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Warum steigt Gold nicht stärker? – Gastkommentar von Folker Hellmeyer, Volkswirt und Chefanalyst

Sie blicken auf viele Jahrzehnte Börsenerfahrung zurück. Wie bedrohlich ist die derzeitige Lage für Sparer und Anleger?

Folker Hellmeyer: Wir sind mit einer historisch einmaligen Situation seit Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Die aktuelle Inflation geht in erster Linie auf die hohen Rohstoffpreise zurück. Diese wiederum sind durch die Corona-Krise und den Ukraine-Krieg bedingt. Die westlichen Zentralbanken stecken durch diese Faktoren in einem Dilemma. Wenn sie in einer solchen Situation zusätzlich die Kosten für den Faktor Kapital durch höhere Zinsen verteuern würden, dann würde das den Kostendruck für Unternehmer und Verbraucher weiter verschärfen. Darum sind die Notenbanken immer noch sehr vorsichtig, weil sie den Gas-, Nickel- oder Ölpreis mit ihrer Zinspolitik nicht beeinflussen können. Dessen sind sich die Notenbanken schon bewusst. Fakt ist: Wir haben einen markanten Wohlstandsverlust in der westlichen Welt, weil die Preisinflation die Kaufkraft der Bürger und Unternehmen schmälert.

Die Ukraine-Krise verschärft das noch

Richtig. Hier haben wir es auch mit einer historischen Einmaligkeit zu tun. Ein derartiges Sanktionsregime wie aktuell gegen Russland gab es bisher bei anderen Völkerrechtsverletzungen nicht. Europa steht dadurch potenziell vor einer existenziellen Krise. Mit einem Verzicht auf den Import fossiler Brennstoffe, insbesondere Gas, riskiert man den Stillstand der europäischen Wirtschaft mit entsprechenden gesellschaftspolitischen Folgen. Nehmen wir den größten europäischen Chemiestandort Ludwigshafen mit BASF als Beispiel. Fiele der aus, wäre die Gesamtversorgung Deutschlands, auch in anderen Bereichen, etwa der Grundversorgung mit Lebensmitteln, nicht mehr gewährleistet. Das ließe sich durch Flüssiggas beispielsweise nicht ausgleichen, weil hierfür die Infrastruktur komplett fehlt und auch Flüssigkontingente am Markt Absehbar nicht vorhanden sind. Dazu muss es nicht kommen, aber das Risiko ist sehr real. Aber auch ohne eine dramatische Eskalation bedeutet die Neuausrichtung Europas im Energiebereich einen erhöhten Kostendruck für die Gesamtwirtschaft. Das aber geht zu lasten der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Ländern, die sich an den Sanktionen gegenüber Russland beteiligen.

An der Börse spiegelt sich die Unsicherheit wider. Was macht man da als Anleger? Ein Reflex in Krisenzeiten ist der Kauf von Gold. Ist das richtig?

Im Jahr 2000 habe ich in einem Artikel in der „FAZ“ geschrieben, dass das wesentliche Finanzsystem Krebs habe und man sich auf Anlagen fokussieren müssen, die damit nicht korreliert sind. Und das waren Edelmetalle. Meine Prognose, dass Gold von 250 Dollar auf einen vierstelligen Betrag steigen würde, wurde aber milde belächelt. In der jetzigen Krise sehen wir aber, dass Gold, aber auch Kryptoanlagen sich nur bedingt als Absicherung bewährt haben. Gerade wenn man die Heftigkeit der Krise bedenkt.

Ist Gold also keine gute Idee?

Doch, man sollte, und das ist mein reden seit 2000, generell im Hinblick auf die Unsicherheiten, die sich im Finanzsystem oder in der Realwirtschaft immer wieder ergeben, einen Teil des liquiden Vermögens in Gold halten. Je nach Risikoneigung fünf bis zehn Prozent. Als eine Form der Versicherung. Nicht spekulativ, sondern als Investition für einen langen Zeitraum. Der Anstieg von 250 Dollar vor 22 Jahren auf um die 1900 Dollar aktuell zeigt, dass diese Anlageklasse die Kaufkraft über diesen Zeitraum erhalten hat.

Gold also als Dauerinvestment?

Richtig. Edelmetalle haben auch gerade jetzt ihre Berechtigung – weil sich die Welt fragmentiert, weil Grenzen aufgebaut werden. Nicht zuletzt durch die Arrestierung der Zentralbankguthaben Russlands wird das westlich dominierte Finanzsystem mit der Leitwährung Dollar mittel- bis langfristig ein Stück weit leiden. Zentralbankreserven werden mit der Zeit neu angelegt werden – zugunsten von Gold, das eine größere Rolle spielen wird im monetären Umfeld, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

Aber woran liegt es denn, dass trotz der Schwere der Krise Gold seit Monaten eher seitwärts tendiert?

In einer virulenten Krise gibt es auch immer eine Hinwendung zum US-Dollar als „sicheren Hafen“. Das war in den zurückliegenden 70 Jahren so, und das ist auch aktuelle so. Der Dollar fungiert da als eine Art Liquiditätspräferenz. Zum anderen gibt es beim Goldpreis eine Verzerrung – wenn man so will, kann man auch von einer Manipulation sprechen. Es gibt den physischen Markt, der geprägt ist von hoher Nachfrage. Würde dieser den Preis allein bestimmen, hätten wir heute sicherlich höhere Notierungen. Es gibt aber auch den Futures-Markt, und genau der diktiert den Preis für das physische Metall. Das ist eine gewisse Pervertierung. Denn dort sehen wir immer wieder, dass oft über Nacht bei geringer Liquidität die Notierung einbricht. Das kann man auch bei Silber und anderen Edelmetallen beobachten. Und ähnliches sehen wir bei Bitcoin, wo es seit einiger Zeit ebenfalls einen Futures-Markt gibt. 

Sind Industriemetalle eventuell eine Alternative zu Gold?

Der Rohstoffmarkt ist in einer Aufwärtsbewegung. Das liegt unter anderem an der grünen Energiewende und an einer Auflösung jahrelanger Unterinvestitionen. Über die Zeit werden jetzt Anlagen weltweit optimiert oder ersetzt. So entstehen enorm große Wachstumskräfte mit viel Rohstoffverzehr, eigentlich ist das eine ideale Wachstumswelt. Die Steigerungsrate hängt jetzt aber davon ab, inwieweit wir die Kunst der Diplomatie im Ukraine-Konflikt beherrschen – was uns wieder zum Anfang der Diskussion führt und zur Erkenntnis, dass Europa der gefährdetste Standort weltweit ist. Für andere Regionen gilt das wie gesagt nicht. Es gibt Regionen mit Versorgungssicherheit und Discounts bei den Rohstoffpreisen. Das sind die Länder, die Russland nicht sanktionieren. Als global agierendes Unternehmen, das Neuinvestitionen plant, wohin wird man sich wohl wenden?

Für Anleger hierzulande bedeutet das letztlich, sich globaler aufzustellen? Gold als Absicherung ja, aber auch Aktien weltweit agierender Unternehmen?

Gold, Rohstoffe, Aktien – wir sind acht Milliarden Menschen auf der Welt, die grundversorgt werden sollen. Und Unternehmen optimieren ihre Geschäftsmodelle ständig, anders als Staaten. Bei Netfonds starten wir ein neues Fondsprojekt, bei dem es genau darum geht. Der Fonds investiert in verschiedene Anlageklassen, weltweit orientiert. Er legt auch in Gold an, aber überwiegend in Aktien von Unternehmen, bei denen die unverzichtbar sind für die Grundversorgung der Welt. Wir suchen Unternehmen, bei denen die Inflation über die Bilanzsumme ausgeglichen wird, die also als Inflationsschutz taugen. Und wir nehmen Gold als Absicherung, falls es wirklich zu dramatischen Entwicklungen kommt, beispielsweise durch einen Gasstopp, der Europa als Standort extrem gefährdet und damit auch die Weltwirtschaft in Mitleidenschaft ziehen würde. In solch einem Moment zieht dann diese „Versicherung“, die man mit einem Goldinvestment eingeht.