Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”
Vor geraumer Zeit schrieb ich hier, dass es im Grunde nur zwei Wege gibt, am Aktienmarkt aktiv zu werden. Der eine Weg sei, eine Aktie zu kaufen, in der Hoffnung, einen noch Dümmeren zu finden, der einen noch höheren Preis bezahlt. Vornehmer wird dies die Momentum-Methode genannt. Es ist im Grunde aber bloße Zockerei. Dennoch entscheidet sich die Mehrheit der Anleger für diesen Weg, der häufig eine Zeit lang sehr erfolgreich sein kann.
Manche Trends laufen lange, viel länger, als vernünftig wäre. Das Problem bei dieser Methode aber ist, dass man irgendwann selbst der letzte Dumme in der Reihe war, der vollkommen überbewertet eine Aktie gekauft hat. Das Ganze lässt sich auch auf andere Anlagevehikel wie Kryptowährungen übertragen. Die Fallhöhe ist dann enorm. Zumal viele Anleger sich erst anlocken lassen, wenn Trends schon lange laufen, so als sei das die Bestätigung einer These. Es waren die zögerlichen Anleger, die die vollkommen überteuerte Emission der Deutschen Telekom im Jahr 2000 zeichneten. Die Mutigen hatten bereits bei der ersten Emission 1996 investiert.
Investieren statt spekulieren
Langfristig vielversprechender ist dagegen, in Aktien nicht zu spekulieren, sondern zu investieren. Als Investor betrachtet man sich als Mitunternehmer. Vorherige Kursverläufe oder nach oben gerichtete Börsentrends spielen bei der Entscheidung über Investitionen überhaupt keine Rolle. Man schaut sich das Geschäftsmodell an, prüft, ob es langfristig resilient oder von technischer Disruption bedroht ist. Ein Management, das sich den Aktionären verpflichtet fühlt, ist ebenfalls wichtig, genauso wie eine Branche, die wächst, in der selbst schwache Unternehmen noch Geld verdienen können.
Dazu kommen Kennzahlen wie eine geringe Verschuldung, hohe Eigenkapitalrendite und vor allem hohe kalkulierbare zukünftige freie Cashflows. Damit ist im Grunde der Anlagestil des erfolgreichsten Investors aller Zeiten, Warren Buffett, kurz und knapp beschrieben. Doch es gibt noch einen anderen Weg, der sicher ein etwas stärker spekulatives Moment hat, aber sicher nicht in der Ecke der Zockerei zu verorten ist.
Ein „Verhundertfacher“ reicht
Ein anderer berühmter Investor, und hier muss man sagen, auch Spekulant, hat in seinem Buch „Die Alchemie der Finanzen“ eine Methode beschrieben, die ebenfalls Erfolg versprechend ist. Der Autor ist kein geringerer als der berühmte Hedgefonds-Manager George Soros. Er ging häufig den Weg, in einer jungen, vielversprechenden Branche eine Vielzahl von Unternehmen zu kaufen, in der Hoffnung, dass ein paar davon am Ende zu den Überlebenden gehören. Diese würden sich dann vervielfachen und die Verluste wettmachen. Man kann es kaum glauben, aber in den zwanziger Jahren gab es in den USA über 100 Automobilhersteller.
Ähnliches sehen wir mit dem Start der Elektromobilität aktuell auch in China. Wenn eine Branche dann reifer wird, sterben viele der jungen Unternehmen. In den USA haben wir es gerade bei dem Elektroautomobilhersteller Fisker gesehen. Andere werden folgen. Das ist vollkommen normal. Wer kein Brancheninsider ist, kann unmöglich in der Lage sein, am Start schon den Sieger zu erkennen. Eine breite Streuung ist deswegen die einzige, Erfolg versprechende Methode. Denn wer zehn Unternehmen kauft, dem reicht ein Verhundert- oder auch nur Verzwanzigfacher, um erfolgreich angelegt zu haben.
Wenn die anderen neun sterben, sieht die Rendite immer noch gut aus. Ich habe diese Methode Ende der neunziger Jahre angewendet und mich damals in zehn Biotech-Unternehmen in den USA eingekauft. Ich erinnere mich längst nicht mehr an alle Namen. An einen allerdings schon: Das Unternehmen Immunex. Die hatten ein Medikament, das durchstartete, und der Kurs vervielfachte sich. Regeneron besaß ich ebenfalls, und auch die legten kräftig zu. Da war es gut zu verschmerzen, dass aus den anderen nichts wurde.
Die Methode hängt von der Mentalität ab
Ob man besser in reife Unternehmen mit reifen Geschäftsmodellen investiert, so wie Warren Buffett, oder es mit George Soros hält und in viele junge Unternehmen investiert, hängt ganz stark mit dem eigenen Naturell zusammen. Wer eher risikoavers ist, sollte lieber in Unternehmen investieren, deren Zukunft sich einigermaßen gut prognostizieren lässt. Etablierte Player, von denen man ziemlich sicher weiß, dass es sie auch in Jahrzehnten noch geben wird. Ohne dass dies als Empfehlung zu verstehen ist, eine Nestlé wäre so ein Unternehmen.
Wer hingegen ein bisschen mehr Spannung haben will, dem sei das Investieren in junge Industrien nahegelegt, denn da kann er sich mit etwas Glück dann irgendwann über Aktien in seinem Portfolio freuen, die sich vervielfachen. Derzeit liebt der Markt nur die etablierten Unternehmen, die bereits große Gewinne schreiben. Fast die gesamte Aufwärtsbewegung am Aktienmarkt wird von diesen Titeln getragen, vor allem den großen Technologiewerten. Natürlich, Nvidia ist ein Unternehmen, das im Zukunftsbereich der KI unterwegs ist, aber die Vervielfachung des Kurses ist jetzt, wo das Unternehmen in gewissen Bereichen fast eine monopolartige Marktstellung hat, dann auch schon gelaufen.
Doch Märkte laufen in Wellenbewegungen. Auch die jungen Unternehmen, die derzeit wieder viel im Biotech-Sektor zu finden sind, wird es wieder nach oben spülen, vor allem die, die sich am Ende durchsetzen.