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“Nicht finanzierbar” war gestern

“Nicht finanzierbar” war gestern                                             

Gastkommentar von Stefan Riße, Finanzjournalist, Börsenkorrespondent für “n-tv”

Mit welcher Vehemenz ist uns jahrelang von Volkswirten, dem ehemaligen Finanzminister Wolfgang Schäuble und seinem Nachfolger Olaf Scholz die Wichtigkeit der schwarzen Null eingetrichtert worden. Nur mit soliden Staatsfinanzen würde das Land in eine unbedenkliche Zukunft gehen, lautete das Paradigma, das in der Bevölkerung viele Anhänger fand. Statt in Infrastruktur und Bildung zu investieren, war es wichtiger, das Geld zusammen zu halten. Gespart wurde überall. Bei der Bahn, den Straßen, dem Polizeiapparat. Da gab es während des Flüchtlingsansturms den geschichtsträchtigen Satz „Wir schaffen das“, aber die Politik war nicht bereit, das nötige Geld aufzuwenden, um die zu uns gekommenen Menschen so schnell wie möglich zu integrieren, würdig unterzubringen und auszubilden.

Das Virus hebt alles aus den Angeln

Doch nun haben wir die Corona-Krise. Und die schwarze Null interessiert niemanden mehr. Nun muss man einräumen, dass Ausnahmen vom ausgeglichenen Haushalt von Beginn an vorgesehen waren, für den Fall, dass die konjunkturelle Situation dies erfordere. Doch, was der Staat aktuell quasi im Wochentakt an Hilfspaketen beschließt, stellt alles in den Schatten, was vor der Corona-Pandemie auch nur ansatzweise für ordnungspolitisch noch vertretbar angesehen worden wäre. Und es gibt keinen Aufschrei derjenigen, die zuvor so fest an die Wichtigkeit der ausgeglichen Staatsfinanzen geglaubt haben, oder sagen wir jedenfalls so vehement dafür gestritten haben. Denn der feste Glaube scheint im Nachhinein ja zweifelhaft. Denn wer im Ernst annimmt, dass die schwarze Null die Voraussetzung für unseren weiteren Wohlstand ist, der müsste doch jetzt wegen der ganzen Schulden aufschreien, die nun gemacht werden und zukünftige Generationen belasten. Aber es schreit keiner!

Im Nach-Corona-Zeitalter werden es die „Schäubles“ schwer haben

Wann auch immer es passieren wird, irgendwann werden wir zu einem normalen Leben zurückkehren – entweder weil es einen Impfstoff gibt oder sich im Verlauf der Zeit dann doch so viele mit Covid-19 infiziert haben, dass eine Immunisierung der Gesellschaft vorliegt. Die Wirtschaft wird sich dann erholen, auf ihr altes Wertschöpfungsniveau zurückkehren und sich wieder auf den Wachstumspfad begeben. Dennoch dürften es die Anhänger eines ausgeglichenen Staatshaushaltes dann schwer haben, mit ihrer Forderung noch einmal durchzudringen. „Das ist nicht finanzierbar“ und „es muss erwirtschaftet werden, was ausgegeben werden kann“, werden als Argumente nicht mehr zählen. Ihre Gegner verfügen ab jetzt über ein Totschlagargument, das da lautet: „In der Corona-Krise war es auch möglich, in fast unbegrenzter Weise Schulden zu machen. Wieso dann nicht jetzt, wenn es um so wichtige Anliegen geht wie den ökologischen Umbau unserer Gesellschaft, die medizinische Versorgung oder die Ausbildung und Betreuung unserer Kinder, etc.“

Und tatsächlich wäre es ein Segen, wenn das Paradigma der schwarzen Null in den Geschichtsbüchern verschwinden und dieser Staat in seine Zukunft investieren würde, anstatt sich kaputt zu sparen und den Chinesen und Amerikanern das Feld im internationalen Wettbewerb zu überlassen. Eine solche Politik und nicht ein ausgeglichener Staatshaushalt sichert den Wohlstand künftiger Generationen.