1,5 % mehr als im Vorjahr. Da ist von dem exponentiellen Wachstum noch nicht viel zu sehen. Bis 2020 hat Flatex für jeden Neukunden 50 Euro ausgegeben, im Jahr 2021 ist dieser Betrag auf 58 Euro angestiegen. Wenn wir berücksichtigen, dass Flatex an jedem Neukunden jährlich rund 128 Euro verdient, dann sind die 58 Euro noch sehr günstig.
Analysten rechnen bis 2026 mit einem jährlichen Umsatzwachstum von 15 Prozent, der Gewinn wächst überproportional, da sich die Gewinnmarge aufgrund der Skaleneffekte fast verdoppeln konnte. Das KGV für 2023e steht bei 10. Ein sehr günstiger Wert für einen Wachstumswert. Das sieht sehr gut aus, auch für die beiden Vorstände, sie haben in den vergangenen Wochen mehrfach Aktienpakete erworben.
Etwas anderes dürfte in den nächsten Wochen für weiteren Treibstoff sorgen. Berichten zufolge beschäftigen sich Private Equity Firmen mit der Ausarbeitung eines Übernahmeangebots für Flatex, berichtete Bloomberg.
Der Marktwert des Online-Brokerhauses FlatexDegiro stieg damit auf rund zwei Milliarden Euro. Ein Unternehmenssprecher erklärte, Flatex sei für formelle Übernahmeangebote offen. Analyst Martin Comtesse von Jefferies zeigt sich vom Private-Equity-Interesse nicht überrascht und verweist auf den jüngsten Kursverfall, wie Bloomberg berichtet. Gegenüber Ende Juni hatte der Titel mehr als 45 Prozent seines Wertes eingebüßt. Beteiligungsgesellschaften interessierten sich zunehmend für Retail-Broker, so Comtesse.
In der Bilanz sammelt sich eine Nettoliquidität an, die jährlich um 150 Millionen Euro steigt. Das EV/EBITDA 23e steht bei nur 5. Geopolitische Spannungen führen zu Turbulenzen an den Aktienmärkten, die gerade bei Flatex zu sprudelnden Einnahmen führen werden. Wir wissen ja, dass Anleger gegenwärtig nicht nur wegen des Krieges zwischen Russland und der Ukraine, sondern auch aus anderen Gründen schnell alle Aktien versilberten. Andere warten bereits gierig darauf, die jetzt zurückgekommenen Papiere aufzusammeln, frei nach dem Motto: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Und an beiden Aktionen verdient der Broker, also in diesem Fall unser Depotwert Flatex.
Flatex ist nebenbei bemerkt auch kein Leichtgewicht mehr an den Börsen, das Unternehmen weist aktuell eine Marktkapitalisierung von 2,08 Milliarden Euro auf. Die Übernahmespekulation sorgte dafür, dass unser Wert das Jahrestief von 15,04 Euro überwunden hat. Flatex notiert aktuell bei ca. 19,00 Euro. Aber bis zum Jahreshoch von 29,70 Euro ist es damit trotzdem noch ein weiter Weg.
Der Aktienkurs bildet sich aus Angebot und Nachfrage. Angebot und Nachfrage bilden derzeit offensichtlich einen Aktienkurs, der nicht viel mit der erfolgreichen Geschäftsentwicklung zu tun hat. Es würde ihren Autor nicht wundern, wenn US-Investoren mit einer Offerte auf die Aktionäre zukommen. Vielleicht dient dieses Gerücht aber auch nur als Initialzündung für die Aktie, um die kolossale Unterbewertung auszugleichen.
Zu den Wettbewerbern von Flatex gehören unter anderem die schwedische Nordnet, die Swissquote Group Holding und die britische Hargreaves Lansdown. Flatex hatte in der Vergangenheit bereits einen Verkauf in Betracht gezogen, sich stattdessen dann aber für die Übernahme des in Amsterdam ansässigen Konkurrenten Degiro entschieden. Ziel war, einen „Charles Schwab“ Europas zu schaffen. Nun, das Ziel ist noch nicht ganz erreicht wie geplant, aber vielleicht haben die Privat Equity Investoren genau das vor. Wir lehnen aus zurück und warten auf die Höhe des Angebots. Und wenn es nichts wird mit der Übernahme, dann trauen wir dem Management durchaus auch eigene Initiativen zu, den Kurs dem wahren Flatex-Potential künftig anzupassen.