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Schatten über den Finanzmärkten – Gastkommentar Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

 

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzanalyst und Börsenkorrespondent für “N-TV”

Der Einkaufsmanagerindex nach Lesart von ISM in den USA für das verarbeitende Gewerbe bricht deutlich ein. Fast alle Wirtschaftsdaten der vergangenen Wochen fallen schlechter aus als erwartet, ablesbar am Economic Surprise Index.

Rezessionssorgen machen sich jetzt auch in den USA breit. China kommt nicht aus der Immobilienkrise heraus, die Verbraucher sparen vermehrt, und die Wachstumsaussichten verschlechtern sich weiter.

Erstmals haben die Chinesen nicht mehr das Gefühl, dass es immer weiter aufwärts geht mit ihrem Lebensstandard. Damit ist ausgeschlossen, dass Deutschland wie nach der Finanzkrise durch den chinesischen Importsog aus der Rezession gezogen wird.

Uns am eigenen Schopf herauszuziehen, schaffen wir offensichtlich noch weniger. Zu viel Bürokratie, zu hohe Abgabenlast, zu hohe Energiepreise und eine marode Infrastruktur hemmen das Wachstum. Das Vertrauen in die Ampel-Regierung ist auf einem Tiefpunkt, und so halten sich die Bürger trotz gestiegener Löhne mit dem Konsum zurück.
Dazu kommen immer mehr Ankündigungen von massenhaftem Stellenabbau. Da die Inflation zuletzt wieder angezogen ist und über dem Zielwert von zwei Prozent liegt, wird von der EZB auch nicht beherzt mit Zinssenkungen gegengesteuert.

Die Inflationsraten sind in der westlichen Welt überall noch zu hoch. Das alles ist das Gegenteil des Goldlöckchen-Szenarios, nämlich Wirtschaftswachstum ohne Inflation. Bald haben wir möglicherweise Inflation ohne Wirtschaftswachstum, gemeinhin als Stagflation bezeichnet. 

Und über allem schwebt dann noch die Gefahr eines Krieges zwischen Israel und dem Iran und damit eines Flächenbrands im Nahen Osten. Wie sich die USA verhalten werden, hängt dann wiederum davon ab, wer Präsident wird.

Aktien trotzten lange der Gemengelage
Die genannten Entwicklungen sind nicht neu, sie haben sich zuletzt nur etwas verschärft. Allein die USA sahen bis vor kurzem noch, abgesehen von der noch zu hohen Inflation, gesund aus.

Aber auch hier bröckelt es jetzt: Die Anzahl der neuen Jobangebote geht deutlich zurück, in der Regel ein Vorbote für nachlassende Beschäftigungszahlen, die nun seit vielen Monaten erstmals deutlich unter den Erwartungen lagen. Ohnehin sind zuletzt hauptsächlich nur im Teilzeitbereich neue Stellen geschaffen worden. Trotzdem eilten die Aktienkurse bis vor kurzem noch von Rekord zu Rekord.

Und auch im Dax sind die letzten historischen Höchstkurse nicht weit entfernt, trotz der in Deutschland schon seit längerer Zeit stagnierenden Wirtschaft. Wie ist das zu erklären?
Zunächst muss man festhalten, dass der Aktienaufschwung, wie hier schon oft thematisiert, von nur wenigen Unternehmen getragen wurde, die unabhängig von der enttäuschenden Konjunktursituation in der Welt mit KI eine Sonderkonjunktur erlebten.

Außerdem gab es offenbar immer noch sehr viel Liquidität aus der Corona-Zeit und durch Sonderprogramme der Federal Reserve (Fed) in den USA nach der Pleite der Silicon Valley Bank. Diese Effekte laufen nun langsam aus, was der Grund hinter der jüngsten Aktien-Schwäche sein könnte.

Die erhoffte Rotation aus den KI-Gewinnern in die klassische Industrie dürfte nicht stattfinden, wenn die wirtschaftliche Entwicklung den beschriebenen Pfad fortsetzt, wofür relativ viel spricht. In der traditionellen Industrie sind viele Unternehmen zyklisch, die dann entsprechend leiden, wenn die Konjunktur nachlässt oder es womöglich sogar eine Rezession gibt. Denn dann sinken die Gewinne dieser Unternehmen. Nach dem Favoritenwechsel ist jetzt eher eine breitere Abwärtsentwicklung wahrscheinlich.

Crash oder Kurskorrektur?
Wie schlimm kann es an den Aktienmärkten kommen? Das hängt eigentlich immer nur von einer Frage ab: Kommt es zu einem Credit Crunch? Damit ist gemeint, dass es zu einer Liquiditätsverknappung im gesamten Finanzsystem kommt.

Das haben wir exemplarisch in der weltweiten Finanzkrise erlebt, als mehr oder minder alle Banken in Not gerieten und Liquidität überall knapp wurde. Die Banken waren damals in Milliardenvolumen in nicht werthaltigen Immobilienkrediten engagiert und fuhren ihre Risiken und ihr Kreditbuch in Höchstgeschwindigkeit herunter.

In einer solchen Situation fallen dann fast alle Asset-Preise, weil überall versucht wird, Liquidität zu generieren. Dann fallen Aktien, Unternehmensanleihen, Rohstoffe und wahrscheinlich in Zukunft auch Kryptowährungen.

Es stellt sich die große Frage, ob es zu diesem Szenario wieder kommt, oder ob einfach nur die Überbewertung am Aktienmarkt und eine allgemeine Angst vor einer Rezession und den damit einhergehenden Gewinnrückgängen eingepreist werden.
Eines lässt sich wohl klar sagen: Die Banken stehen heute deutlich solider da. Die Finanzkrise hat zu einem Umdenken und zu schärferer Regulierung geführt. Weil dies aber mit einer restriktiveren Kreditvergabe verbunden war, ist parallel in den Jahren seit der Finanzkrise ein gigantisches Schattenbankensystem gewachsen.

Das Volumen wird auf ca. 75 Billionen US-Dollar geschätzt. Wie viel Hebel hier vorhanden ist und wie stark die konjunkturellen Auswirkungen sind, wenn die Kreditvergabe aus diesem Sektor schrumpft oder nicht mehr gegeben ist, lässt sich extrem schlecht abschätzen. Denn das Schattenbankensystem entzieht sich mehr oder minder der Regulierung komplett.

Hier zahlen eher große als kleine Anleger in Kreditfonds ein, die dann das Geld an Kreditnehmer verteilen. Ob Ausfälle in diesem Bereich Kettenreaktionen nach sich ziehen, ist fast unmöglich vorauszusagen. Aber da das Volumen riesig ist, sollte man das Risiko im Hinterkopf behalten.

Und so gilt die alte Börsenweisheit: Immer Angst haben, nie erschrecken.