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Zeitenwende in der europäischen Geldpolitik?-Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 
Nun ist sie zumindest in Aussicht gestellt, die erste Zinserhöhung durch die Europäische Zentralbank (EZB) seit elf Jahren. Den Zinserhöhungszyklus, den die US-Notenbank zwischen 2015 und 2018 vollführte, hatte die EZB komplett ausgelassen. Der Grund war die Eurokrise, die als Nachwirkung der Finanzkrise in den Jahren zwischen 2008 und 2016 Staaten wie Irland, Italien aber vor allem Griechenland erfasste. Der berühmte Satz des damaligen EZB-Chefs Mario Draghi „Whatever It Takes“ fand in dieser Politik ihren Ausdruck. Doch nun kann auch die EZB die Inflation nicht mehr ignorieren. Dass sie Folge dieser lockeren Geldpolitik irgendwann sein würde, davor hatten viele gewarnt, ich 2009 auch in Buchform, allerdings gab es aus meiner Sicht zu der damaligen Politik dann doch wenig Alternativen.
 
Keine echte geldpolitische Wende 
Um 0,25 Prozent soll der Leitzins im Juli also steigen. Das ist näher betrachtet natürlich nichts weiter als Symbolpolitik bei einer Inflationsrate von über sieben Prozent. Noch mehr als die USA ist die EZB gehalten, trotz der ausufernden Inflation die Zinsen ziemlich in der Nähe von Null zu belassen, da es in der Eurozone Staaten gibt, für die stärkere Zinsanhebungen wahrscheinlich in die nächste Eurokrise führen würden. Das Wachstum lässt ohnehin nach, nicht zuletzt wegen des Ukraine- Krieges. In dieser Situation jetzt mit scharfen Zinserhöhungen die Inflation zu bekämpfen, würde bedeuten, Länder wie Griechenland, Italien aber auch Frankreich in ein neues Schuldenproblem zu stürzen. Natürlich, auch für die Eurozone gilt mittlerweile mehr oder minder: Staaten, die sich in ihrer eigenen Währung verschulden, können nicht pleitegehen. Sie drucken schließlich das Geld, in dem sie sich verschulden. Sofern die EZB also bereit wäre, im Notfall alles an Staatsanleihen am Markt aufzukaufen, könnten sich die Länder weiter finanzieren. Das Problem ist nur, dass sie dann am Ende nur noch immer mehr neue Schulden machen würden, um ihren Zinsdienst bedienen zu können. Würde dieser immer klarer erkennbar mit der Notenpresse finanziert, wäre ein schwindendes Vertrauen in das Papiergeld in Form des Euro absehbar. Derzeit sind die Schuldenberge kein Problem. Italien zahlt weniger Zinsen als vor 20 Jahren mit einer heute viel höheren Verschuldung. Der Grund ist ein ganz einfacher: Die Staatsanleihen, die noch deutlich höhere Zinscoupons hatten, sind mittlerweile ausgelaufen und die in den letzten Jahren begebenen rentieren viel geringer. So ist die Zinslast Italiens heute viel geringer.
 
Geldpolitik in homöopathischen Dosen
Auch die EZB hat verkündet, dass neben Zinsschritten das Anleiheaufkaufprogramm gestoppt wird. Sie geht noch nicht so weit wie die US-Notenbank Federal Reserve (FED) und hat Verkäufe aus der Bilanz angekündigt, aber der Rückenwind für die Aktienmärkte durch diese monatliche Flutung der Finanzmärkte mit Liquidität geht auch in Europa verloren. Das trübt auch hier das Aktienumfeld ohne Frage ein. Aber auch hier stellt sich eben die Frage noch mehr als in den USA nach den Alternativen. Zinsen irgendwo im Bereich von Null und selbst wenn sie auf zwei Prozent stiegen, können nicht im Ansatz die hohe Inflation ausgleichen. Während zehnjährige US-Staatsanleihen schon über drei Prozent Rendite bringen, liegt die der deutschen Bundesanleihe noch bei rund einem Prozent. Ich hatte immer wieder in den vergangenen 21 Jahren gesagt und geschrieben, dass die von einigen Krisen zwar unterbrochene 1982 gestartete Dekade der immer weiter steigenden Aktienmärkte dann zu Ende ist, wenn die Notenbanken erstmals eine Inflation bekämpfen müssen, die in der besagten Dekade nie ein Problem darstellte. Diese Situation haben wir jetzt. Ich meinte damit aber eine Politik, wie wir sie Anfang der achtziger Jahre mit Zinsen deutlich über der Inflationsrate erlebt haben, was damals in den USA Leitzinsen von knapp 20 Prozent bedeutete. Solange es aber bei den homöopathischen Dosen in der Zinspolitik bleibt, haben die Aktien sicherlich nicht mehr den Antrieb wie 2021 oder auch nach der Finanzkrise, aber sie könnten mit einem blauen Auge davonkommen. Und auf die lange Sicht dürfte nach Inflation ein Anleger, der auch jetzt weiter auf Aktien setzt, besser fahren als einer, der nun in Geldwerte geht, sprich festverzinsliche Anlagen.