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Zum 25. Todestag: Wieso Kostolanys Weisheiten immer noch aktuell sind – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Am 14. September 1999 starb der Börsenspekulant André Kostolany. Unser Kolumnist kannte ihn und arbeite mit Kostolany zusammen. Zum 25. Todestag erklärt er, wieso Kostolanys Börsenweisheiten auch heute noch bedeutsam sind.

Am 14. September vor einem Vierteljahrhundert ist der Börsenaltmeister André Kostolany verstorben. Ich hatte das große Glück, in seinen letzten Jahren sehr eng mit ihm zusammenzuarbeiten, ihn zu Vorträgen und Fernsehauftritten zu begleiten und an drei Büchern mitzuwirken.

Ich war dann auch der letzte Freund aus Deutschland, der ihn 1999, als es ihm nicht mehr gut ging und er Paris nicht verlassen konnte, einmal im Monat dort besuchte. Dass sich nicht nur ich, sondern auch andere Medien wie der Hörfunk der ARD anlässlich seines fünfundzwanzigsten Todestages noch heute an ihn erinnern würden, war mir damals schon klar.

Denn André Kostolany hat der Börsenwelt etwas Bleibendes und Einmaliges hinterlassen. Wohl keiner konnte – und das gilt bis heute – die Börse mit so viel Witz, Charme und bildhafter Sprache erklären wie er. Er leistete echte Pionierarbeit, denn die Deutschen waren nach dem Zweiten Weltkrieg alles andere als aktienaffin.

Bevor das Privatfernsehen kam, war er eigentlich der einzige Börsenexperte in Deutschland, der durch die Medien Bekanntheit erlangte. Es war seine Kolumne im Anleger- und Wirtschaftsmagazin „Capital“, die unter dem Titel „Bekenntnisse eines Spekulanten“ erschien und ihn über die Jahre bekannt machte. Immer wieder wurde spekuliert, ob seine Börsenweisheiten heute noch Gültigkeit haben. Meine Antwort ist sehr klar und einfach: Ja, zu 100 Prozent.

Nehmt Schlaftabletten!
Wohl keine Börsenweisheit von André Kostolany wurde so oft zitiert wie dieser Tipp: „Gehen Sie in die Apotheke, kaufen Sie Schlafmittel, dann kaufen Sie eine Auswahl guter Blue Chips – heute würde man sagen Qualitätsaktien – nehmen Sie die Schlafmittel und schlafen Sie ein paar Jahre, denn zwischendurch wird es heftige Stürme und Gewitter geben, die Sie nicht nervös machen dürfen. Wenn Sie aufwachen, werden Sie eine angenehme Überraschung erleben.“

Dieser Rat wurde oft als universell gültig verstanden. Kostolany hatte ihn jedoch gar nicht als für alle Zeiten gültig gemeint. Er gab diesen Rat Mitte der 1990er-Jahre, weil er von einer großen Aufwärtsentwicklung an den Börsen ausging, wenn auch mit Unterbrechungen durch Korrekturen.

Wie recht er hatte, zeigt die Entwicklung bis zum Jahr 2000. 1997, zum zehnjährigen Jahrestag des Crashs von 1987, riet er, nach dem bis dahin schon starken Anstieg, die Hälfte zu verkaufen. Würde die Börse weiter steigen, würde man sich freuen, dass man eine Hälfte behalten habe. Würde sie fallen, könnte man sich freuen, dass man die andere Hälfte verkauft habe.

Kostolanys Schlafmittel-Zitat war eigentlich auf die 1990er-Jahre gemünzt. Heute bin ich bereit, es als universell gültig weiterzugeben.

Was sich wie eine Binsenweisheit anhört, kann tatsächlich sehr hilfreich sein. Denn der eigene Börsenerfolg hängt oft von der eigenen Psyche ab. Deshalb ist es manchmal sehr hilfreich, wenn man nicht zu 100 Prozent, sondern nur zu 50 Prozent falsch und zu 50 Prozent richtig liegt.

Wenn ich auf das Zitat mit den Schlaftabletten angesprochen wurde, habe ich immer wieder erklärt, dass Kostolany es nicht für universell gültig ausgegeben hatte. Heute allerdings bin ich bereit, es als universell gültig weiterzugeben. Denn all die „Finfluencer“ da draußen, die den Leuten empfehlen, einfach in einen MSCI World ETF zu investieren, sagen eigentlich nichts anderes.

Und wie richtig es ist, diesen in den vergangenen Jahren gehalten zu haben, anstatt zu versuchen, oben auszusteigen und unten wieder einzusteigen, zeigt eine Studie der Kelley School of Business. Laut dieser verlieren deutsche Anleger mit ETFs jährlich 1,7 Prozent, weil sie ständig hin- und her-handeln und sich beim Timing vertun.

Kostolany gab auch Lebensweisheiten
Auch seine anderen Weisheiten haben heute noch Gültigkeit. Zum Beispiel: „Man muss dem Trend entgegengehen, ihm nicht hinterherlaufen.“ Oder: „Was an der Börse jeder schon weiß, macht mich nicht mehr heiß.“ Und: „Ich gehe so gern zur Börse, weil ich nirgendwo sonst so viele Dummköpfe pro Quadratmeter treffen kann, wie dort – um dann das Gegenteil von dem zu tun, was sie sagen.“

Diese drei Börsenweisheiten zeigen, dass Kostolany ein eingefleischter Antizykliker war. Er konnte durchaus eine Zeit lang mit dem Trend gehen, aber wenn ihn plötzlich jeder Taxifahrer ansprach und um Tipps bat, wusste er, dass das böse Ende nicht mehr weit ist. Unvergessen ist seine Prognose in der NDR-Talkshow 1998, in der er den Neuen Markt als Betrug bezeichnete und ein Blutbad voraussagte. Dieses folgte ab März 2000, mit einem Minus von 97 Prozent im damaligen Nemax-Index für den Neuen Markt. Es bedeutete zugleich das Ende dieses Börsensegments und auch seiner Indizes.

Ein weiterer Ausspruch, der gut dazu passt: „Man muss die Börse heiß lieben und kalt behandeln.“ Auch hier hatte er recht. Denn man muss das, was man tut, mit Leidenschaft verfolgen, um erfolgreich zu sein. Bei der Auswahl seiner Börsenengagements ist jedoch absolute Rationalität gefragt.

Doch Kostolany hatte nicht nur Börsenweisheiten auf Lager. Einmal war er sogar in einer Samstagabend-Show im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eingeladen. Die Sendung hieß „Ein Abend in Gold“. . Auf die Frage nach einer Empfehlung für das Publikum antwortete er: „Investieren Sie in die Ausbildung Ihrer Kinder. Meine Eltern haben das getan, und am Ende konnte ich, nachdem sie vor dem Kommunismus in Ungarn geflohen waren, ihnen in der Schweiz einen angenehmen Ruhestand finanzieren.“

Was hätte Kosto wohl zu Kryptowährungen gesagt?
Kostolany starb rund zehn Jahre, bevor mit dem Bitcoin die erste Kryptowährung bekannt wurde. Schon vorher hatte er die wilden Spekulationen im „Währungscasino“, wie er es nannte, immer wieder heftig kritisiert. Die Milliarden von Dollar – heute sind es Billionen – die täglich gehandelt würden, würden die Devisenkurse stark und ungerechtfertigt beeinflussen, lautete sein Vorwurf.

Kryptowährungen würde er wahrscheinlich nicht verstehen, aber er hätte sie wohl, ähnlich wie Charlie Munger und Warren Buffett, als wilde Zockerei bezeichnet und mit Sicherheit davor gewarnt.

Er pflegte in solchen Fällen einen Börsenkollegen zu zitieren, den er einst in der Oper traf. Kostolany war ein großer Opernliebhaber und hatte „Die Meistersinger von Nürnberg“ von Richard Wagner über 100-mal gesehen. Als er den Kollegen sah, den er nie für einen Opernfan gehalten hätte, fragte er ihn erstaunt, was er dort tue. Der Kollege antwortete schlicht: „Ich warte auf das Ende.“

Diese Antwort gab Kostolany immer dann, wenn er mit allerlei verrückten Auswüchsen an der Börse oder betrügerischen Anlageprodukten konfrontiert wurde. Bei den Kryptowährungen hätte er wohl das Gleiche gesagt – allerdings würde er nun schon eine ziemlich lange Zeit auf das Ende warten. Das muss man einräumen.

Kostolany war gläubig. Seine Geburtstage in seinen späten Achtzigern und frühen Neunzigern feierte er nur noch im kleinen Kreis, weil er die Befürchtung hatte, der liebe Gott würde ihn sehen und sagen: „Was, der alte Kosto ist immer noch da unten? Er soll zu mir raufkommen. Alle seine alten Kollegen sind schon hier, wir können ihn gut gebrauchen.“

Doch Kostolany wollte noch ein wenig bei uns auf der Erde bleiben. Ich bin zwar nicht gottgläubig, aber ich könnte mich ja irren. Wenn Kostolany also doch da oben sitzen sollte und auf uns herabschaut, möge er diesen Text als eine Hommage an den Schatz verstehen, den er uns und vielen weiteren Anlegergenerationen hinterlassen hat. Dieser wird überdauern. Da bin ich sicher. Einmal sagte jemand: „André Kostolany ist der Größte!“ Ich sage nein. Er ist der Einzige!