Nachdem wir vor einer Woche über die Situation des Rückversicherers Munich Re berichtet haben, wollen wir uns heute mit dem Erstversicherer Allianz SE beschäftigen.
Wer die Allianz SE immer noch mit einem reinen Versicherungsunternehmen gleichsetzt (bekannter Slogan „Hoffentlich Allianz versichert“), lässt sich vielleicht von den vielen Agenturen im Lande leiten. Mit mehr als 8.200 Vertretern und 26.800 Mitarbeitern erwirtschaftet die Allianz Deutschland AG einen Umsatz von 40,8 Milliarden Euro. Sie trägt damit fast 30 Prozent zum Gesamtumsatz der Allianz Gruppe bei.
Aber die Allianz ist viel mehr als eine reine Versicherung, sie ist heute ein global aufgestellter Finanzkonzern. Und man darf vermuten, dass es wahrscheinlich nur noch in Deutschland so viele Vertreter, Hauptvertretungen und Generalvertretungen gibt. Und so gab und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen der Münchner Konzernführung und den meist freien Vertretern. Diese verteidigen ihre Pfründe natürlich gegenüber dem Online-Fortschritt, aber aufhalten werden sie den Fortschritt nicht mehr (wir haben darüber schon öfter berichtet).
Es gibt weitere Aktivitäten zur Verzahnung der Lebensversicherungssparte mit der Vermögensverwaltung. Die Kundengelder aus langlaufenden Verträgen sollen die beiden Asset-Manager der Gruppe, AGI und Pimco, vermehrt in alternative Anlagen investieren. Pimco fokussiert sich dabei auf Immobilien, AGI hat vor allem Expertise in den Bereichen Private Equity und Infrastrukturinvestitionen. Und auch die Auszahlungsguthaben aus langlaufenden Verträgen sollen nach Möglichkeiten im Konzern verbleiben.
Das bietet sich an, aber vorher sollten die Ermittlungen der US-Behörden im Zusammenhang mit Hedgefonds-Verlusten (Structured Alpha) bei der Tochter Allianz Global Investors (AGI) durch einen Vergleich schnell beendet werden. Bei AGI waren die vergangenen Monate vor allem von Sparmaßnahmen geprägt. Nach dem wenigen, was bisher bekannt ist, gehörten zum Repertoire für Großinvestoren auch Renditeangebote von zehn Prozentpunkten über einem Vergleichsindex. Die hochspekulative Strategie ging gut, solange an den Märkten nicht eine völlig unerwartete Wende eintrat. Beispielsweise eine Pandemie. Nun sind Milliarden futsch und die Münchner müssen irgendwie für den Ausgleich sorgen. Der Knall aus der weltweiten Finanzkrise von 2008 wurde in München und beim Ableger in Florida wohl immer noch nicht so richtig eingeordnet. Zumindest hat die Allianz reagiert und nach Investorenklagen Rückstellungen von 3,7 Milliarden für Straf- und Entschädigungsleistungen gebildet und zwei verantwortliche Manager entlassen. In vier von insgesamt rund 25 Fällen schloss der Konzern Vergleiche mit den Klägern.
Nach den vorläufigen Geschäftszahlen hat die Allianz im Jahr 2021 einen Umsatz von 148,5 Milliarden Euro erwirtschaftet, das sind 5,7 Prozent mehr als im Vorjahr mit 140,5 Milliarden Euro. Das Operative Ergebnis stieg um 24,6 Prozent von 10,8 Milliarden Euro auf 13,4 Milliarden Euro. Das führt auch wie bei unserer Munich Re zu einem zweistelligen Dividendenvorschlag. Die Gewinnbeteiligung der Allianz-Aktionäre soll von 9,60 Euro auf 10,80 Euro steigen, das sind immerhin 12,5 Prozent mehr, auf die sich die Investoren am 06.05.2022 freuen können. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt derzeit bei 13,1 auf 2021er-Basis, sowie bei ca. 11 ohne die oben erwähnten Rückstellungen für die Structured Alpha Fonds.
Wie die gesamte Versicherungsbranche steht auch die Allianz SE unter Druck. Denn die Digitalisierung kostet Arbeitsplätze, das wird auch nicht ohne zusätzliche kostenintensive Sozialpläne gelöst werden können. Auch wenn die Nullzinsphase jetzt langsam zu Ende geht, werden die Erträge immer noch von der Inflation bei den Unternehmensbeteiligungen aufgefressen.
Und auch wenn sich die Allianz als einer der Vorreiter der ESG-Anlagen sieht, bedeutet ein Wandel in der Anlagestrategie eine Abkehr von geliebten, weil renditeträchtigen Beteiligungen. Dazu kommt, dass die Inflation einschließlich des Krieges zwischen Russland und der Ukraine das Versicherungs- und Anlagegeschehen beeinflussen wird. Je höher die Inflationsrate steigt, umso weniger Geld steht für Anlage und Versicherung in den einzelnen Haushaltsbudgets zur Verfügung.
Die Allianz hat wegen dem Ukraine-Krieg die Geschäfte in Russland und Belarus auf Eis gelegt. Damit folgt sie dem Beispiel anderer international tätiger Konzerne. Neue Verträge werden dort nicht mehr abgeschlossen und das bestehende Geschäft wird in geordneter Weise maßgeblich zurückgefahren. Sie investiert nicht mehr in Kapitalanlagen für die dortigen Kunden.
Die Allianz ist in der Ukraine mit einem Sachversicherer vertreten, in Russland ist sie in der Krankenversicherung aktiv. Zusammen kommt sie dort operativ aber auf weniger als 30 Millionen Euro Gewinn im Jahr. In russischen und ukrainischen Papieren stecken weniger als 0,3 Prozent des 800 Milliarden Euro schweren Kapitalanlagenportfolios der Allianz.
Trotz aller Probleme hat sich der Finanzkonzern aus seinem Jahrestief von 178,80 Euro herausgearbeitet und steht jetzt aktuell bei ca. 213,00 Euro. Das Jahreshoch von 232,65 Euro ist nicht mehr so weit entfernt.